Webcam-Girl kämpft für Recht auf Homeoffice

Natalie Hot lässt in ihrem Einfamilienhaus im schönen Ampfingen (Bayern) gegen Entgelt vor der Webcam die Hüllen fallen. Sie arbeitet damit quasi im Homeoffice. Seit sich ihre Nachbarn darüber beschwert haben, kämpft die 24-Jährige vor Gericht um ihr Recht auf Heimarbeit.

Für zahlendes Publikum zeigt sich die Frau, die sich im Internet Natalie Hot nennt, nackt vor ihrer Webcam. Damit verdient sie ihren Lebensunterhalt. Als Kulisse diente ihr bisher ein Zimmer in einem hübschen Einfamilienhaus in Ampfingen (6.000 Einwohner). Nachdem sich Nachbarn über die Arbeit von Natalie Hot beschwert haben, hat das zuständige Landratsamt Mühldorf am Inn der 24-Jährigen verboten, sich in ihren eigenen vier Wänden vor der Webcam auszuziehen. Bei Nichtbefolgen droht dem Webcam-Girl ein Zwangsgeld von 2.000 €.

Zur Begründung führte das Landratsamt an, dass sich das Einfamilienhaus in einem Baugebiet befinde, in dem der Bebauungsplan keine gewerbliche Nutzung vorsehen würde. Den Antrag auf “Einbau eines Darstellungs- und Schaustellereizimmers” lehnte das Landratsamt ab. Die Anwohner hätten sich unter anderem über Lärmbelästigungen beschwert. Natalie Hot wirft ihren Nachbarn „Hetze“ vor. Ihre Haustür sei im letzten Jahr eingeschlagen worden und die anderen Anwohner hätten sogar eine Unterschriftensammlung gegen sie gestartet.

Kein Homeoffice für Sexarbeit

Nun will die 24-Jährige gegen den Bescheid juristisch vorgehen. Vor dem Verwaltungsgericht München will sie durchsetzen, dass ihre Tätigkeit als Pornosternchen vor der Webcam, als Homeoffice-Arbeit anerkannt wird. Das Amt meint, das Zimmer mit der Webcam könne “nicht als herkömmliches Arbeitszimmer oder Telearbeitsplatz” angesehen werden. Sie sind der Meinung, dass Natalie Hots Beruf „Außenwirkung entfalte“. Auch eine freiberufsähnliche künstlerische Betätigung liege nicht vor, “da auch hierfür ein gewisser Standard an individueller geistiger oder schöpferischer Qualifikation verlangt wird”.

Die 24-Jährige sieht sich in dem Streit als Vorkämpferin gegen die bayerische Prüderie. Und man muss sich tatsächlich fragen, welche Reaktionen die Nachbarn und das Landratsamt gezeigt hätten, wenn Natalie Hot nicht vor der Webcam strippen würde, sondern in ihrem Zuhause einer anerkannten handwerklichen Tätigkeit nachginge. Beispielsweise töpfern.

Das Münchner Verwaltungsgericht sieht das aber ebenfalls anders. Die Tätigkeit der 24-Jährigen stehe nicht im Einklang mit dem Baurecht. Nach Art. 55 I BayBO bedarf die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung. Ein solcher Fall läge hier vor. Die gewerbliche Tätigkeit der Klägerin halte sich nicht mehr im Rahmen der baurechtlich zulässigen Wohnnutzung, sondern überschreite diesen, weshalb eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung gegeben sei.

Webcam-Sex baurechtlich nicht zulässig

Das Haus befinde sich in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 II Nr. 1 BauNVO, in dem nur Wohngebäude zulässig seien. Die Bandbreite des Wohnbegriffs ermögliche aber auch, hierunter einen Telearbeitsplatz oder ein herkömmliches Arbeitszimmer zu fassen. Die dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit des Webcam-Girls überschreite aber diesen Rahmen. Die Erbringung erotischer bzw. pornographischer Dienstleistungen treten nicht nur geringfügig nach außen hin in Erscheinung tritt, ist die Bandbreite des Wohnbegriffs überschritten.

“Jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – nicht nur um eine gelegentliche, sondern um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handelt und die Wohnung gerade auch zum Zweck der Erbringung erotischer bzw. pornographischer Dienstleistungen genutzt wird, und diese Tätigkeit nicht nur geringfügig nach außen hin in Erscheinung tritt, ist die Bandbreite des Wohnbegriffs überschritten. Eine solche Tätigkeit besitzt ein eigenständiges siedlungsstrukturelles Gewicht, was es nicht zulässt, sie bauplanungsrechtlich unter die Nutzungsart des Wohnens fassen.”

Natalie Hot erwägt, im Ausland weiterzuarbeiten.


Entscheidung: VG München, Urt. v. 06.10.2016, Az. M 1 K 16.1301   
Fundstelle: http://www.spiegel.de/
Fundstelle: http://www.br.de/

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