Das OLG München musste entscheiden, ob die Bezeichnung „schlimmer als Roland Freisler“ eine strafbare Beleidigung darstellt. Geklagt hatten die Mitglieder des zweiten Strafsenats eben dieses Gerichts, die den Vergleich mit einem besonders grausamen NS-Jurist unerhört fanden.
Ein Münchener Rechtsanwalt erhob 2015 eine Anhörungsrüge und verwendete darin auch folgende Passage:
Roland Freisler gilt als bekanntester und zugleich berüchtigtster Strafrichter im nationalsozialistischen Deutschland. Er war verantwortlich für etwa 2600 Todesurteile. Viele seiner Prozesse waren reine Schauprozesse, bei denen das Urteil bereits vorab feststand. Beispielhaft dafür sind der 1943 unter Freislers Vorsitz geführte Prozess gegen die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose, in dem er die Geschwister Hans und Sophie Scholl neben anderen zum Tode verurteilte, sowie die Prozesse gegen die Verschwörer des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944. Roland Freisler gilt als ein personifiziertes Beispiel für die Rechtsbeugung der Justiz im Dienst des NS-Regimes.
Roland Freisler als Beleidigung?
Der betroffene Senat erstattete daraufhin Strafanzeige zum AG München. Dieses verurteilte den Anwalt zu 60 Tagessätzen wegen Beleidigung. Das LG München hielt dieses Urteil aufrecht. Das OLG München sprach den Anwalt nun aber gem. § 353 I, 354 I StPO frei.
Zur Begründung führt das OLG an, dass der Tatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB grundsätzlich erfüllt sei. Allerdings könnte der Anwalt gerechtfertigt sein. Dabei müsse Recht des Bürgers, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auch mit drastischen Worten zu kritisieren, gegen die Ehrverletzung der Richter abgewogen werden.
Reine „Schmähkritik“ wäre nicht mehr gerechtfertigt. Bei der Äußerung des Anwalts liege eine reine Schmähkritik aber nicht vor. Die Kritik des Anwalts am sachlichen Vorgehen des Senats trete nicht gegenüber der persönlichen Kritik in den Hintergrund. Da der Anwalt den Vergleich mit Roland Freisler im Kontext einer Anhörungsrüge in einem durch ihn selbst geführten Verfahren vornahm, sei er nach § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) gerechtfertigt.
Dabei sei im Lichte der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG auch zu berücksichtigen, dass Richter “schon von Berufs wegen in der Lage und auch gehalten” seien, “überpointierte” Kritik an ihrer Arbeit beim “Kampf ums Recht” auszuhalten. Die Äußerungen des Anwalts seien “im Kern nur der Vorwurf sehr großen Unrechts und willkürlichen, rechtsbeugenden richterlichen Handelns “.
Urteil: OLG München, Beschl. v. 31.05.2017, Az. 5 OLG 13 Ss 81/17
Fundstelle: http://www.lto.de/