EGMR-Urteil: Sex auch für Frauen über 50 wichtig

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem erfreulichen Urteil entschieden, dass Sex auch für Frauen über 50 wichtig sei. Geklagt hatte eine Frau, die wegen eines Arztfehlers keinen Sex mehr haben kann. Ein Gericht in Portugal hatte ihr hierfür ein gekürztes Schmerzensgeld zugesprochen. Geschlechtsverkehr sei für die Frau auf Grund ihres Alters nicht mehr relevant.

Die 1945 geborene portugiesische Klägerin hat eine lange Leidensgeschichte hinter sich. In den 90ern wurde bei ihr eine Entzündung der Bartholin-Drüse an der linken Seite ihrer Vagina diagnostiziert. Sie wurde deswegen 1995 von einem Gynäkologen in Portugal operiert. Bei der Operation wurde ein wichtiger Nerv im Unterleib verletzt. Nach der Operation litt die Frau deswegen an starken Schmerzen, einem Verlust des vaginalen Empfindens und an Inkontinenz. Außerdem hatte sie Schwierigkeiten zu sitzen und zu gehen und konnte keinen Geschlechtsverkehr mehr haben. Seitdem hat die Frau starke Schmerzen, kann nur noch schwer sitzen und laufen und keine sexuellen Beziehungen mehr führen.

Schmerzensgeld um 40.000 Euro reduziert

Im Jahr 2000 zog sie deswegen vor ein Gericht in Portugal und forderte Schmerzensgeld und Schadensersatz. In diesem Verfahren bekam die Frau insgesamt 172.000 Euro zugesprochen. Dabei berücksichtigte das Gericht einerseits den langen Leidensweg der Frau, andererseits, dass diese unter Depressionen litt, weil sie sich nicht mehr als vollwertige Frau empfand. So weit so gut. Doch in der zweiten Instanz zeigten die Richter nicht mehr so viel Verständnis für das Leiden der Frau:

“Es sollte nicht vergessen werden, dass die Klägerin zur Zeit der Operation bereits 50 Jahre alt war und zwei Kinder hatte. Das ist ein Alter, in dem Sex nicht mehr so wichtig ist wie in jüngeren Jahren, denn seine Bedeutung verringert sich mit zunehmendem Alter.”

Mit der genannten Begründung verringerten die Richter in ihrem Urteil im Jahr 2014 das Schmerzensgeld um 40.000 Euro. Sex sei für ältere Damen nicht mehr so wichtig wie für jüngere Frauen.

Dieses Urteil hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit Sitz in Straßburg jetzt mit deutlichen Worten gekippt. Die europäischen Richter können die Begründung aus Portugal nicht nachvollziehen. Die generellen Vorstellung, dass Sexualität für eine 50-Jährige mit zwei Kindern nicht so wichtig sei, stimme nicht. Mit dieser Begründung hätten die portugiesischen Richter die psychische und physische Bedeutung von Sexualität für Frauen, auch im Hinblick auf ihre Selbstverwirklichung ignoriert.

Anderer Maßstabd für Sex bei Männern

Die Richter des EGMR verwiesen dabei auch auf zwei ältere Urteile aus Portugal. In beiden Fällen waren Männer nach einer Operation impotent geworden. Damals erkannte das Gericht an,dass die Tatsache, dass die Männer keine normalen sexuellen Beziehungen mehr haben konnten, ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigte und zu einem “gewaltigen Schock” und einer “starken seelischen Erschütterung” führte. Egal in welchem Alter. Angesichts dieser Überlegungen kam der EGMR mit einem Votum von 5:2 Stimmen zu dem Schluss, dass im Fall der klagenden Portugiesi eine Verletzung von Art. 14 iVm. Art. 8 EMRK vorliege.

Das Urteil aus Straßburg ist damit eine Mahnung an alle nationalen Gerichte in Europa, bei diesen Fragen Männer und Frauen gleich zu behandeln. Doch selbst innerhalb des EGMR ist das Urteil umstritten. Zwei männliche Richter aus Luxemburg und Slowenien hatten gegen die Entscheidung votiert. Bis zur vollständigen Anerkennung der weibilichen Sexualität als wichtiger Bestandteil des Lebens einer Frau, ist es also noch ein weiter Weg.


Entscheidung: EGMR, Urt. v. 25.07.2017, Az. 17484/15
Fundstelle: https://www.lto.de/

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