Bezeichnung als „Hexe“ schwerwiegende Rufschädigung

Unsere heutige Kuriosität des Tages kommt aus Süddeutschland. Genauer gesagt aus Mannheim. Das dortige Landgericht (LG) musste sich im Jahr 1979 mit der Frage befassen, ob die Bezeichnung einer Frau als „Hexe” und „Hure” den Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt.

Die Klägerin warf der Beklagten Beleidigung, Verleumdung und vorsätzliche Körperverletzung vor, weil diese sie als „Hexe” und „Hure” bezeichnet hatte. Dabei fügte die Beklagte der Klägerin mit einem Glaskrug blutende Verletzungen am Kopf zu.

9% halten Hexerei für möglich

Ursache der Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen soll der Hexenglaube des Opfers gewesen sein. Die Angeklagte behauptete, die Geschädigte habe ihr über einen „Hodcha” (Hexenbanner) vier “Musca” Zaubersprüche besorgt, um eine gewisse Kälte ihres Ehemannes zu beseitigen. Die Betroffene bestritt dies. Ihr zufolge habe die Angeklagte sie grundlos als Hexe verschrien.

Der Richter führte in der ersten Instanz am Amtsgericht aus, dass der Hexenglaube im nahen Orient der Gegenwart außerordentlich weit verbreitet sei. Auch hierzulande stünde es kaum besser. Nach der letzten einschlägigen Umfrage (1973) glauben 2% der Einwohner der Bundesrepublik fest an Hexen und weitere 9% halten Hexerei für möglich. „In Süddeutschland gibt es sachverständigen Schätzungen zufolge kein Dorf ohne als Hexen verrufene Frauen“. Mit dieser Argumentation beschloss das Amtsgericht, das Strafverfahrenwegen wegen Geringsfügigkeit einzustellen.

Bezeichnung als Hexe Rufschädigung

Das Landgericht Mannheim sieht dies anders. Wie die Klägerin zu Recht ausführte, ist die Verdächtigung als „Hexe” auch für eine türkische Gastarbeiterin eine schwerwiegende Rufbeeinträchtigung:

[…] die sie in den Augen ihrer abergläubischen engeren Umwelt allmählich zur Verfemten und Geächteten macht, ständiger Feindschaft und Verfolgung aussetzt und schließlich nicht selten schweren Mißhandlungen oder gar Tötung zum Opfer fallen lässt, wenn nicht rechtzeitig und wirksam abschreckend gegen die Verleumdung vorgegangen wird.

Wird einem Unschuldigen ein derart schwerer Vorwurf gemacht, so sei zum Schutz des Betroffenen notfalls eine nachhaltige Ahndung durch Strafgerichtsurteile notwendig. Eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit würde deshalb der Sachlage nicht gerecht. Nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmesituationen, etwa wenn tstsächlich „schwarze Magie” ausübt werde, würde ein Bagatellfall der Beleidigung vorliegen.

Der Beschluss des Amtsgerichts, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, war deswegen aufzuheben. Das Landgericht Mannheim hat die Akten dem AG zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückgegeben.


Urteil: LG Mannheim NJW 1979, 504
Fundstelle: https://wissmit.com/

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