Tierhalterhaftung: Kamel ist kein nützliches Haustier!

Fällt eine Frau vom Kamel und verlangt Schadensersatz. Was sich wahlweise nach dem Anfang eines schlechten Witzes anhört. Oder nach einer der kuriosen Klausuren, die einige Juraprofessoren ihren Studenten gerne vorsetzen, ist tatsächlich so geschehen. Das Oberlandesgericht Stuttgart musste sich mit der Frage beschäftigen, ob der Inhaber einer Kamelfarm einer Reiterin Schadensersatz zahlen muss, weil diese von einem seiner Kamel gefallen ist.

Die 27-jährige Frau nahm mit ihrer Mutter im September 2012 im Landkreis Sigmaringen an einem einstündigen Kamelausritt teil. Die beiden Kamele wurden dabei vom Inhaber der Kamelfarm an einer Schnur geführt. Auf dem Ausritt passierte die Gruppe einige Hunde. Durch deren Gebell erschraken die Kamele und die Frau stürzte aus einer Sitzhöhe von 1,87 Meter kopfüber zu Boden. Durch den Sturz erlitt sie schwere Kopfverletzungen und war zeitweise in ihrer Erwerbstätigkeit als Ärztin erheblich eingeschränkt.

Die 27-Jährige hatte daraufhin den Inhaber der Kamelfarm vor Gericht verklagt. Bereits in erster Instanz wurde der Reiterin vom Landgericht Hechingen 50.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das OLG erhöhte die Summe im Rahmen der Berufung auf 70.000 Euro. Zusätzlich muss der Kamelführer für den Verdienstausfall der Ärztin für die Monate nach dem Unfall in Höhe von 21.000 Euro aufkommen.

Verschuldensunabhängige Haftung?

Als rechtliche Grundlage zogen beide Instanzen § 833 BGB heran. In diesem ist speziell die Haftung des Tierhalters geregelt. Dort heißt es:

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“

Dreh- und Angelpunkt der Norm ist, dass der Tierhalter verschuldensunabhängig für die Schäden haftet, die sein Tier auslöst. Normalerweise sieht das Gesetz eine Haftung nur bei Vorsatz der Fahrlässigkeit vor.

Kamel kein Haus- oder Nutztier!

§ 833 BGB schränkt diese weite Haftung in seinem zweiten Satz aber wiederum für bestimmte Konstellationen ein. Dort steht geschrieben:

Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Schaden durch ein Haustier verursacht wird, das dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters zu dienen bestimmt ist, und entweder der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.“

Das OLG Stuttgart verwehrte dem Kamelhalter jedoch diese Einschränkung. Das Privileg des Tierhalters, sich durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien, hänge davon ab, dass es sich bei dem schadensstiftenden Tier zugleich um ein Haustier und um ein Nutztier handelt, was bei einem Kamel nicht der Fall ist. Haustiere seien nach einer Definition des Reichsgerichts “diejenigen Gattungen von zahmen Tieren, die in der Hauswirtschaft zu dauernder Nutzung oder Dienstleistung gezüchtet und gehalten zu werden pflegen und dabei aufgrund von Erziehung und Gewöhnung der Beaufsichtigung und dem beherrschenden Einfluss des Halters unterstehen.”

Und weiter: “Für die Abgrenzung maßgebend ist stets die inländische Verkehrsauffassung, sodass Kamele in Deutschland nicht als Haustiere anzusehen sind, obwohl sie andernorts als solche zu qualifizieren sein mögen.” Dies gelte unabhängig davon, ob der Mann seinen Lebensunterhalt mit der Kamelfarm bestreite. Somit kann der Kamelführer sich nicht auf das Privileg des Haustierhalters, sich durch Nachweis pflichtgemäßen Verhaltens von der Haftung zu befreien, berufen. Damit bleibt es bei der verschuldensunabhängigen Haftung des Kamelhalters im vorliegenden Fall. Er muss also für die entstandenen Schäden aufkommen.

Daneben habe der Kamelführer die Tiere aber auch nicht mit der erforderlichen Sorgfalt beaufsichtigt. Er sei für die Sicherheit der Reiterin, die das Kamel nicht selbst lenkte, verantwortlich und habe nicht allein beide Kamele mit einem Strick führen dürfen. Ein Mitverschulden der Reiterin, weil sie keinen Helm trug, schloss das OLG aus. Davon habe der Inhaber des Kamelhofs abgeraten und sich dadurch selbst sorgfaltspflichtwidrig verhalten.

Die Examensrelevanz dieses Falles für Jurastudenten bewerten wir mit 5/5 Sternen:

*****


Urteil: OLG Stuttgart, Urt. v. 07.06.2018, Az. 13 U 194/17
Fundstelle: http://www.olg-stuttgart.de/
Fundstelle: https://www.lto.de/

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