Polizeianwärter durfte trotz Nazi-Sprüchen nicht gekündigt werden

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Einem Anwärter einer Polizeihochschule in Oranienburg (Brandenburg) wurde wegen rechtsextremistischer Aussagen gekündigt. Dagegen wehrte sich der Mann gerichtlich und hatte Erfolg. Die Polizeihochschule muss ihn weiter ausbilden.

Der 26-jährige Polizeischüler sollte während einer Übung mithilfe des Funkalphabets den Namen eines Kollegen zu buchstabieren. Daraufhin sagte er: „Jude, Untermensch, Nazi, Gaskammer”. Die Hochschule kündigte daraufhin dem Anwärter des gehobenen Vollzugsdienstes auf Grund dieser Aussage. Dies wollte sich der Mann nicht gefallen lassen und zog vor das Verwaltungsgericht Potsdam. Dieses gab dem Eilantrag des Polizeischülers statt.

Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht an, dass die Äußerung “keinen hinreichenden Rückschluss auf die Persönlichkeit” zulasse. Aus den Worten ließe sich nicht schließen, ob die Äußerung Ausdruck einer Gesinnung war oder eine einmalige Sache. Mangels größeren Publikums habe die Äußerung außerdem keine “weitergehende Außenwirkung” gehabt.

Charakterlich ungeeignet aufgrund einer einzigen Äußerung?

Gegen diese Entscheidung legte die Hochschule Beschwerde ein. Wer solche Sprüche mache, habe “in unseren Reihen nichts verloren”, sagt Präsident Rainer Grieger gegenüber dem RND. Der Mann sei „charakterlich ungeeignet“ für den Polizeiberuf. Die Ansicht der Polizeischule ist im Hinblick auf die Geschehnisse der letzten Monate gut zu verstehen. In mehreren Bundesländern war der Polizei vorgeworfen worden, rechte Gesinnungen bei ihren Beamten zu dulden. Unter anderem wurde bekannt, dass die deutsche Kabarettistin Idil Baydar eine Todesdrohung erhalten hat. Gezeichnet von einem selbsternannten “SS-Obersturmbannführer”. Das Drohschreiben gegen Idil Baydar enthält persönliche Informationen, abgerufen von einem Polizei-Computer im Bundesland Hessen. Mehrere Politikerinnen der Linken haben bereits seit 2018 ähnliche Drohmails erhalten. Auch diese Daten stammten von hessischen Polizeicomputern. Und diese Fälle sind nur die Spitze des Eisberges.

Update: Der Entscheidung des Ververwaltungsgericht widersprach jetzt jedoch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: “Eine einzige Äußerung eines Polizeikommissaranwärters im Unterricht kann hinreichender Grund für dessen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf sein.”

Abwarten aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzip?

Ein Landesbeamter sei nicht geeignet, wenn er nicht die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes (§ 7 I Nr. 2 BeamtStG) und in diesem Sinne für die Verfassung des Landes Brandenburg (§ 3 I LBG) einzutreten. Ein Beamter dürfe auch nicht charakterlich ungeeignet sein (§ 9 BeamtStG). Bereits ein einmaliges Fehlverhalten könne laut Gericht Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Beamten begründen, wenn es dessen charakterliche Mängel hinreichend deutlich zu Tage treten lässt. Dies sei hier der Fall. Die Entlassung verstoße auch nicht gegen das Verhätnismäßigkeitsprinzip.

Denn: “Das Verhältnismäßigkeitsprinzip verlangt indes vom Antragsgegner kein weiteres Zuwarten. Der Vorbereitungsdienst ist bereits eine Zeit der Bewährung. Den jungen Beamtinnen und Beamten wird der Ernst des Polizeiberufs vor Augen geführt. Die Ausbildung auf dem Campus der Hochschule in Sachsenhausen enthält im ersten Semester ein polizeigeschichtliches Modul, in dem die besondere Geschichte des Ortes gelehrt wird.” Der Dienstherr müsse das Risiko einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit gerade nicht tragen.


Entscheidung: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 05.11.2020, Az. OVG 4 S 41/20
Fundstelle: https://www.rnd.de/
Fundstelle: https://www.maz-online.de/

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