Jurastudenten müssen alleine im Zivilrecht 1.566 Probleme kennen!

Dass das Jurastudium alleine auf Grund seines umfangreichen Prüfungsstoffes zu einem der schwierigsten Studiengänge gehört, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben. Wie überfrachtet das Staatsexamen jedoch ist, hat jetzt eine Erhebung des Unirepetitoriums Mannheim ergeben. Professor Friedemann Kainer stellte fest, dass Jurastudenten alleine im Zivilrecht 1.566 Probleme kennen müssen!

Ein Jurastudium in Deutschland dauert durchschnittlich 11 Semester, also über fünf Jahre. Nach der Studienzeit schließen sich nochmals zwei Jahre Referendariat an die theoretische Ausbildung an. Erst dann darf man sich “Volljurist” nennen und hat die Befähigung zum Richteramt. Knapp 30% fallen jedoch bereits durch die erste juristische Staatsprüfung. Die Note “sehr gut” erreichen deutschlandsweit in jedem Jahrgang nur eine handvoll Teilnehmer. Ein Viertel der Jurastudenten bricht das Jurastudium außerdem schon vor dem Examensantritt ab.

Das Jurastudium ist seit Jahrzehnten dafür in der Kritik, dass der Prüfungsstoff viel zu umfangreich ist. Die Studenten müssen in allen drei großen Rechtsgebieten – Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht – fit sein. Jedes der Rechtsgebiete gliedert sich wiederum in weitere Untergebiete auf. So gehört zum Pflichtfachstoff im Zivilrecht nicht nur das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), sondern beispielsweise auch Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Arbeitsrecht. Hinzu kommt, dass es keine Garantie gibt, dass tatsächlich alle Rechtsgebiete im Examen abgefragt werden. Es kann sein, dass alle Zivilrechtsklausuren im BGB spielen und die Nebengebiete überhaupt nicht abgefragt werden. Oder umgekehrt.

Jurastudenten vom Prüfungsstoff erschlagen!

Die juristische Ausbildung ist damit nicht zwingend schwerer als andere Studiengänge, sondern schlicht und ergreifend in einem unmenschlichen Maße überfrachtet! Dies beweist jetzt sehr anschaulich eine Erhebung des Unirepetitoriums Mannheim. Prof. Dr. Friedemann Kainer hat dort den Lehr­stuhl für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Wirtschafts- und Arbeits­recht inne. Er leitet außerdem bereits seit fünf Jahren das Mannheimer Unirep “Rep2. Seinem Lehrstuhl-Team hat er die Aufgabe gegeben, alle examensrelevanten Probleme des Zivilrechts ausfindig zu machen. Das Ergebnis: Alleine im Zivilrecht müssen die Studenten 1.566 Probleme kennen und gutachterlich lösen können. Eine unmögliche Aufgabe!

Auf die Frage, welche Probleme nach welchen Kriterien in die Liste aufgenommen wurden, meint Prof. Kainer gegenüber der Legal Tribune Online (LTO): “Die aufgelisteten Probleme sind eigentlich Problemfelder, teils auch größere zusammenhängende Fragekomplexe. Als Beispiel nenne ich jetzt mal den Wettlauf der Sicherungsgeber: Bürgschaft, Gesamtschuld, Hypothek, Akzessorietät und so weiter – das ist ja alles ein großes Zusammenspiel, das wir auf unserer Liste als ein einzelnes Problemfeld definiert haben.”

Auf Anfrage von JURios meint Prof. Kainer, dass der Begriff des “Problems” von ihm eventuell nicht genau genug gewählt worden sei. Es gehe vielmehr um Wissensfelder mit Bezug zum Grundwissen des Zivilrechts. Es geht eher um Wissensfelder. Uns geht es ja nicht darum, Probleme einzupauken, die dann abgespult werden. Das funktioniert jedenfalls im Zivilrecht nicht. Jedes „Problem” hat Bezüge zu Grundlagen, die in ihrem systematischen Zusammenhang gesehen werden müssen. So wird Wissen nach und nach vernetzt mit dem Ergebnis, dass auch unbekannte „Probleme” gelöst werden können.

Jurastudium dringend reformbedürftig!

Einer Reform des Jurastudiums ist der Mannheimer Professor nicht abgeneigt. Ihm ist es dabei aber wichtig, die Qualität des Staatsexamens beizubehalten, gleichzeitig aber die Notenskala voller auszunutzen und die Stoffmenge sinnvoll zu reduzieren:

“Die Staatsprüfungen müssen anspruchsvoll sein, weil wir die Qualität der zukünftigen Berufsträger sichern müssen, aber die Stofffülle ist natürlich schon bedrückend. Im Vergleich zu früher geht die Tendenz meines Erachtens immer mehr weg vom Kern des Zivilrechts hin zu Spezialgebieten, wie etwa Bezügen zu speziellen arbeitsrechtlichen Fragen, die sehr viel Detailwissen erfordern – wo wir wieder bei unserer Liste wären. Man könnte den Stoff durchaus eindampfen, ohne das Niveau zu senken. Ich würde es im Übrigen begrüßen, wenn Prüfer die Notenskala mehr ausnutzen.

Klar ist aber auch, dass es im Jurastudium nicht darum geht, möglichst viele Probleme auswendig zu lernen. Das rechtswissenschaftliche Studium soll einem vielmehr das nötige Handwerkszeug vermitteln, um auch unbekannte Sachverhalte selbstständig lösen zu können. Dafür müssen vor allem die Grundlagen sitzen. Es kann außerdem nicht schaden, die eigene Argumentationsfähigkeit zu trainieren.

JURios hat Prof. Kainer außerdem gefragt, was er Juristen kurz vor dem Examen raten würde, um sich optimal auf das Staatsexamen vorzubereiten. “Ich würden den Studierenden raten, möglichst viele Fälle zu bearbeiten, am besten in Lerngruppen, in denen man sich gegenseitig motiviert und unterstützt. Denn letztlich kommt es im Examen darauf an, Fälle zu bearbeiten. Man kann Fälle aus Ausbildungszeitschriften oder Fallbüchern nehmen und die eigene Lösung mit der Musterlösung abgleichen. Wenn man fachliche Lücken findet, vor allem in den Grundlagen, sollte man da nacharbeiten.”

Die Erhebung der Uni Mannheim bestätigt also nur, was Jurastudenten bereits seit Jahrzehnten wissen: Der Umfang der juristischen Staatsexamina ist exorbitant! Das Studium muss endlich den Anforderungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden! Dazu gehört nicht nur die Reduzierung der Stoffmenge, sondern insgesamt eine praktischere Ausgestaltung sowie der Einsatz der digitalen Medien! Wir fordern deswegen eine Reform der juristischen Ausbildung in Deutschland!


Interview mit Prof. Kainer: https://www.lto-karriere.de/
Zum Lehrstuhl: https://www.jura.uni-mannheim.de/kainer/

-Werbung-

Ähnliche Artikel

Social Media

6,795FollowerFolgen
2,166FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-

Letzte Artikel