Notenabfall im Rechtsreferendariat während Corona

Ein Berliner Richter gibt gegenüber der FAZ an, die Leistung seiner Rechtsreferendare sei während Corona in der virtuellen Lehre deutlich gesunken. Ist das Rechtsreferendariat in Gefahr?

Für junge Juristen ist die Ausbildung mit dem Ersten Staatsexamen nicht beendet. An dieses schließt sich eine zweijährige Referendariatszeit in der Praxis an, die mit dem zweiten juristischen Staatexamen endet. Während des Rechtsreferendariats lernen die Referendare in Arbeitsgemeinschaften von Praktikern wie man Urteile schreibt, Anklage erhebt und Anwaltsschriftsätze fertigt. So auch in Berlin, wo der Sozialrichter André Lietzmann feststellen musste, dass die Leistungen seiner Referendare während Corona nachgelassen haben. Er sieht den virtuellen Unterricht im Rechtsreferendariat als mitverantwortlich dafür.

André Lietzmann leitet nebenberuflich Arbeitsgemeinschaften und prüft seit achtzehn Jahren in beide Examina. Er meint gegenüber der FAZ: “Das Niveau sinkt, die Noten werden schlechter”. Als Grund vermutet er die digitale Lehre, hervorgerufen durch die Corona-Beschränkungen. „Im Präsenzunterricht schaue ich in fünfzehn Gesichter, und wenn mich dann zweifelnde Augenpaare ansehen, erkläre ich das Gesagte noch einmal anders. Diese non-verbale Kommunikation fehlt bei einer Teilnahme über ein Online-Tool. Auf meinem Bildschirm sehe ich nie alle fünfzehn Referendare, sondern nur einen Teil davon, weil ich ja auch meine eigenen Folien auf dem Bildschirm anschauen muss. Ich kann also nicht erkennen, was verstanden wurde, und was nicht“.

Der erfahrene AG-Leiter meint, dass sich die durchschnittlichen Noten in den Klausuren nach rein digitaler Lehre signifikant verschlechtert haben. Seine Referendare würden bei den grundsätzlichsten Fragen Fehler machen. Deswegen befürchtet Lietzmann auch nach dem Rechtsreferendariat deutlich schlechtere Noten auch in der abschließenden Staatsprüfung.

Psychische Belastung wird von den Justizprüfungsämtern ignoriert

Auch Rechtsreferendare aus Baden-Württemberg berichten, dass ihnen das zweite juristische Examen in diesem Jahr besonders zugesetzt habe. Die schriftlichen Prüfungen fanden mit bis zu 40 Personen im Juni in einem Raum statt. Für zusätzliche Räume hatte das Justizprüfungsamt nicht gesorgt. Zwar trugen die Referendare während des Einlasses Alltagsmasken und es wurde gelüftet. Weitere Maßnahmen ergriff man jedoch nicht. Insbesondere durften Kandidaten, die zur Corona-Risiko-Gruppe gehören, nicht in einem gesonderen Raum schreiben. Dies führte bei vielen zu erheblichen psychischen Belastungen. Auch die Anreise im ÖPNV sowie der Kontakt zu gefährdeten Familienmitgliedern, machte es den Referendren nicht einfacher, sich auf die schwierigste Prüfung ihres Lebens zu konzentrieren. Die mündlichen Prüfungen finden jetzt im Oktober statt. In Gruppen von bis zu 8 Personen. Und das, obwohl sowohl Stuttgart als auch der Landkreis Esslingen, bereits die kritische 7-Tage-Inzidenz von 50 überschritten haben.

“Das Examen hat mich an den Rand des Zusammenbruchs gebracht”, berichtete eine Rechtsreferendarin aus Stuttgart. “Die Belastung ist sowieso schon hoch und mit Corona macht man sich noch viel mehr Sorgen. Später interessiert es bei der Einstellung aber niemanden, dass wir unsere Prüfung unter solchen Bedingungen ablegen mussten!”. Aber auch die Rechtsrefendare, die erst jetzt mit der Ausbildung beginnen, werden unter der atuellen Lage stark zu kämpfen haben. Wir sind enttäuscht davon, wie die Justizprüfungsämter damit umgehen.

Eine Rechtsreferendarin aus Mönchengladbach, die an Präsenz-AGs während Corona nicht teilnehmen wollte, unterlag hingegen vor dem VG Düsseldorf.


Fundstelle: https://www.faz.net/

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