Handywecker in der Klausur ist kein Täuschungsversuch!

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Klingeling: Das Verwaltungericht Koblenz hat entschieden, dass es keinen Täuschungsversuch darstellt, wenn in einer Uni-Klausur der Handywecker klingelt. Glück gehabt!

Was war passiert? Der klagende Bachelor-Student war zu einer Prüfung angetreten und hatte sein Handy – wie vom Prüfer vorgegeben – in den Flugmodus geschaltet und in seiner Tasche verstaut. Dummerweise klingelte der Handywecker jedoch trotzdem während der Klausur. Um Punkt 10 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt lag das Handy etwa 40m vom Arbeitsplatz des Studenten entfernt.

Die Klausuraufsicht wertete den Vorfall als Täuschungsversuch und verwies den späteren Kläger des Prüfungsraums. Seine Klausur wurde mit “nicht ausreichend” bewertet. Begründet wurde dies neben dem Täuschungscharakter auch mit der Störung der anderen Prüflinge. “Das Ertönen der Weckerfunktion eines Handys an sich stelle bereits eine erhebliche Störung der Arbeitsfähigkeit aller Prüfungsteilnehmer dar. Hinzu komme die Störung durch die unvermeidbaren Rufe der Klausuraufsicht zur Identifikation des Störers, gerichtet an alle Klausurteilnehmer. Da die Störung durch die Weckerfunktion des Handys schnell beseitigt werden müsse, sei dieses Vorgehen durch die Klausuraufsicht unvermeidbar. Ansonsten würde die unmittelbare Störung durch die Weckerfunktion des Handys noch geraume Zeit andauern. Diese erhebliche Störung des ordnungsgemäßen Prüfungsablaufes durch den Kläger sei ebenfalls vorsätzlich erfolgt, da dieser sein Handy auf “Flugmodus” eingestellt habe, anstatt es auszuschalten. Damit habe er die Störung billigend in Kauf genommen.”

Klage zulässig und begründet

Dagegen legte der Student Widerspruch ein und zog danach vor das Veraltungsgericht Koblenz. Zur Begründung führte der Student an, er habe am Vortag der Prüfung einen wichtigen Termin gehabt und vergessen den Erinnerungs-Wecker auszuschalten. Außerdem sei er davon ausgegangen, durch das Einschalten des “Flugmodus” auch die Weckfunktion deaktiviert zu haben. Er führte an, dass das bloße Mitführen von unerlaubten Gegenständen keine Täuschungshandlung und auch keine Benutzung eines nicht zugelassenen Hilfsmittels darstelle. Die Richter folgten dieser Argumentation. Sie urteilten: Seine Klage sei zulässig und begründet, weil der Bescheid rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze.

Nach § 16 III der einschlägigen Prüfungsordnung gilt die betreffende Prüfungsleistung als mit “nicht ausreichend” bewertet, wenn der Student versucht, das Ergebnis der Prüfungsleistung durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen. Zu elektronischen Geräten führte die Prüfungsordnung aus: “Elektronische Sende- und Empfangsgeräte dürfen nur in ausgeschaltetem Zustand in den Prüfungsraum gebracht werden. Eine Mitnahme solcher Geräte an den Arbeitsplatz ist untersagt und gilt als Täuschungsversuch mit der Rechtsfolge, dass die betreffende Prüfungsleistung mit der Note,nicht bestanden’ bewertet wird.”

Prüfungsordnung sieht keine Sanktion vor

Das VG Koblenz stellte zunächst fest, dass die einschlägige Prüfungsordnung keine hinreichende Grundlage für die Bewertung als Täuschungsversuch böte. Es sei zwar verboten, elektronische Sende- und Empfangsgeräte eingeschaltet mit in den Prüfungsraum zu bringen. Eine Sanktion für einen derartigen Verstoß sei jedoch nicht geregelt. Wegen der Grundsätze der Rechtsklarheit und Bestimmtheit ist es jedoch erforderlich, dass die einschlägigen Bestimmungen zum Prüfungsverfahren sowohl das zu sanktionierende Verhalten als auch die daran angeknüpfte Sanktion eindeutig festlegen.

Die Benotung der Klausur des Klägers mit “nicht ausreichend” könne außerdem auch nicht auf eine Störung des Prüfungsablaufs gestützt werden. Denn: “Unter Beachtung des Grundrechts des Art. 12 I GG spricht einiges dafür, dass der Begriff der Störung ein vorsätzliches Handeln, sprich ein Wissen und Wollen in Bezug auf das ordnungswidrige Verhalten, impliziert. Bei dem vorliegenden Sachverhalt ist dagegen nur von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen, nämlich einem Außerachtlassen der gebotenen Sorgfalt in Bezug auf die Einhaltung der Ordnungsvorschriften.” Das Verhalten der Prüfungsaufsicht sei außerdem unverhältnismäßig gewesen. Durch das Ausschalten der Weckerfunktion, auch wenn dies einige Minuten gedauert haben mag, wurde die Störung dauerhaft beseitigt. Der Zeitverlust der übrigen Prüflinge hätte bei Bedarf durch eine kurze Schreibzeitverlängerung aufgefangen werden können.


Entscheidung: VG Koblenz, Urt. v. 15.10.20, Az. 4 K 116/20.KO

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