Adbusting: Eine Jurastudentin zieht vor das BVerfG

Eine Jurastudentin wurde von der Polizei aufgegriffen, weil sie ein Werbeplakat der Bundeswehr austauschen wollte, sogenanntes Adbusting. Später wurde ihre Wohnung durchsucht. Gegen dieses Vorgehen der Polizei zieht die Jurastudentin nun vor das Bundesverfassungsgericht.

Was eine Verfassungsbeschwerde ist und welche Voraussetzungen sie hat, lernen Jurastudenten bereits in den ersten Semestern. Für eine angehende Juristin aus Berlin könnte dieses Wissen jetzt außerhalb der Klausur relevant werden. Die Jurastudentin im vierten Semester legt Verfassungsbeschwerde gegen eine polizeiliche Durchsuchung ihrer Wohnung ein. Zu Recht?

Bereits im Mai 2019 wurde die junge Frau von Polizeibeamten dabei ertappt, wie sie in Berlin ein Werbeplakat der Bundeswehr austauschen wollte. Das Plakat der Bundeswehr wirbt im Original mit dem Slogan “Geht Dienst an der Waffe auch ohne Waffe?”. Auf dem veränderten Plakat, das die Frau aufhängte, steht “Kein Dienst an der Waffe geht ohne Waffe”. Diese Form des politischen Engagements wird “Adbusting” genannt. Dabei verändern Aktivisten gezielt Werbeplakate, um eine politische Botschaft in direktem Bezug auf das beworbene Unternehmen zu hinterlassen.

Adbusting als “gewaltfreie Guerillakommunikation”

Vier Monate nach der Plakat-Aktion durchsuchten Polizeibeamte morgens um 07.00 Uhr die Wohnung der Studentin. Dagegen hat die junge Frau nun Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. §§ 13 Nr. 8a, 23, 90 ff. BVerfGG eingelegt.

Zuvor hatten sowohl das zuständige Amtsgericht als auch das Landgericht die Beschwerde der Studentin gegen die Durchsuchung verworfen. Die junge Frau ist jedoch der Meinung, dass ihre Grundrechte grundlegend verkannt worden seien. Die Durchsuchung sei unverhältnismäßig. Dem schließen sich laut LTO auch der Strafrechtslehrer Prof. Dr. Mohamed El-Ghazi von der Universität Trier und der Bremer Staatsrechtslehrer Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano an. Die Studentin sei durch die Maßnahme in Art. 13 GG verletzt worden. Dieser lautet: “Die Wohnung ist unverletzlich. Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzuge auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.”

Die Voraussetzungen einer Durchsuchung beim Beschuldigten sind einfachgesetzlich in § 102 StPO normiert. Demnach muss ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegen. Und ob das sogenannte Adbusting überhaupt einen Straftatbestand erfüllt, ist höchst umstritten.

Der Berliner Polizeipräsident begründete die Durchsuchung damit, dass ein politisches Tatmotiv vorläge. Er ordnete den Vorfall einer “militanten linken Szene” zu. Auch im Verfassungsschutzbericht 2018 findet sich das Adbusting im Kapitel “gewaltorientierter Linksextremismus”. Gegen die Jurastudentin ermittelte die Berliner Polizei deswegen wegen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung.

Verfahren eingestellt, Hausdurchsuchung unverhältnismäßig?

§ 243 StGB ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn es sich bei der gestohlenen Sache um eine “Geringwertige” handelt. Der Anwalt der Studentin meint dazu gegenüber LTO: “Bei einer Druckauflage von 5.000 Plakaten liegt der Preis pro Plakat schon unter 1 Euro – der drohende Rechtsgutschaden hätte daher in jedem Fall im unteren einstelligen Eurobereich gelegen.” Auch die Wegnahme und die subjektive Zueignungsabsicht des Diebstahls sind schon mehr als fragwürdig. “Beim Adbusting geht es um Gesellschaftskritik, nicht um eine Wegnahme der Plakate”, so der Anwalt.

Die Aktivisten, die Adbusting betreiben, berufen sich jedoch darauf, dass es sich dabei gerade um eine “gewaltfreie Guerillakommunikation” handele, bei der niemand zu Schaden käme. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde möchte die Jurastudentin deswegen laut LTO “die Ermittlungspraxis delegitimieren”. Aus ihrer Sicht könnte “eine gute Entscheidung aus Karlsruhe dafür sorgen, dass andere Menschen, die Plakate verändern, keine Angst haben müssen, dass ihre Wohnung durchsucht wird”. Das Ermittlungsverfahren gegen die Studentin wurde zwischenzeitlich nach § 153 I StPO, wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte Zweifel an der Strafbarkeit ihres Verhaltens.

Update: Durchsuchung rechtswidrig

Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Hausdurchsuchung rechtswidrig war. Der Verfassungsbeschwerde der Jurastudentin wurde damit entsprochen.

Die vorausgegangenen Gerichtsentscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG. Die Anordnung der Durchsuchung war unangemessen, da die Schwere des Eingriffs außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck steht. So das BVerfG. Gegen die Angemessenheit spreche insbesondere die fehlende Schwere der Taten, die geringe Wahrscheinlichkeit des Auffindens der erhofften Beweismittel und deren untergeordnete Bedeutung für das Strafverfahren.

Entscheidung: BVerfG, Beschl. v. 05. Dezember 2023, Az. 2 BvR 1749/20


Fundstelle: https://www.lto.de/

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