Metzger muss 10.000€ zahlen, weil Stier-Skulptur auf Jungen fällt

Die Prüfungämter landauf und landab reiben sich die Hände: Eine Schmerzensgeldklage, in der ein Metzger, eine Stier-Skulptur und ein Minderjähriger vorkommen. So werden Examensklausuren geschrieben!

Der Sachverhalt lässt sich schnell zusammenfassen: Im Jahr 2016 kippte in Krailling (Oberbayern) vor einer Metzgerei die 200 Kilogramm schwere Bronzeskulptur eines Stiers um. Dabei traf sie einen Jungen so ungeschickt, dass sich dieser die Hand quetschte. Der junge hatte den Stier an den Hörnern gezogen, um auf ihm herumzuturnen. Dem damals Sechsjährigen musste ein Teil eines Fingers amputiert werden. Der Fall landete vor dem Landgericht München II, weil der Metzger für den Schaden nicht aufkommen wollte. Dort klagte der Vater des Jungen auf Schmerzensgeld in Höhe von 9.000€. Zur Begründung hatte der Vater angeführt: Sein Sohn habe durch die Amputation eine dauerhafte Behinderung erlitten. Bestimmte Tätigkeiten, die Fingerfertigkeit erforderten, wie etwa Gitarre spielen, seien nur mit besonderen Schwierigkeiten und eingeschränkt möglich. Bei seiner Einschulung sei für den Jungen das Erlernen des Schreibens mit einem Stift besonders schwierig gewesen.

Die Richter in München hatten die Klage jedoch abgewiesen. Der Junge habe sich nicht nur gegen die Skulptur gelehnt, sondern auf ihr gespielt. Dafür müsste der Metzgereibetreiber nicht haften. Denn: “Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei der streitgegenständlichen Skulptur offenkundig nicht um ein für Kinderspiel aufgestelltes Gerät gehandelt habe, und da der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass die für das minderjährige Kind aufsichtspflichtige Person für eine sorgfältige Benutzung der Skulptur sorgen würde, sei eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten zu verneinen.”

Ladeninhaber muss mit spielenden Kindern rechnen!

Gegen die Enstcheidung legte der Kläger Berufung ein und bekam nun vor dem Oberlandesgericht Recht. Der Metzger müsse ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro gem. §§ 823 I; 253 II BGBzahlen, weil die Stier-Skulptur nicht standsicher aufgestellt gewesen sei. Die Richter befanden, es sei irrelevant, ob der Junge sich an die Stature gelehnt oder mit dieser gespielt habe.

“Für den Senat ist es nicht entscheidend, ob der Stier alleine dadurch zum Kippen gebracht werden kann, dass ein Kind an den Hörnern zieht oder ob ein Kind mit vollem Körpergewicht sich in irgendeiner Form auf den Kopf des Stieres setzen muss. Aus beiden zwischen den Parteien strittigen Unfallvarianten folgt, dass der Stier nicht standsicher aufgestellt war und ihn ein sechsjähriges Kind zum Kippen bringen konnte. Da der Beklagte im öffentlichen Raum vor seinem Ladengeschäft die Skulptur aufgestellt hat, musste er auch, wie er selbst teilweise einräumt, damit rechnen, dass Kinder mit und auf der Tierfigur spielen, versuchen, sich an den Hörner hochzuziehen, den Stier besteigen und auch auf der Skulptur „herumturnen“, d.h. ihr gesamtes Körpergewicht so auf die Bronzefigur verlagern, dass diese nach vorne kippt. Er hätte dafür sorgen müssen, dass die Skulptur unter keinen Umständen, ganz egal, wie Kinder mit diesen Stier spielen, nach vorne kippen kann, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine 200 kg schwere Skulptur durch Umkippen insbesondere bei Kindern erhebliche Verletzungen verursachen kann.”

Das Urteil ist damit ein Musterbeispiel dafür, wie weit Verkehrssicherungspflichten im öffentlichen Raum gehen können. Wir sind uns sicher, dass der Fall in den nächsten Monaten in einer der Klausuren des ersten oder zweiten juristischen Staatsexamens aufgegriffen werden wird.


Erste Instanz: LG München II, Endurt. v. 27.03.2020, Az. 10 O 1229/19
Zweite Instanz: OLG München, Endurt. v. 12.11.2020, Az. 1 U 2528/20

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