Jugendliche aus Portugal verklagen mehrere Staaten in Europa vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, weil sich diese nicht ausreichend um die Klimakrise kümmern.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat eine Klage gegen 33 europäische Staaten zugelassen. Diese wurde von sechs Kindern und Jugendlichen aus Portugal erhoben. Die jungen Menschen werfen den Regierungen der verklagten Staaten vor, keine ausreichenden Maßnahmen zu ergreifen, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Neben den 27 EU-Mitgliedsstaaten handelt es sich um Norwegen, Großbritannien, Russland, die Türkei, die Schweiz und die Ukraine. Das gerichtliche Vorgehen wird vom Global Legal Action Network (GLAN) unterstützt. Laut GLAN wären die verklagten Länder im Erfolgsfall gesetzlich verpflichtet, ihr klimaschädliches Verhalten zurückzuschrauben. Für GLAN an der Klage beteiligt sind unter anderem die Anwältin Rita Mota und ihr Kollege Gerry Liston.
Wegweisendes Urteil zum Klimawandel?
Als Motivation für die Klage nannten die Kläger:innen die verheerenden Waldbrände im Jahr 2017 in Portugal, bei denen 65 Menschen starben und etwa 200 Menschen verletzt wurden. Die Kinder und Jugendlichen zwischen acht und 21 Jahren kritisieren, dass die aktuellen Regierungen die Klimakrise eher verschlimmern und damit die Zukunft ihrer Generation gefährden würden. “Es gibt mir viel Hoffnung zu wissen, dass die Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Dringlichkeit unseres Falles erkennen”, so einer der Jugendlichen.
Ein Vertreter der Nichtregierungsorganisation erklärt, dass die Klage vom EGMR zugelassen wurde, sei ein “wichtiger Schritt in Richtung eines möglichen wegweisenden Urteils zum Klimawandel.” Es gehe nicht darum, wegen der Klimakrise mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern, dass die verklagten Staaten schneller handeln. “Es ist nicht so, dass junge Menschen die einzigen sind, die den Auswirkungen des Klimawandels ausgesetzt sind. Weil sie aber die schlimmsten Auswirkungen spüren werden, sagen wir: Die Folgen einer unzureichenden Bekämpfung der Treibhausgas-Emissionen kommen einer unrechtmäßigen Diskriminierung aufgrund des Alters gleich”, so begründet der Rechtsanwalt Gerry Liston die Klage.
Gleichzeitig sei man sich aber im Klaren darüber gewesen, dass sie Klage schnell hätte scheitern können. Denn eigentlich müssen Kläger erst den nationalen Gerichtsweg durchlaufen, bevor sie nach Straßburg dürfen. Doch der EGMR räumte der Klimaklage eine erhöhte Dringlichkeit ein. Inzwischen beschäftigen sich 14 GLAN-Anwälte mit der Klage, die durch eine Crowdfunding-Kampagne finanziert wurde.
Pariser Klimaziel unerreichbar?
Die Aktion richtet sich gegen Staaten, deren Anstrengungen nicht ausreichen, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Das Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 sieht vor, dass sich das Weltklima bis 2100 um höchstens 1,5 bis 2 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter erwärmt. Wissenschaftler warnen jedoch bereits jetzt davor, dass die ergriffenen Maßnahmen hierfür nicht ausreichen werden. Die Kinder und Jugendlichen aus Lissabon und Leiria berufen sich auf ihre Menschenrechte. Das Recht auf Leben, ein unversehrtes Zuhause, den Schutz von Familie und das Recht auf ein Leben ohne Diskriminierung. “Unsere Generation lebt in einer Zeit großer Gefahr und Ungewissheit. Deshalb muss unsere Stimme gehört werden”, meint Andre Oliveira. Die Klimakämpfer berichten, dass sie seit ihrer Klage ermutigende Postkarten aus der ganzen Welt erhalten.
In Art. 2 I EMRK heißt es: “Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt.” In Art. 8 EMRK ist geregelt: “Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.” Die Richter in Straßburg geben den betroffenen Regierungen bis Februar Zeit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Der EGMR teilte außerdem mit, wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen werde man der Beschwerde Priorität einräumen.
Auch wenn der Fall vor dem EGMR eine Besonderheit ist, nehmen weltweit gesehen sogenannte Klimaschutzklagen zu. Die meisten gibt es laut “Grantham Research Institute on Climate Change and Environment” in den USA. Die meisten Klagen richten sich dabei direkt gegen die Regierungen von Staaten. So hatte beispielsweise der Oberste Gerichtshof in den Niederlanden bereits 2019 geurteilt, dass der Staat seine Emissionen drastisch senken muss. Wir drücken den Kindern und Jugendlichen aus Portugal die Daumen. Dass der EGMR die Klage zugelassen hat, ist bereits ein wichtiger Schritt auf dem langen und steinigen Weg zur Klimagerechtigkeit.
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