Rechtsreferendarin klagt sich trotz Corona nach Namibia!

Eine Rechtsreferendarin aus Schleswig-Holstein hat sich erfolgreich in ihre Auslandsstation in Namibia eingeklagt. Der Auslandsaufenthalt war vom Ausbildungsgericht zuvor wegen der Corona-Pandemie abgelehnt worden.

Lojain Al Holu studierte von 2013-2018 Jura an der Universität Hamburg und legte dort erfolgreich ihr erstes juristisches Staatsexamen ab. 2019 begann sie ihr Rechtsreferendariat am schleswig-holsteinischen Oberlandesgericht. In dieser Zeit war sie unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Taylor Wessing und verbrachte vier Monate beim Auswärtigen Amt in Berlin. Die Studentin, die neben englisch auch arabisch spricht, plante außerdem eine Auslandsstation in Namibia. Dort will sie für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Windhoeck arbeiten.

Die Zuweisung in die Wahlstation findet nach den Regelungen in § 30 III, § 32 III JAVO statt. Nach § 32 III JAVO kann die Ausbildung in der Wahlstation mit dem Schwerpunktbereich Staat und Verwaltung neben den unter § 32 III 1 Nr. 4 JAVO benannten Stellen auch bei einer einschlägigen überstaatlichen, zwischenstaatlichen oder ausländischen Stelle oder einer sonstigen Stelle, bei der eine sachgerechte Ausbildung gewährleistet ist, durchgeführt werden.

Nicht notwendige touristische Reise?

Als Lojain Al Holu sich im September 2020 um eine Zuweisung zu ihrer Wunsch-Auslandsstation in Namibia bemühte, lehnte das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig das jedoch ab. Der Grund: Für Namibia gelte wegen der Corona-Pandemie eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes (AA) für “nicht notwendige touristische Reisen”. Die Studentin könne ihre Auslandsstation deswegen nicht dort verbringen. Dagegen zog die Studentin vor das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein.

Sie bergündet ihr Anliegen gegenüber der LTO folgendermaßen: “Für mich ist das die wichtigste Station meines ganzen Referendariats. Ich strebe eine Karriere in der internationalen Zusammenarbeit an, das war meine wichtigste Chance, weil das Jurastudium dafür auch nicht viele Erfahrungsmöglichkeiten anbietet.” Die Lage in Namibia sei stabil und das Land verfüge über eine mit deutschen Standards vergleichbare medizinische Versorgung. Darüber hinaus bestehe bei ihr mangels Vorerkrankungen keine erhöhte gesundheitliche Gefahr. Sie könne in Namibia sogar im Home Office arbeiten, falls es zu einem Lockdown käme. Auch nach der Rückkehr sei genügend Zeit, um in Quarantäne zu gehen. Sie könne dafür Erholungsurlaub nehmen.

Das Ausbildungsgericht argumentierte: Die Ablehnung der Zuweisung sei “unter Berücksichtigung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht, des individuellen Gesundheitsschutzes der Referendare und mit Blick auf das Erfordernis einer Eindämmung des Infektionsgeschehens und eines reibungslosen Ausbildungsbetriebes” gerechtfertigt. Die Anknüpfung an die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes stelle ein angemessenes, sachgerechtes Mittel dar. Insbesondere könne aufgrund des dynamischen Infektionsgeschehens nicht garantiert werden, dass die ab Mitte April anzuberaumende mündliche Prüfung absolviert werden könne, da pandemiebedingte Beeinträchtigungen des Reiseverkehrs zu befürchten seien.

Lübeck nicht gefährlicher als Windhoek 

Die Richter:innen am Verwaltungsgericht schlugen sich jedoch auf die Seite der Rechtsreferendarin. Soweit sich der Antragssteller auf seine Fürsorgepflicht beruft, so vermag dies die Versagung der Zuweisung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Es sei bereits zweifelhaft, “ob die Untersagung eines Auslandsaufenthalts bei der gegenwärtigen pandemischen Lage überhaupt ein geeignetes Mittel darstelle, um die individuelle Gesundheit des Referendars zu schützen, da die Gefahr einer Ansteckung innerhalb Deutschlands ebenfalls besteht”. Gegebenenfalls müsste die Antragstellerin im Falle einer Einschränkung des Reiseverkehrs oder einer Quarantäneanordnung zwar mit einem Verlust ihrer Dienstbezüge rechnen. Dies sei jedoch ihr persönliches Risiko.

Auch im Hinblick auf das Ziel der Gewährleistung eines reibungslosen Ausbildungsbetriebes sei die Zuweisung zu Unrecht abgelehnt worden. Die Antragstellerin könne im Falle einer 14-tägigen Quarantäneanordnung Erholungsurlaub nehmen. Hierfür bestünde selbst für den Fall, dass ihr einer der frühesten Termine für die mündliche Prüfung ab Mitte April zugewiesen werde, ausreichend Zeit. Dieser Argumentation schloss sich nach einer Beschwerde der Antragsgegnerin auch das Oberverwaltungsgericht an. In aller Kürze: Die Argumentation des Ausbildungsgerichts “überzeuge nicht” und sei “in sich nicht schlüssig”.

Die Rechtsreferendarin hat ihren Auslandsaufenthalt in Namibia inzwischen angretreten.


Erste Instanz: Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 09.11.2020, Az. 12 B 80/20
Zweite Instanz:  OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 22.12.2020, Az. 2 MB 43/20
Fundstelle: https://www.lto-karriere.de/  

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