Ist Schinken, der nicht im Schwarzwald geschnitten wurde, “Schwarzwälder Schinken”?

Ab und an beantwortet der Bundesgerichtshof auch kulinarische Fragen, welche die Welt bewegen. So beispielsweise im September 2020 im sogenannten “Schwarzwälder-Schinken-Urteil”. Dabei ging es um die Frage, ob man Schinken, der nicht im Schwarzwald geschnitten und verpackt wurde, trotzdem als “Schwarzwälder Schinken” bezeichnen darf. Der BGH sagt “ja!”.

Die Bezeichnung “Schwarzwälder Schinken” ist seit 1997 geschützt. Im Jahr 2005 hatte der Schutzverband der Schwarzwälder Schinkenhersteller jedoch beantragt, die bisherigen Regelungen zu verschärfen. Der Verband wollte, dass auch das gewerbliche Aufschneiden und Verpacken des Schinkens nur im Schwarzwald erfolgen darf. Denn der Schinken wird immer seltener am Stück vertrieben. Viele Kunden kaufen ihn inzwischen in Scheiben. Diese Argumentation fanden Hersteller, die ihren Schinken zwar im Schwarzwald produzieren, ihn aber anderswo – beispielsweise in den Niederlanden – schneiden und verpacken lassen, überhaupt nicht lustig. Es entbrannte ein Streit vor dem Bundespatentgericht. Letztendlich musste sogar der Europäisch Gerichtshof einschreiten.

Qualität des Erzeugnisses muss gewahrt werden!

Die Richter:innen in Luxemburg urteilten, dass die vom Verband geforderte Restriktion nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtmäßig sei. Erforderlich sei, dass die Ausdehnung auf das Aufschneiden und Verpacken “ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellt, um die Qualität des Erzeugnisses zu wahren oder dessen Ursprung oder die Kontrolle der Spezifikation für die geschützte geografische Angabe zu gewährleisten”. Den konkreten Fall entschied der Europäische Gerichtshof jedoch nicht, sondern überließ seinen deutschen Kolleg:innen die Entscheidung. Und so landete der Rechtsstreit vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Der BGH bestätigte den Beschluss des Bundespatentgerichts, das 2019 entschieden hatte, dass der Schwarzwälder Schinken nicht im Schwarzwald geschnitten werden muss. Das Bundespatentgericht hatte seine Entscheidung unter anderem folgendermaßen begründet. “Das vorgesehene Schneiden und Verpacken des Schinkens im Herkunftsgebiet ist zur Sicherung der Qualität des von der geschützten geografischen Angabe “Schwarzwälder Schinken” erfassten Schinkens nicht erforderlich. Der Umstand, dass ein unsachgemäßer Transport aus der Herkunftsregion in andere Gebiete sich schädlich auf den authentischen Geschmack sowie auf die authentische Haltbarkeit des Schinkens auswirken könne, rechtfertigt die beantragte Änderung der Spezifikation nicht.”

Schinken kann überall 1,3 mm dick geschnitten werden

Dem schloss sich auch der BGH an. Es sei nicht einzusehen, warum anderswo nicht genauso kontrolliert werden könne, dass die Scheiben maximal 1,3 Millimeter dick sind und die Schneideanlage korrekt gereinigt wird. “Dies gelte ebenfalls für die vorgesehene Aromapackung bei Packungen mit einer Haltbarkeit von mehr als 30 Tagen, bei der es sich um eine technisch ohnehin notwendige Maßnahme handele. Es sei schließlich nicht ersichtlich, dass die im Änderungsantrag wegen des für “Schwarzwälder Schinken” spezifischen Risikos der Verunreinigung mit untypischen Stoffen vorgesehene Zwischenreinigung der Schneideanlage, wenn dort auch naturschimmelbehaftete Produkte geschnitten werden, nur im Herstellungsgebiet umgesetzt und kontrolliert werden könnte. Die vorgesehene bakteriologische Betriebsüberwachung betreffe keine produktspezifischen Risiken.”


Entscheidung: BGH, Beschl. v. 3.9.2020, Az. I ZB 72/19
Fundstelle: https://www.lto.de/

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