LJPA Stuttgart: Erneute Pannen bei Nachklausur für Pannen-Klausur

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Wegen einer Prüfungspanne während des Ersten Examens in Konstanz mussten 871 Jurastudierende in ganz Baden-Württemberg die Strafrechtsklausur nachholen. Bei ebenjener Nachklausur im 19. April ist es nun erneut zu peinlichen Pannen gekommen. Man fragt sich: Was mutet das Landesjustizprüfungsamt Stuttgart den Examenskandidat:innen in Baden-Württemberg noch alles zu?

Bereits im März berichteten wir darüber, dass es bei der Examenskampagne des Ersten Staatsexamens in Baden-Württemberg zu einer großen Panne gekommen war. In einem Prüfungsraum in Konstanz waren die Klausursachverhalte verwechselt worden. Nach dem Bemerken des Fehlers wurde die Klausur mit dem richtigen Sachverhalt im Strafrecht fortgesetzt. Erst im Nachheinein kündigte das Landesjustizprüfungsamt an, dass es zur Wah­rung der Chan­cen­gleich­heit erforderlich sei, dass alle Kandidat:innen die Strafrechtsklausur in einem Nachtermin erneut ablegen müssten (wir berichten). Dagegen zogen zwei Studentinnen vor Gericht. Am 06. April entschied das Verwaltungsgericht Stuttgart, dass die Anordnung der Nachprüfung für alle 871 Examenskandidat:innen in Baden-Württemberg rechtmäßig sei (wir berichten).

Pannen: Räume vertauscht, Licht kaputt, keine Toilettenaufsicht?

Beim Ablegen ebenjener Strafrechtsprüfung am 19. April kam es nun erneut zu einer ganzen Reihe von Pannen. Wie peinlich für das Landesjustizprüfungsamt Stuttgart! Mehrere Studierende aus Heidelberg berichten, dass ihre Nachklausur anders abgelaufen sei, als geplant. Zunächst seien die Räume und Platzziffern vertauscht worden. Die Studierenden, die laut Ladung in der “Köpfelhalle” schreiben sollten, hätten eigentlich in die “Steinbachhalle” gemusst – und umgekehrt. Diesen organisatorischen Fehler hat das Landesjustizprüfungsamt inzwischen auch bestätigt. Die betroffenen Kandidat:innen mussten jeweils eine etwa zwanzigminütige Strecke zu den richtigen Räumen laufen. Im Regen. Samt Rollkoffern. Obwohl offiziell bereits um 8.00 Uhr Einlass gewesen wäre, begann die Prüfung dann erst um 09.05 Uhr.

Eingeleitet wurde die Klausur von der Aufsicht mit den Worten “Wir müssen dann nachher sehen, was wir mit der Klausur machen. Sie wird höchstwahrscheinlich zählen. Die Klausur wird wohlwollend korrigiert werden.” Auf Grund des Vorfalls bekamen alle Prüflinge im Raum 15 Minuten mehr Zeit. Dies wurde ihnen allerdings erst nach drei Stunden mitgeteilt, als die Kandidat:innen ihre Zeit bereits anders verplant hatten. Angeblich konnte die Aufsicht im Büro des LJPA Stuttgart telefonisch zunächst niemanden erreichen. Dies bestreitet das Landesjustizprüfungsamt jedoch.

Doch damit nicht genug. In der einen Hälfte des Saales funktionierte nach Angaben von Betroffenen das Licht nicht. Nach einiger Zeit wurden im Saal wohl Baustellenlampen aufgestellt. Wie das so schnell möglich war? Es war allgemein bekannt, dass das Licht dort öfter ausfällt, sodass bereits Ersatz vor Ort war. Auch das LJPA hätte hiervon also Kentniss haben können und müssen. Die hiervon betroffenen Studierenden bekamen nochmals 30 Minuten auf ihre Bearbeitungszeit addiert. Insgesamt also fünf Stunden und 45 Minuten.

Gegenüber JURios beschwerte sich eien Studentin aus Mannheim: “Eine Behörde kann doch nicht einfach unzählige Fehler machen und diese dann beliebig durch Schreibzeitverlängerung ausgleichen. Die Klausur wurde angeordnet um die Chancengleichheit wiederherzustellen. Im Endeffekt leidet die Nachklausur an viel mehr Verfahrensfehlern als die erste [Klausur].”

Verhalten des LJPA mehr als grob fahrlässig

Zeitgleich soll es in einem Prüfungsraum in Konstanz keine Toilettenaufsicht gegeben haben. Entgegen der üblichen Gepflogenheiten konnten die Studierenden also völlig unbehelligt auf die Toilette und sich dort theoretisch austauschen bzw. Spickzettel einsehen oder am Handy googeln. Liegt darin etwa keine Verletzung der Chancengleichhheit, liebes LJPA? Ebenfalls in Konstanz gab es am Anfang der Prüfung außerdem nicht genügend Papier. Die Klausuraufsicht musste erst weiteres Klausurpapier beschaffen. Man sollte meinen, es sei nicht sonderlich schwer, mit jahrelanger Erfahrung und im Voraus auszurechnen, wieviel Papier von einer zahlenmäßig ebenfalls im Voraus bekannten Gruppe benötigt wird. Anscheinend doch.

Aus Mannheim wurde uns berichtet, dass die Kandidat:innen die Klausur auf schmucken “Hochzeits-Stühlen” aus Plastik ablegen sollten, während die Aufsichtspersonen auf bequemen, gepolsterten Stühlen saßen. Erst nach mehrmaligem Nachfragen wurde erlaubt, die billigen Plastik-Stühle durch reguläre Stühle auszutauschen, die noch im Flur gestapelt waren. Außerdem wurde mit der Bearbeitungszeit begonnen, obwohl sich ein Bearbeiter noch auf der Toilette befunden habe.

Unabhängig von den Prüfungsorten wurde uns außerdem durch mehrere Kandidat:innen berichtet, dass ihre Prüfungsräume über keine Fenster verfügten. Trotz anderweitiger Angaben auf der Ladung und keiner Maskenpflicht am Sitzplatz wurde deswegen für die gesamte Dauer der Klausur nicht gelüftet. Zusätzlich zu den organisatorischen Mängeln, waren die Prüflinge damit einem erhöhten Corona-Infektionsrisiko ausgesetzt. Das LJPA bestreitet diese Vorwürfe gegenüber Legal Tribune Online allerdings. Die Räume in Heidelberg hätten über eine Belüftungsanlage verfügt und deswegen nicht manuell belüftet werden müssen. Nach den uns vorliegenden Informationen wurde in einem Raum in Freibung die Lüftung hingegen erst um 12 Uhr angeschaltet.

Betroffene Examenskandidat:innen klagen vor allem darüber, dass die schlechte Organisation bei ihnen noch mehr Stress ausgelöst habe, als es bei einer Abschlussklausur sowieso schon der Fall gewesen sei. Erneut mit derartigen Unsicherheiten konfrontiert zu werden, machte den Studierenden nach eigenen Angaben sehr zu schaffen. Eine Studentin meint gegenüber JURios: “Dass es das JPA geschafft hat, innerhalb einer Kampagne zwei solch Pannen geschehen zu lassen, stößt bei mit auf völliges Unverständnis. Jahrelang haben wir theoretisch gelernt, gegen solche Entscheidungen vorzugehen und einer unrechtmäßigen Behandlung entgegenzutreten. Und nun sind wir solcher Willkür ausgesetzt.” Eine Betroffene will gar für das Zweite Staatsexamen das Bundesland wechseln. In der Hoffnung, dass es anderswo besser ist.

Stressig, stressiger, Staatsexamen!

Der Vorfall ist mehr als peinlich. Bei der wichtigsten Abschlussklausur im Leben von jungen Jurist*innen die Räumen nicht richtig zuzuteilen und außerdem nicht einmal zu überprüfen, ob das Licht funktioniert, ist mehr als nur “grob fahrlässig”. Betroffene weisen außerdem darauf hin, dass die Schreibverlängerungen völlig willkürlich festgelegt worden seien. Gibt es hier von Seiten des LJPA Stuttgart etwa keine verbindlichen Vorgaben? Und seit wann ist es angemessen, dass die Klausuraufsicht Kommentare zum “Zählen” oder zur Korrekturweise der Klausur abgibt? Wäre es nicht das mindeste, die Prüfungsaufsichten vorab richtig im Umgang mit eventuell auftretenden Pannen zu schulen?

Laut dem LJPA bestehen trotzdem keine Bedenken gegen eine Wertung der Klausur. Entsprechend habe die Korrektur bereits gestartet.

Es ist weder der erste noch wird es der letzte Vorfall dieser Art sein. Aus einem Durchgang in Stuttgart von vor zwei Jahren wurde uns beispielsweise berichtet, dass sich direkt vor der Klausur ein Decken-/Beleuchtungselement gelöst habe. Dass es nur auf einen Tisch krachte und niemand verletzt wurde, ist wohl als glücklicher Zufall zu werten. Auch den Datenschutz scheint das LJPA Stuttgart nicht sonderlich ernst zu nehmen. So wurden im Frühjahr 2020 mindestens vier Zeugnisse an eine falsche Adresse versendet, sodass dann jeweils die Noten von einer fremden Person eingesehen werden konnten.

Auch aus Mannheim wurde uns Unglaubliches berichtet. In einem Dachraum der Staatsanwaltschaft kam es auf Grund des starken Regenfalls im März 2020 zu Pfützenbildungen innerhalb des Prüfungsraumes. Unter anderem tropfte es auch auf den Tisch eines Kandidaten, der daraufhin seine Unterlagen in Sicherheit bringen musste. Das LJPA empfahl dem Kandidaten damals lapidar, doch einfach seinen Tisch etwas zu verrücken.

Als Studierende in Baden-Württemberg darf man sich auf Grund der Pannen eigentlich nur noch fragen. Was ist besser? Vertauschte Klausuren oder vertauschte Räume? Pest oder Cholera?


Dieser Artikel beruht auf den Berichten betroffener Examenskandidat:innen.

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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