44-Jähriger Jurist klagt, weil er nicht zu alt für den Besuch eines Festivals sein will

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Ein 44-Jähriger Jurist wurde im Jahr 2017 bei der Einlasskontrolle eines Techno-Festivals abgewiesen. Gegen diese Form der “Altersdiskriminierung” zog er vor Gericht. Nun musste sogar der Bundesgerichtshof über diesen Fall entscheiden.

Das jährlich in München stattfindende Techno-Festival “Isarrauschen” ist unter jungen Leuten ein Hit. Bei der Party legen rund 30 DJs elektronische Musik auf. Doch manche Gäste müssen unfreiwillig draußen bleiben. So auch der Kläger. Der damals 44-Jährige Jurist sei zu alt für die Party auf der Praterinsel, befand der Türsteher im Jahr 2017. Das wollte sich der Mann nicht gefallen lassen und zog vor Gericht. Der Jurist fühlte sich seines Rechts auf Party beraubt und forderte eine Entschädigungszahlung von 1.000 € vom Veranstalter. Das Pikante: Der Mann ist selbst FAchanwalt für Arbeitsrecht. Er ist der Meinung: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbiete bei Massengeschäften eine Diskriminierung nach dem Alter. Der Veranstalter verwies darauf, dass sich das Festival an ein Publikum von 18 bis 28 Jahren richte und die Anzahl der Teilnehmer:innen auf 1.500 beschränkt sei.

Durfte der Türsteher den Mann aus Altersgründen ablehnen?

Hat ein 44-Jähriger das Recht, ein Techno-Festival für junge Leute zu besuchen? Oder darf der Veranstalter sein Zielpublikum definieren? Amtsgericht und Landgericht schlugen sich in erster und zweiter Instanz jedenfalls bereits auf die Seite des Veranstalters. Das Amtsgericht München wies daraufhin, dass eine unterschiedliche Behandlung von Menschen wegen des Alters gerechtfertigt sei, wenn es dafür einen sachlichen Grund gäbe. Und auf einen solchen Grund könne sich der Veranstalter hier berufen.

“Bei derartigen Disco-Veranstaltungen steht nicht allein die Musik im Vordergrund, sondern das gemeinsame Feiern. Daher ist eine Auswahl der Gäste, um einen gelungenen Abend zu gestalten, vernünftig, um den Interessen der Gäste und des Veranstalters gerecht zu werden”, so die Richterin. Der Kläger hätte einfach auf eine andere Party gehen können. Dieser Argumentation folgend dürften beispielsweise auch Veranstalter von Ü-30-Partys Jüngere ablehnen.

Ist ein Festival ein Massengeschäft im Sinne des AGG?

Auch die Richter:innen am Landgericht München I konnte der Kläger nicht überzeugen. Das AGG sei gar nicht anwendbar, da es sich beim Isarrauschen bereits um kein Massengeschäft handele. Denn: Die zahlenmäßig begrenzten Tickets für das Festival konnten nur vor Ort und erst nach einer rigiden Einlasskontrolle erworben werden.

Der Kläger beruft sich aber außerdem auch noch auf seine wesentlich jüngere Partnerin. Sein Argument: Sie wäre nicht mit ihm zusammen, wenn er nicht ebenfalls jung geblieben wirke. Er habe die Abweisung daher als äußerst kränkend empfunden. “Ich habe noch nie erlebt, dass mir jemand ins Gesicht sagt, ich sei zu alt für ein Festival. Teilnehmer in meinem Alter sind dort der Regelfall und keine Aliens. Die Interaktion von “Alt” und “Jung” ist in jeglicher Hinsicht befruchtend für alle Generationen”, so der Anwalt laut Süddeutscher Zeitung.

“Wohlfühl-Faktor” als sachlicher Grund?

Sein Anwalt argumentierte laut taz: „Das AGG wäre ein zahnloser Tiger, wenn schon dann keine Diskriminierung vorliegt, weil der Veranstalter eine enge Zielgruppe definiert hat. Was machen wir denn, wenn ein Veranstalter ein Fest ‚nur für Weiße‘ anbietet, die homogen unter sich feiern wollen? Ist das dann keine Diskriminierung von Schwarzen?“

Der Anwalt des Veranstalters meinte jedoch: „Die Leute sollen sich wohlfühlen, darauf kommt es an.“ Der Veranstalter sei gerade auf die Feierlaune des Publikums angewiesen. Nun sind die Richter:innen des BGH an der Reihe. Handelt es sich bei einem Festival um ein Massengeschäft? Und ist das Alter ein sachlicher Grund? Dass sie sich der Argumentation des Juristen anschließen werden, ist eher unwahrscheinlich.

Und was sagt der BGH?

Klage gescheitert! Auch die Richter:innen in Karlsruhe lehnten einen Anspruch auf Entschädigung ab. Damit eine Veranstaltung ein Massengeschäft ist und damit in den Anwendungsbereich des AGG fällt, müsse der Anbieter im Rahmen seiner Kapazitäten grundsätzlich bereit sein, mit jedem und ohne Ansehen der Person ein Schuldverhältnis einzugehen. Das sei hier gerade nicht der Fall gewesen. Anders als Konzerte, Kinovorstellungen oder Theater- und Sportveranstaltungen sei der Charakter des “Isarrauschen” Festivals durch die Interaktion der Besucher geprägt. Daher komme der Zusammensetzung des Besucherkreises besondere Bedeutung zu. Der Veranstalter hatte die Teilnahme des Juristen deswegen zu Recht verweigert.

“Bei Schuldverhältnissen wie öffentlichen Party-Event-Veranstaltungen kann die Zusammensetzung des Besucherkreises deren Charakter prägen und daher ein anerkennenswertes Interesse des Unternehmers bestehen, hierauf Einfluss zu nehmen. Soweit der Veranstalter deshalb sein Angebot nur an eine bestimmte, nach persönlichen Merkmalen definierte Zielgruppe richtet und nur Personen als Vertragspartner akzeptiert, die die persönlichen Merkmale der Zielgruppe erfüllen, kommt diesen Eigenschaften nicht nur nachrangige Bedeutung zu. Diese Willensentscheidung ist hinzunehmen; wenn dabei auch das Merkmal “Alter” betroffen ist, steht dies nicht entgegen.”


Erste Instanz: AG München, Urt. v. 10.10.2018, Az. 122 C 5020/18
Zweite Instanz: LG München I, Urt. v. 31. März 2020, Az. 13 S 17353/18
Dritte Instanz: BGH, Urt. v. 05.05.2021, Az. VII ZR 78/20
Fundstelle: https://www.lto.de/
Fundstelle: https://www.spiegel.de/

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