“Pferdearsch”, “Schlampe”, “Drecks-Fotze” – verbale Gewalt gegen Politikerinnen im Internet

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Schaut man sich die Schlagzeilen der letzten Jahre über deutsche Politikerinnen an, kommt man aus dem Staunen kaum heraus. Das Ausmaß an purem Hass, mit dem vor allem junge Frauen eher linker Parteien im Internet überhäuft werden, ist enorm.

Seinen Anfang nahm das alles spätestens mit der Flüchtlingskrise ab 2015. Ein weiterer trauriger Höhepunkt wurde während des US-Wahlkampfes unter Donald Trump erreicht. Und jetzt geht es gerade so weiter. Der Bundestagswahlkampf gleicht einem medialen Gemetzel, in dem es nicht mehr um politische Inhalte geht, sondern nur noch darum, die Spitzenkandidatin der Grünen öffentlich zu diffamieren. Und Annalena Baerbock ist nicht die einzige deutsche Politikerin, die der Mob im Netz so richtig fertig macht. Viel zu selten wehren sich die Betroffenen gegen die Äußerungen. Und wenn doch, können die meist männlichen Täter oft nicht ermittelt werden. Ein erfreuliches Gegenbeispiel ist das Urteil des Amtsgerichts Augsburg in der Causa Claudia Roth.

Ein mittlerweile suspendierter Polizist teilte bereits 2019 mehrere Fotos und Texte auf Facebook. Meistens zog er darin über Politiker:innen der Grünen her. So verglich er das Gesicht der Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth mit einem “Pferdehintern”. Diese erstattete Anzeige. Der Polizist wurde daraufhin vom Amtsgericht Augsburg wegen Beleidigung gem. § 185 StGB zu einer Geldstrafe von 4.000€ verurteilt. “Das geht zu weit”, entschied Richterin Rita Greser.

“Arschloch” keine Beleidigung?

Doch die weiteren Äußerungen des Polizisten sah die Richterin als von der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gedeckt an. So sei es legitim, den Grünen-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter als “Arschloch” zu bezeichnen. Wie bitte? Im Jurastudium lernt man noch, Schmähkritik und sogenannte “Formalbeleidigungen” seien gerade nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt. Wieso sollte das also gerade für Politiker:innen nicht gelten? Ist deren Ehre etwa weniger Wert, nur weil sie in der Öffentlichkeit stehen? Im konkreten Fall kündigten beide Seiten Rechtsmittel gegen das Urteil an (AG Augsburg, Urt. v. 01.07.2021, Az. 03 Ds 101 Js 100806/20).

Doch Grünen-Politiker:innen sind nicht die einzigen, denen von deutschen Gerichten gesagt wird, sie müssten sich die diversen verbalen Entgleisungen ihrer Mitbürger:innen im Internet gefallen lassen. Auch die AfD-Politikerin Alice Weidel scheiterte 2017 in einem Beleidigungsfall vor Gericht. Das Landgericht Hamburg urteilte, man dürfe sie “Nazi-Schlampe” nennen. Nach ihrer Ernennung zur Co-Spitzenkandidatin der AfD hatte Weidel eine umstrittene Rede gehalten. Diese wurde von der Satiresendung “extra 3” aufgegriffen. Moderator Christian Ehring sagte in diesem Zusammenhang: “Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht.” Dafür, dass sie rechtsradikal – also ein Nazi – ist, hat Weidel selbst genügend Beispiele geliefert. Und auch wenn im Rahmen von Satire grundsätzlich (fast) alles erlaubt sein sollte. Inwiefern ist es akzeptabel eine Frau auf sexueller Ebene zu degradieren und sie als Schlampe zu bezeichnen?

Auch “Nazi-Schlampe” ist erlaubt!

Auch in der Causa Alice Weidel führte das Gericht wiederum an, dass sich eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, mehr gefallen lassen müsse. Aber warum? Wieso sollten Politiker:innen in ihrer Ehre weniger schützenswert sein als Otto-Normalbürger:innen? Das konnte bis heute niemand so genau beantworten (LG Hamburg, Beschl. v. 11.05.2017, Az. 324 O 217/17).

Ähnlich wie Weidel erging es der Grünen-Politikerin Renate Künast. Das Berliner Landgericht hatte entschieden, dass Online-Kommentare wie “Schlampe”, “Stück Scheisse”, “Krank im Kopf”, “altes grünes Drecksschwein”, “Geisteskrank”, “kranke Frau”, “Gehirn Amputiert”, “Drecks- Fotze” und “Sondermüll”. erlaubt seien. Wie bitte? Immerhin war bei diesem drastischen Fehlurteil der Aufschrei auch unter Jurist:innen groß. Schließlich gäbe es nach Ansicht des Landgerichts Berlin dann faktisch keine Bezeichnungen mehr, mit denen man eine Politikerin überhaupt noch beleidigen könnte. Ist ja alles gerichtlich abgesegnet. Und voll okay (LG Berlin, Urt. v. 09.09.2019, Az. 27 AR 17/19).

Dieses Urteil wurde später glücklicherweise vom Kammergericht Berlin einkassiert (Beschl. v. 31.10.2022, Az. 10 W 13/20). Es zeigt aber anschaulich, was sich Politikerinnen in Deutschland alles – mitunter gerichtlich bestätigt – gefallen lassen müssen.

Aufrufe zur sexuellen Gewalt keine Seltenheit

Insbesondere die sexuelle Komponente hat es der Meute im Internet besonders angetan. Bereits 2015 wehrte sich Sara Wagenknecht juristisch vor dem Amtsgericht Bielefeld gegen einen Nazi-Rapper. Dieser hatte in einem Song den gewaltsamen Geschlechtsverkehr mit der Linken-Politikerin beschrieben und zu sexueller Gewalt gegen sie aufgerufen. Im Song heißt es unter anderem:

“Wir sind das bluttriefende Rumpsteak,
im Mund eines Veganers,
der Schwanz in dem Arsch,
dieser Wagenknecht Sarah!

Ich bin ein bitterböser Sexist:
Ich glotze den Frauen immer solange auf den Arsch,
bis der komplette Hintern weg ist.
Ich bin ein schlimmer Feministenfeind:
Ich glotze den Weibern auf die Titten,
bis sie fix und fertig sind und dann beginnen zu weinen.”

Der Nazi-Rapper “MaKss Damage” wurde dafür vom Amtsgericht Bielefeld 2015 zu einer lächerlichen Geldstrafe in Höhe von 700 € verurteilt. Und legte dagegen sogar noch Berufung ein. Auch wenn es immer heißt: “Bellende Hunde beißen nicht” ist klar, dass das Ausmaß an verbaler Gewalt – vor allem gegen Frauen und im Besonderen gegen Politikerinnen – nicht mehr länger hinnehmbar ist. Auch die Justiz muss hier genauer hinschauen!

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