EGMR: Russische Trans-Frau darf ihre Kinder sehen!

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zeigte sich einmal mehr als moralische und empathische Instanz. Das Gericht urteilte, dass eine Geschlechtsumwandlung keinen Grund für ein Kontaktverbot zu den eigenen Kindern darstellt.

Ein russisches Paar hatte 2008 geheiratet und gemeinsam zwei Kinder (geb. 2009 und 2012) bekommen. Im Jahr 2015 trennte sich das Paar. Der ehemalige männliche Partner unterzog sich daraufhin einer Geschlechtstransition zur Frau. Nach der Geschlechtsumwandlung lehnte die ehemalige Partnerin die Besuche der Trans-Frau bei den Kindern als schädlich ab. Ein russisches Gericht in Moskau gab ihrem Ersuchen statt. Der Umgang mit dem Trans-Elternteil habe einen negativen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder.

Negativer Einfluss auf Wohlbefinden und Entwicklung der Kinder?

In der Entscheidung des russischen Gerichts heißt es: “… Given the degree of manifestation of feminine characteristics in [the applicant] and her principled inability to preserve a male appearance; the insufficient consideration by her of the age-related specificities of the children’s development; her expressed intention to communicate with the children as a ‘transgender woman’ and a ‘parent’ coupled with the provision to them of information on [the gender transition]; the low degree of critical assessment of the effects of [the transition] on the children’s mental health; the developmental and individual characteristics of [her son] and the developmental characteristics of [her daughter]; and the social and psychological factors linked to gender transition …, at the present moment contact between [the applicant] and [her children] and information on the gender transition would have a negative impact on their mental health and development. … [T]his negative impact will be produced not by the individual and psychological profile of [the applicant] or her parenting style, but by the anticipated reaction of the children to their father’s gender transition (given the available research data on age-related aspects of gender identity development in children and the findings of the present assessment) …”

Die Trans-Frau durfte deswegen ab 2017 ihre eigenen Kinder nicht mehr sehen. Weitere Gerichte bestätigten diese Entscheidung. Gegen das Kontaktverbot zu ihren eigenen Kindern zog die Trans-Frau vor den EGMR.

Verstoß gegen Art. 8 und Art. 14 der EU Menschenrechtskonvention

Die Richter:innen in Straßburg gaben der Trans-Frau Recht. Die russische Entscheidung verstoße gegen Artikel 8 (Recht auf Privat- und Familienleben) und 14 (Verbot jeglicher Diskriminierung) der europäischen Menschenrechtskonvention. Die russischen Richter:innen hätten nicht im Interesse der Kinder gehandelt. Ihre Bewertung stelle keinen nachvollziehbaren Beweis dafür dar, dass das Wohlsein der Kinder durch die Präsenz der Trans-Frau bedroht sei. “In the light of the foregoing, the Court considers that the domestic courts failed to make a balanced and reasonable assessment of the respective interests on the basis of an in‑depth examination of the entire family situation and of other relevant factors. The Court thus concludes that the restriction of the applicant’s parental rights and of her contact with her children was not ‘necessary in a democratic society'”. Russland muss ihr nun 9.800 Euro Entschädigung zahlen. Das Land hatte die Konvention 1998 ratifiziert.

Damit setzt der EGMR erstmals ein Zeichen für die Rechte von Trans-Menschen und ihren Kindern in Russland. An der Grundhaltung der russischen Regierung gegenüber queeren und homosexuellen Menschen wird die Entscheidung des EGMR aber vermutlich nichts ändern. Wladimir Putin erließ bereits 2012 ein föderales Verbot sogenannter „homosexueller Propaganda“.


Fundstelle: EGMR, Urt. v. 06.07.2021, Az. 47220/19

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