LG Cottbus: Richter:innen müssen keine überdurchschnittliche Intelligenz haben

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Das Landgericht Cottbus entschied bereits 2009 in einer Strafsache wegen Beleidigung und äußerte sich in diesem Rahmen auch zur intellektuellen Qualifikation, die Richter:innen mitbringen müssen. Ein herrlich kurioses Urteil!

Ein zum Tatzeitpunkt 57-Jähriger Lokführer im Ruhestand war 2006 Partei eines Zivilrechtsstreits am Amtsgericht Cottbus. In diesem Zug (haha!) schrieb er der zuständigen Richterin einen Brief mit folgendem Inhalt. „Ich stelle es Ihnen zum Vorteil, dass Ihr Intelligenzquotient wohl nur mit dem Durchschnitt zu bewerten ist, da Sie sich ansonsten nicht zu einer derartigen Begründung hinreißen lassen könnten. Von der Sache her gehören Sie auf das Arbeitsamt, da Sie wohl trotz Qualifikation nicht Ihrer Aufgabe gewachsen sein dürften.“

Das fand die Richterin überhaupt nicht lustig und zeigte den Mann an. Das Amtsgericht Cottbus verurteilte ihn 2008 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 €. Dagegen legte der Mann Berufung ein und hatte Erfolg! Die Richter:innen am Landgericht Cottbus urteilten, dass der ehemalige Lokführer zu Unrecht wegen Beleidigung gem. § 185 StGB verurteilt worden sei. Das Gericht habe versäumt die erforderliche Abwägung von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz vorzunehmen. Der Angeklagte habe erklärt, dass er nicht die Absicht gehabt hätte, die Richterin in ihrer Ehre herabzusetzen. Er habe lediglich seinen Unmut über die richterliche Entscheidung zum Ausdruck bringen wollen. Es sei „nicht persönlich gemeint“ gewesen, er habe sich nicht anders zu helfen gewusst. Der Angeklagte betonte, dass seine Aussage „im Sinn der freien Meinungsäußerung“ zu verstehen und nicht als Beleidigung gedacht gewesen sei.

Abwägung von Meinungsfreiheit und Ehrenschutz

Dazu führten die Richter:innen in der Berufungsinstanz aus: Die Rechtsprechung lasse derartige Unmutsäußerungen „im Kampf ums Recht“, auch wenn sie „im Eifer des Gefechts“ über das Ziel hinausschießen, sehr weitgehend zu. Solange keine Formalbeleidigungen und keine offensichtliche Schmähkritik vorliegt. Dies sei hier nicht der Fall, so das LG Cottbus.

Und an dieser Stelle brachte das Gericht eine Argumentation an, die einen aus den Socken haut, nämlich: “Zum einen ist die Meinungsäußerung, dass die Richterin … ‘nur’ über einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten verfüge, schon objektiv nicht beleidigend. Denn ca. 68 % der Bevölkerung verfügen per definitionem nach der überwiegend anerkannten Wechslerskala über einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten von 100 Punkten mit einer Standardabweichung von +/- 15 Punkten (vgl. Wikipedia, Freie Enzyklopädie, Stichwort ‘Intelligenzquotient’) und es kann nicht beleidigend sein, für eine Person anzunehmen, was für die Mehrheit der Bevölkerung objektiv zutrifft.“

Richter:innen nicht überdurchschnittlich intelligent

Aber damit noch nicht genug! Die Richter:innen am LG Cottbus führten außerdem an, wieso es keiner überdurchschnittlichen Intelligenz bedürfe, um Richter:in zu werden. “Im Übrigen ist die Kammer auch davon überzeugt, dass es keiner überdurchschnittlichen Intelligenz bedarf, um das Abitur abzulegen, ein Jurastudium zu absolvieren und richterlicher Tätigkeit nachzugehen. Die Kammer ist aufgrund langjähriger Erfahrung mit einer Vielzahl von Juristen und von Kollegen der Überzeugung, dass es jedem durchschnittlich intelligenten Menschen bei einem gewissen Fleiß möglich ist, erfolgreich die höhere Schulbildung und ein Jurastudium zu absolvieren und beanstandungsfrei richterlicher Tätigkeit nachzugehen. Dass richterliche Tätigkeit Hochintelligenten mit einem überdurchschnittlichen IQ vorbehalten wäre, entspricht keinem Erfahrungssatz.“

Das nennen wir eine Ansage! Insbesondere im Hinblick darauf, dass knapp ein Viertel aller Jurastudierenden das Jurastudium abbrechen, ohne überhaupt zum Examen zugelassen worden zu sein. Von dem verbleibenden Dreiviertel der Jurastudierenden bestehen dann – je nach Jahrgang und Bundesland – wiederum ein Viertel bis die Hälfte das Examen nicht. Und von denen, die bestehen, erreichen nur etwa die obersten 10-20% ein Prädikatsexamen, das Voraussetzung für eine Richterstelle ist.

Für unseren Lokführer im Ruhestand war die Argumentation des LG Cottbus aber natürlich hervorragend. Die Berufungsinstanz hob das Urteil gegen ihn auf und sprach den Mann frei.


Fundstelle: LG Cottbus, Urt. v. 27.01.2009, Az. 25 Ns 278/08LG

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