Können Arbeitnehmer:innen verpflichtet werden, ihre Büropflanzen zu gießen?

Arbeitgeber:innen schreiben ihren Arbeitnehmer:innen häufig recht kuriose Verhaltensregeln am Arbeitsplatz vor. Ein Unternehmen aus Bayern versuchte gar, die Mitarbeiter:innen dazu zu verpflichten, ihre Büropflanzen regelmäßig zu gießen. Kann das rechtens sein? Und muss hierbei der Betriebsrat eingeschaltet werden?

In dem zugrundeliegenden Fall erließ die Arbeitgeberin verschiedene Anordnungen gegenüber ihren Arbeitnehmer:innen ohne den bei ihr bestehenden Betriebsrat zu beteiligen. Diese Maßnahmen betrafen das persönliche Verhalten der Arbeitnehmer:innen am Arbeitsplatz. Eine der Anordnungen lautete dabei, dass die mitgebrachten Pflanzen „regelmäßig zu pflegen, zu gießen und zurückzuschneiden“ seien. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hatte schließlich darüber zu entscheiden, ob es hierfür einer Beteiligung des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 1 BetrVG bedurft hätte und ob dem Betriebsrat entsprechend ein Unterlassungsanspruch gegen die Arbeitgeberin zusteht. Die Richter:innen urteilten: Bei den Anordnungen der Arbeitgeberin handele es sich nur teilweise um mitbestimmungspflichtige Maßnahmen an denen der Betriebsrat zu beteiligen war. Soweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich der Anordnungen bestünde, lagen auch die übrigen Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch vor.

Mitbestimmungsrecht bei “Ordnungsverhalten

Gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer:innen im Betrieb mitzubestimmen. Zu differenzieren ist hierbei zwischen dem mitbestimmungspflichtigen sog. “Ordnungsverhalten” und dem nicht mitbestimmungspflichtigen sog. “Arbeitsverhalten”.

Das Gericht hat hierzu erklärt, dass das Mitbestimmungsrecht „die allgemeine betriebliche Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer“ erfasse. Dies gelte jedenfalls „soweit deren Zusammenleben und Zusammenwirken berührt wird und damit ein Bezug zur betrieblichen Ordnung besteht“. Im Gegensatz dazu betreffe das nicht mitbestimmungspflichtige Arbeitsverhalten „Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unmittelbar konkretisiert wird oder in sonstiger Weise lediglich das Verhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber betreffen“. Ob nun eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme vorliege oder nicht, richte sich „nach deren objektiven Regelungsgehalt und nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens“. Sofern sowohl das sog. Ordnungsverhalten als auch das sog. Arbeitsverhalten durch die Maßnahmen berührt werden, sei darauf zu achten, welcher Bereich „schwerpunktmäßig betroffen“ sei, so das Landesarbeitsgericht Nürnberg.

Büropflanzen unterfallen der Mitbestimmungspflicht!

Dies bedeutete im konkreten Fall: Der Betriebsrat hatte bei der Frage mitzubestimmen, ob Arbeitnehmer:innen den ihnen zur Verfügung gestellten Platz mit nicht mehr als 10 % zum Abstellen persönlicher Gegenstände, wie Fotos, Souvenirs, etc. nutzen dürfen. Mitbestimmungspflichtig sei es auch, wenn die Arbeitgeberin anordnet, dass die Arbeitnehmer:innen „Schrankoberseiten in regelmäßigen Intervallen überprüfen und alles Unnötige […] entfernen oder an geeigneter Stelle archivieren“ sollen. Die „Frage, wie persönlich mitgebrachte Pflanzen zu behandeln, zu pflegen und zurückzuschneiden sind“, bedarf ebenfalls der Beteiligung des Betriebsrats.

Grund für die Mitbestimmungspflicht der letztgenannten Maßnahme laut LAG Nürnberg: „Diesbezügliche Anordnungen der Arbeitgeberin betreffen nicht das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter und regeln auch nicht den Umgang mit Betriebsmitteln, die im Eigentum der Arbeitgeberin stehen. Geregelt wird der Umgang mit im persönliche Eigentum der Mitarbeiter stehenden Sachen.“

Aber: Wer muss das Gießwasser zur Verfügung stellen?

Gleichzeitig wies das Gericht allerdings auf das Folgeproblem hin, ob „die Arbeitgeberin den Mitarbeitern weiterhin firmeneigenes Gießwassers zur Verfügung stellen darf, ohne gegen die vom Betriebsrat erwirkte Unterlassungsanordnung zu verstoßen.“ Die Frage wurde im Urteil leider nicht beantwortet.

Dagegen muss die Arbeitgeberin vor der Anordnung, dass Gespräche so geführt werden, dass andere Arbeitnehmer:innen nicht bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gestört werden, den Betriebsrat nicht beteiligen. Denn hierdurch werde die Arbeitsleistung lediglich konkretisiert. Zu Recht hatte die Arbeitgeberin auch den Betriebsrat nicht daran beteiligt, als sie ihren Arbeitnehmer:innen verbot Möbel, Wände und Glasflächen zu bekleben, denn letztlich ist sie Eigentümerin dieser Betriebsmittel. Das Verbot begründe eine Nebenpflicht der Arbeitnehmer:innen und betreffe „schwerpunktmäßig sein Verhalten zum Arbeitgeber und nicht das Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb“.

Arbeitgeber:innen können also grundsätzlich verpflichtete werden, sich um ihre Büropflanzen auch gut zu kümmern. Allerdings nur, wenn dem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht aus § 87 I Nr. 1 BetrVG eingeräumt wurde.


Fundstelle: LAG Nürnberg, Beschl. v. 14.12.2016, Az. 4 TaBV 38/16

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