Sozialamt muss Miete während Gefängnisaufenthalt zahlen

Muss ein Empfänger von Sozialhilfe ins Gefängnis, kann das Sozialamt unter Umständen verpflichtet sein, die Miete des Häftlings während seines Gefängnisaufenthaltes für ihn weiterzubezahlen. Das entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.

Der 1978 geborene Kläger lebte in Stade und bewohnte dort eine 2005 von ihm bezogene Zweizimmerwohnung, für die er eine Grundmiete von 225 € bezahlte. Wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung mit einer deutlich geminderten Frustrationstoleranz und einer Störung der Affektregulation stand der Mann unter Betreuung. Im September 2014 sollte der Mann eine (Ersatz-)Freiheitsstrafe von sieben Monaten antreten. Beim Sozialamt beantragte er deswegen die Übernahme seiner Unterkunftskosten während der Haft. Hilfsweise die Kosten für die Räumung der Wohnung und die Einlagerung seiner Möbel.

Hilfe wegen “sozialer Schwierigkeiten”

Das Amt lehnte eine Kostenübernahme mit der Begründung ab, die voraussichtliche Haftdauer überschreite eine Dauer von sechs Monaten und ein drohender Wohnungsverlust rechtfertige – für sich genommen – eine Hilfe wegen sozialer Schwierigkeiten nicht. Der Betreuer des 43-Jährigen könne sich nach der Haftentlassung um eine neue Wohnung kümmern. Dieser Auffassung widersprach das Landessozialgericht nun aber und verpflichtete das Sozialamt zur Übernahme der Mietkosten. Nach § 67 I SGB XII haben Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, einen Anspruch auf Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind.

Laut den Richter:innen in Celle gehört auch der drohende Wohnungsverlust nach einer Haftentlassung im Grundsatz zu den “besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten”. Insbesondere deswegen, “weil der Verlust der Wohnung ähnlich dem Verlust des Arbeitsplatzes für einen Haftentlassenen deutlich schwerer zu kompensieren ist als für andere Bürger, selbst dann, wenn der aus der Haft Entlassene nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist.”

Der Mann habe eine “instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung”. Es sei daher besonders wichtig, dass er nach seiner Haft geordnete Verhältnisse und insbesondere seine vertraute Wohnung vorfinde. Außerdem würden durch einen Wohnungswechsel ebenfalls spürbare Kosten anfallen. Es wäre deswegen sinnvoller, die seit fast zehn Jahren bewohnte Wohnung zu halten. Das Gericht konnte sich dabei auch eine weiterreichende Belehrung der Behörde nicht verkneifen. Es führte aus: “Selbst wenn die Aufgabe der Mietwohnung und die Anmietung einer neuen für die Zeit nach der Haftentlassung eine zumutbare Alternative gewesen sein sollte, wäre es für den Beklagten angezeigt gewesen, den Kläger (bzw. seinen Betreuer) in dieser Hinsicht rechtzeitig zu beraten und persönlich zu unterstützen.”


Entscheidung: LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 24.06.2021, Az. L 8 SO 50/18
Fundstelle: https://www.lto.de/

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