Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl im Jura-Check: Wer will was von wem woraus?

-Werbung-spot_imgspot_img

Am 26. September findet die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag statt. Zur Wahl stehen immerhin 47 verschiedene Parteien. In unserem Jura-Ceck haben wir uns die Wahlprogramm der sechs aussichtsreichsten Parteien einmal näher angesehen. Dabei zeigen wir auf, was die Parteien jeweils für die Justiz tun wollen. Unser Augenmerk ist dabei darauf gerichtet, welche Visionen die Parteien jeweils für die Ausgestaltung der Justiz – also insbesondere der Arbeit von Gerichten und Staatsanwaltschaften haben. Weniger soll es darum gehen, welche Wege die Parteien bei der Kriminalitätsbekämpfung einschlagen wollen – denn das würde den Rahmen unserer Übersicht sprengen!

Um die Enttäuschung vorwegzunehmen: In keinem der Wahlprogramme taucht das Wort “Jurastudium” oder “Rechtsreferendariat” auf. Das dürfte zwar damit zusammenhängen, dass die Gestaltung der universitären Ausbildung und des Referendariats grundsätzlich Ländersache ist. Wir hätten uns aber trotzdem gefreut, wenn die – gesellschaftlich so wichtige – Ausbildung junger Jurist:innen Erwähnung gefunden hätte.

SPD: Aus Respekt vor Deiner Zukunft

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ist die älteste, heute noch bestehende Partei. Ihren heutigen Namen gab sie sich schon 1890. Die SPD setzt sich als Arbeiterpartei seit jeher für Soziale Gerechtigkeit ein. Doch was haben die “Sozen” für die Justiz geplant? Nach den Ausführungen in ihrem Wahlprogramm will sich die SPD für eine “verzahnte Justiz” einsetzen. Nanu? Was ist denn das? “Wir verbessern die Strukturen der Sicherheitsbehörden und sorgen für eine reibungslosere Verzahnung mit der Justiz. Auch hierfür ist es notwendig, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat fortführen. Bei begangenen Straftaten müssen Verfahren unmittelbar aufgenommen werden. Die Bestrafung muss schnell im Zusammenhang mit der Tat erfolgen.”

Die Sozialdemokraten wollen also für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Justiz sorgen, um insbesonder Strafverfahren zu einem schnellen Abschluss zu bringen. Der erwähnte „Pakt für den Rechtsstaat“ ist eine politische Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern, der auf die Bundestagswahl 2017 zurückgeht. Vereinbart wurde darin unter anderem die Schaffung von Planstellen bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten sowie eine Verbesserung der Kommunikationsschnittstellen innerhalb der Justiz und die Beschleunigung und Vereinfachung von Gerichtsverfahren.

Die Aussagen der SPD zur Justiz fallen damit recht knapp aus. Erwähnenswert ist eventuell noch, dass die Partei “Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Femizide” einrichten will.

Grüne: Deutschland. Alles ist drin.

Wenn es nach den Grünen geht, ist die Bundestagswahl 2021 eine sogenannte “Klimawahl”. Doch was hat Bündnis90/Die Grünen neben Klimaschutz noch zu bieten? Laut ihrem Wahlprogramm will die Partei die “Justiz entlasten und digitalisieren”. Das hört sich doch schonmal gut an. Im Detail heißt es dazu:

“Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch außergerichtli-che Streitbeilegung, durch die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der Justiz mit der nötigen Technik.” Außerdem wollen die Grünen die Justiz serviceorientierter gestalten und hierzu neue Wege suchen. Um ihre Ziele umzusetzen will die Partei einen “Bund-Länder-Digitalpakt Justiz” schaffen.

Weiter heißt es im Wahlprogramm: “Polizei und Staatsanwaltschaft müssen digital zusammenarbeiten können, wozu es einheitliche Programme und zureichende Bandbreiten braucht. Wir fördern und vereinfachen die elektronische Kommunikation zwischen Bürger*innen und Justiz. Dazu gehört der leichte Zugang zum Recht durch schnelle Online-Verfahren für einfache Rechtssachen und zu stärkenden konsensualen Verfahren der Streitbeilegung. Wir wollen das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft beschränken und transparent machen und den Ländern ermöglichen, Modelle der gerichtlichen Selbstverwaltung zu erproben.”

Außerdem betonen die Grünen, dass es auf Grund der zunehmenden grenzüberschreitenden Kriminalität auch hier neuer Maßnahmen bedürfe. “Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer Freiheit brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz: durch gemeinsame europäische Polizeiteams, durch die Aufwertung von Europol zu einem Europäischen Kriminalamt sowie durch eine engere justizielle Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, auch mit Hilfe von Eurojust.”

Damit macht Bündnis90/Die Grünen erfreulich konkrete Angaben dazu, welche Missstände sie in der Justiz auf welche Art und Weise beheben wollen.

CDU/CSU: Das Programm für Stabilität und Erneuerung

Die Christlich Demokratische Union Deutschlands muss sich nach 16 Jahren von der langjährigen Bundeskanzlerin Angela Merkel verabschieden. Neuer Kanzlerkandidat der Union ist der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Aber haben sich CDU/CSU neben personellen Veränderungen auch inhaltliche Veränderungen vorgenommen? In ihrem Wahlprogramm versprechen die Christdemokraten eine “Starke Justiz”. Wie sie das schaffen wollen?

So: “Ein starker Rechtsstaat erfordert eine starke Justiz. Um Verbrechen wirksam bekämpfen zu können, brauchen wir daher auch gut ausgestattete, unabhängige Gerichte und leistungsfähige Staatsanwaltschaften. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass Recht und Gesetz konsequent durchgesetzt werden. Unsere Rechtsordnung gilt dabei für jeden, der in unserem Land lebt – unabhängig von seiner Herkunft oder Religion. Unser Rechtsstaat duldet keine Paralleljustiz, die unsere Gesetze und Gerichte verdrängen will.”

Und weiter: “Eine moderne Justiz- und Rechtspolitik muss verständlich und serviceorientiert sein, um von Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert zu werden.” Erwartungsgemäß setzt die CDU sich damit für “law and order” ein. Dieses Ziel will die Partei unter anderem mit einer bessern Ausstattung der Justiz erreichen. Wir hoffen: Besser als in den letzten 12 Regierungsjahren!

Die Linke: Zeit zu handeln!

Die Linke sieht sich bekanntermaßen in einer parteipolitischen Traditionslinie, die auf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zurückreicht. Ob da noch Platz für Gedanken zur Justiz übrig ist? Aber sicher doch: Allerdings sind dem Wahlprogramm zur Bundestagswahl eher konkrete Maßnahmen zur Kriminaltätsbekämpfung zu entnehmen, als Pläne für die Justiz in personeller Hinsicht.

Die Linke fordert das “bundesweite Verbandsklagerecht” und die “Einführung eine*r unabhängigen Bundestierschutzbeauftragte*n” innerhalb des Justizministeriums. Außerdem äußert sich die Partei positiv zur Einfürung eines eigenständigen, sogenanten Unternehmensstrafrechts: “Die Strafverfolgung muss verbessert werden. Ohne ein Strafrecht für Unternehmen kommen die großen Banken in Beihilfeverfahren oft glimpflich davon. Wir brauchen ein solches Unternehmens-strafrecht, um nicht nur einzelne Personen, sondern große Konzerne zur Verantwortung zu ziehen. Das erfordert wirksame Sanktionen und Verschärfungen im Kreditwesen-gesetz, um Banken bei wiederholter Beihilfe zu Straftaten die Lizenz zu entziehen.”

FDP: Wahlprogramm der Freien Demokraten

Die FDP war bereits mehrmals als kleiner Koalitionspartner an der Regierung beteiligt. Sie versteht sich als liberale Partei, die sich selbst im Bereich mitte-rechts einordnet. Der Parteivorsitzende Christian Lindner zeigt sich gerne in schwarz-weiß. Ob die Pläne der Liberalen für die Justiz genauso eindeutig sind? In ihrem Wahlprogramm setzt sich die Freie Demokratische Partei für einen “handlungsfähigen Rechtsstaat” ein. Dabei geht es der FDP aber wohl hauptsächlich um die Kriminalitätsbekämpfung.

“Extremismus und Terrorismus sind eine Bedrohung für unsere Demokratie und unsere offene und freie Gesellschaft. Der Rechtsstaat muss daher besser organisiert sein als das Verbrechen. Wir brauchen einen handlungs- und durchsetzungsstarken Rechtsstaat, der Sicherheit und Freiheit gleichermaßen gewährleistet. Dazu wollen wir Freie Demokraten Polizei und Justiz besser ausstatten, unsere Sicherheitsarchitektur erneuern und den Feinden des Rechtsstaats entschieden entgegentreten.”

Außerdem wollen die freiheitsliebenden Liberalen Polizei und Justiz entbürokratisieren: “Der Schutz der Privatsphäre ist ein Kernanliegen für uns Freie Demokraten. Statt immer weitergehender Überwachungsbefugnisse wollen wir Polizei und Justiz von unnötiger Bürokratie befreien sowie besser und moderner ausstatten. Sicherheit muss nicht zulasten der Grundrechte unbescholtener Bürgerin-nen und Bürger gehen.” Die FDP denkt bei der Justiz damit immer vom Ergebnis her.

AfD: Deutschland. Aber normal

Die selbsternannte “Alternative” für Deutschland sitzt seit 2017 im Bundestag. Mitglieder der rechtspopulistischen Partei fielen dabei häufig durch rassistische, homo- und transphobe sowie sexistische Äußerungen auf. Ob die Partei tatsächlich eine “Alternative” für die Justiz bietet?

Eher nicht: Die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm die “Entpolitisierung der Justiz”, was nur dann Sinn ergibt, wenn man davon ausgeht, dass die Justiz politisiert sei. Konkret heißt es im Wahlprogramm dazu: “Die AfD will die Einflussnahme der politischen Parteien auf die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten beenden […] Insbesondere die Verfassungsgerichte und Rechnungshöfe sind vor parteipolitischer Einwirkung zu schützen.”

Die AfD fordert außerdem eine härtere Strafjustiz. “Im Einzelnen wollen wir die Verfahren beschleunigen und dafür (a) die noch aus dem 19. Jahrhundert stammende Prozessordnung modernisieren, (b) mehr Personal für das Justizwesen einstellen, (c) Schwerkriminalität durch Erleichterung der Inhaftnahme wirkungsvoller bekämpfen, (d) weniger Strafen zur Bewährung aussetzen und (e) das Mindeststrafmaß bei ‘Messerdelikten’ erhöhen.” Den Straftatbestand des “Messerdelikts” konnten wir im StGB nicht finden. Uns wäre auch nicht bekannt, dass gerade die Anzahl der “Messerdelikte” in den letzten Jahren besonders angestiegen wäre. Und falls es die AfD noch nicht mitbekommen hat: Härtere Strafen führen nicht zu weniger Kriminalität.

-Werbung-
Redaktion
Redaktion
JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

Ähnliche Artikel

Social Media

10,950FollowerFolgen
3,146FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel