Zehn berühmte (berüchtigte) Juristinnen aus aller Welt (Teil 3)

In diesem Dreiteiler dreht sich alles um berühmte, historische Juristinnen. Während in Teil 1 und 2 jeweils deutsche Anwältinnen, Richterinnen und Juristinnen beleuchtet wurden, werfen wir im dritten Teil einen Blick über unsere Grenzen hinaus. Wie sieht es in anderen Ländern mit Frauen in der Justiz aus? Welche historischen Juristinnen aus Kanada, Südafrika, China, den USA, Australien, Panama, Indien, Japan und Russland sollte man kennen?

Bertha Wilson – Erste Richterin am Supreme Court of Canada

Bertha Wilson wurde als Bertha Wernham am 18. September 1923 in Schottland geboren. Nachdem sie 1944 ihren Master of Arts in Philosophie an der Aberdeen Universität ablegte, emigrierte sie 1949 mit ihrem Ehemann – einem Pfarrer – nach Kanada. 1953 entschloss sie sich an der staatlichen Dalhousie Universität in Halifax Jura zu studieren. 1958 begann sie für die bekannte Kanzlei Osler, Hoskin & Harcourt LLP in Toronto zu arbeiten, wo sie als erste Frau zur Associate aufstieg.

Bertha Wilson war die erste Frau, die 1975 an das Berufungsgericht in Ontario berufen wurde. Im März 1982 wurde sie auf Vorschlag von Pierre Trudeau als erste Frau zur Richterin am Obersten Gerichtshof von Kanada ernannt. Als Supreme Court Richterin setzte sie sich unter anderem für das Recht der Frau auf eine Abtreibung ein.

„Die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch ist im Wesentlichen eine moralische Entscheidung, eine Gewissensfrage. Die Frage ist: wessen Gewissen? Ist das Gewissen der Frau ausschlaggebend oder das Gewissen des Staates? Ich bin der Meinung, dass in einer freien und demokratischen Gesellschaft das Gewissen des Individuums maßgeblich sein muss.“

Navi Pillay – Eine Südafrikanerin am Internationalen Strafgerichtshof

Navanethem Pillay wurde am 23. September 1942 in Durban geboren. Sie stammt aus einem tamilischen Elternhaus, das zur südafrikanischen Minderheitsgruppe gehört. Navi Pillay durfte zwar Jura an der Universität von Natal studieren, aber nur in einem für ihre ethnische Zugehörigkeit abgetrennten Gebäudeteil. Durch den Separate Universities Act von 1959 war sie gezwungen, ihren LL.B.-Studiengang am University College for Indians auf dem Marinestützpunkt Salisbury Island fortzusetzen. 1967 eröffnete Pillay als erste nichtweiße Frau in der Provinz Natal eine eigene Kanzlei, weil sie aufgrund ihrer Hautfarbe keine Anstellung als Anwältin bekam. Aufgrund ihres Engagements als Strafverteidigerin stand sie auf der Liste der Staatssicherheit. Trotzdem erlangte Navi Pillay 1982 einen Master-Abschluss der Harvard Law School (USA) und erhielt 1988 – als erste nichtweiße Südafrikanerin – den Doktor der Rechte.

1995 wurde sie – auch hier als erste und damals einzige Frau – als Richterin an den zur Aufarbeitung des Völkermords von 1994 neu eingerichteten Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (ICTR) abgeordnet. 2003 wurde sie Richterin der Berufungskammer am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. 2008 wurde Navi Pillay zur Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) ernannt.

Tcheng Yu-hsiu – Erste Anwältin und Richterin in China

Tcheng Yu-hsiu wurde am 20. März 1891 in der Provinz Henan in China geboren. Nachdem sie sich weigerte, den von ihren Eltern ausgewählten Mann zu heiraten, wurde sie von ihrer Familie in eine Missionsschule geschickt, wo sie Englisch lernte. 1912 lernte sie den Revolutionär Li Shizeng kennen und schrieb sich an einer der ersten koedukativ Schulen in China ein, um später nach Frankreich auszuwandern. 1914 ließ sie sich in Paris nieder, wo sie als Attaché der chinesischen Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz arbeitete. Nach dem ersten Weltkrieg lernte sie den Rechtsanwalt Wei Tao-ming kennen und heiratete ihn. Sie promovierte 1926 an der juristischen Fakultät in Paris und kehrte nach China zurück.

Gemeinsam mit ihrem Mann eröffnete sie eine Anwaltskanzlei in Shanghai und wurde später die erste Richterin an einem französischen Konzessionsgericht. In dieser Rolle setzte sie sich unter anderem für die Rechte der Frau in der Ehe ein. Am 16. Dezember 1959 starb Tcheng Yu-hsiu in Los Angeles an Krebs.

Jane Bolin – Erste schwarze Absolventin der Yale Law School

Jane Bolin wurde am 11. April 1908 im US-Bundesstaat New York geboren. Ihr Vater war der erste schwarze Absolvent des Williams College und arbeitete als Anwalt. Mit 16 Jahren schrieb sich Jane Bolin im privaten Wellesley College in Massachusetts ein, wo sie eine von zwei schwarzen Studentinnen war und zu den 20 besten Absolventinnen ihres Jahrgangs gehörte. Trotz aller Widerstände bewarb sie sich 1928 an der Yale Law School, wo sie als erste schwarze Studentin und eine von drei Frauen angenommen wurde. Sie war die erste schwarze Frau, die 1931 in Yale einen Abschluss in Rechtswissenschaften erhielt und 1932 die Anwaltsprüfung des Staates New York bestand.

1933 heiratete sie den Rechtsanwalt Ralph E. Mizelle, mit dem sie gemeinsam in New York City als Anwältin tätig war. 1939 ernannte der Bürgermeister von New York City die damals 31-jährige zur Richterin am Domestic Relations Court. Sie war zwanzig Jahre lang die einzige schwarze Richterin im Land. Jane Bolin starb am 8. Januar 2007 im Alter von 98 Jahren.

Roma Mitchell – Erste Richterin in Australien

Roma Mitchell wurde am 2. Oktober 1913 in Adelaide geboren. Ihr Großvater, Samuel James Mitchell, war der erste Oberste Richter des Northern Territory. Roma Mitchell studierte Rechtswissenschaft an der Adelaide Universität und wurde 1935 als Anwältin zugelassen. Im Jahr 1962 wurde sie als erste Frau in der Geschichte Australiens zur Kronanwältin (Queen’s Counsel) ernannt. Neben ihrer Tätigkeit als Anwältin war Mitchell Dozentin für Familienrecht an der Universität von Adelaide.

1965 wurde sie als Richterin an den Obersten Gerichtshofs von South Australia berufen und wirkte dort bis 1983. Damit war sie die erste Richterin an einem Obersten Gericht eines australischen Bundesstaates. 1991 wurde sie schließlich die erste Gouverneurin von South Australia und bekleidete dieses Amt fünf Jahre lang. Mitchell gilt als Pionierin der australischen Frauenrechtsbewegung. Sie verstarb am 5. März 2000.

Jekaterina Fleischitz – Russlands erste Strafverteidigerin

Jekaterina Fleischitz wurde am 28. Januar 1888 in Krementschuk als Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts geboren. Nach dem Besuch eines Gymnasiums legte sie 1907 an der juristischen Fakultät der Pariser Sorbonne ein Prädikatsexamen ab. Von 1911 bis 1913 war Fleischitz mit dem Rechtsanwalt Emmanuil Abramowitsch Dubossarskij verheiratet, der 1920 als „Kadett“ durch Bolschewiki erschossen wurde. Nach der Ablegung ihrer Magister-Examen wurde Jekaterina Fleischitz 1917 Privatdozentin an der Sankt Petersburger Universität. 1937 erhielt sie den Doktor der Rechte und habilitierte 1939 zum Thema Höchstpersönliche Rechte im Zivilrecht der Sowjetunion und der kapitalistischen Länder. Sie gilt als Hauptverfasserin des Zivilgesetzbuches der Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) von 1964. Ihr einziger Sohn wuchs bei ihrer Schwester in Frankreich auf. Jekaterina Fleischitz verstarb am 30. Juni 1968 in Moskau.

Sandra Day O’Connor – Erste Richterin am US Supreme Court

Sandra Day O’Connor wurde am 26. März 1930 in El Paso (Texas) als Tochter eines Ranchers geboren und wuchs auf der Ranch der Familie in Arizona auf. Nach einem Bachelor-Abschluss in Wirtschaft an der Stanford Universität machte sie ihren Bachelor in Rechtswissenschaften an der Stanford Law School, wo sie auch ihren späteren Ehemann John Jay O’Connor III kennenlernte. Trotz eines hervorragenden Abschlusses fand sie keine Anstellung und arbeitete drei Jahre lang für die Army in Frankfurt a.M. In den 60ern wurden die drei Söhne des Ehepaares geboren und Sandra Day O’Connor begann, sich für die Republikanische Partei zu engagieren.

1974 wurde Sandra Day O’Connor in das Oberste Gericht von Maricopa County (Arizona) gewählt. 1981 schlug Ronald Reagan sie für den Supreme Court vor. Am 21. September bestätigte der Senat sie mit 99:0 Stimmen und am 25. September 1981 wurde Sandra Day O’Connor vereidigt. Sie war damit die erste Frau in dieser Funktion. Die nächste Ernennung einer Frau erfolgte 1993 mit Ruth Bader Ginsburg.

2005 schied Sandra Day O’Connor freiwillig aus dem Supreme Court aus, arbeitete aber weiterhin als Richterin an einem Berufungsgericht. Am 12. August 2009 erhielt sie von Präsident Barack Obama die höchste zivile Auszeichnung der USA, die Presidential Medal of Freedom.

Clara González – Erste Jugendrichterin in Panama

Clara González wurde am 11. September 1898 in Panama geboren, lebte als Kind jedoch mit ihrer Familie einige Jahre im Exil in Costa Rica. 1918 erwarb sie einen Lehrerabschluss und studierte ab 1919 Jura an der Escuela Nacional de Derecho (Nationale Rechtsschule). 1922 erwarb sie als erste panamaische Frau einen Bachelor of Law, durfte jedoch als Frau nicht praktizieren. Mit einem Stipendium studierte sie von 1928 bis 1929 an der New York University Jura, wo sie 1929 als erste lateinamerikanische Frau einen Master of Law erhielt. 1930 kehrte sie nach Panama zurück und lehrte als Professorin am Nationalen Institut für Wirtschaft, Politikwissenschaft und Soziologie. 1944 gründete sie die Unión Nacional de Mujeres (Nationale Frauenpartei) und wurde 1945 als Abgeordnete der Liberale Erneuerungspartei in die panamaische Verfassungsversammlung gewählt. Von 1945 bis 1946 war sie stellvertretende Ministerin für Arbeit, Soziales und öffentliche Gesundheit in der liberalen Regierung von Enrique Adolfo Jiménez Brin. Im Februar 1951 wurde sie als erste Frau zur Jugendrichterin ernannt, einen Beruf den sie bis zu ihrer Pensionierung 1964 ausübte. Clara González verstarb am 10. Februar 1990 in Panama-Stadt.

Anna Chandy – Indiens Superwoman

Anna Chandy wurde am 5. April 1905 im damaligen Königreich Travancore (Indien) geboren. Nachdem sie 1926 ein Postgraduiertenstudium abgeschlossen hatte, erwarb sie als erste Frau ihres Landes einen Abschluss in Rechtswissenschaften. Ab 1929 praktizierte sie als Anwältin und setzte sich gleichzeitig für die Rechte der Frauen ein, weswegen sie auch als „Feministin der ersten Generation“ bezeichnet wird.

Anna Chandy kandidierte 1931 erfolgreich für die Shree Mulam Popular Assembly, die erste vom Volk gewählte Legislative in der Geschichte Indiens. Im Jahr 1937 wurde Anna Chandy zur ersten weibliche Richterin in Indien ernannt und wurde 1948 sogar Bezirksrichterin. Als sie am 9. Februar 1959 an den Kerala High Court berufen wurde, war sie die erste Richterin an einem indischen Obergericht. Dieses Amt hatte sie bis 1967 inne. Nach ihrer Pensionierung war Anna Chandy Mitglied der Law Commission of India. Sie starb am 20. Juli 1996 in Kerala.

Masako Tanaka – Eine der drei ersten Juristinnen Japans

Masako Tanaka wurde am 1. Dezember 1910 in Tokyo geboren. Als Quereinsteigerin begann Tanaka ein Studium an der juristischen Fakultät der Nihon-Universität (1931-1934) und studierte ab 1935 an der Meiji-Universität ebenfalls Rechtswissenschaften. 1938 bestand sie das schriftliche Examen, fiel aber in der mündlichen Prüfung durch. Ein Jahr später gehörte sie neben Yoshiko Mibuchi und Ai Kume zu einer der drei ersten Frauen, welche das Juraexamen bestanden. Alle drei wurden nach einem achtzehnmonatigen Praktikum im Jahr 1940 Volljuristinnen. 1950 eröffnete Masako Tanaka ihre eigene Kanzlei in Tottori. 1969 wurde sie die erste weibliche Präsidentin der Anwaltskammer von Tottori und später Direktorin der Japan Federation of Bar Associations. Masako Tanaka setzte sich für die Gleichstellung von Frauen ein und war Mitglied des Ausschusses für Chancengleichheit in Tottori. Sie starb am 15. Oktober 2002 im Alter von 91 Jahren.


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