Prüfungsrücktritt drei Wochen nach der Prüfung? So nicht!

Kann ein Prüfling auch noch nach mehr als drei Wochen nach der eigentlichen Prüfung von dieser zurücktreten? Diese Frage hatte das OVG Lüneburg Mitte des Jahres im Fall einer Medizinstudentin zu entscheiden.

Nachdem die junge Frau, eine Studentin im Studiengang der Humanmedizin, bereits im Erstversuch sowie in ihrer ersten Wiederholungsprüfung scheiterte, unternahm sie am 29. Januar 2021 den erneuten Versuch, die Prüfung im Kurs der mikroskopischen Anatomie (Teil 1) zu bestehen. Auch durch diese zweite Wiederholungsprüfung fiel sie allerdings durch. Der Studiendekanat erhielt daraufhin am 23. Februar 2021 ein Schreiben der Medizinstudentin, in dem sie eine ärztliche Bescheinigung (ausgestellt bereits am 01. Februar 2021) vorlegte und beantragte, den letzten Prüfungsversuch nicht zu werten. Dies begründete sie mit ihrem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Gesundheitszustand. Es habe ein Fall der „persönlichen Härte“ vorgelegen. Zudem habe sie während der Prüfung an einem „Blackout“ gelitten. Die Universität sah in diesem Schreiben einen Widerspruch gegen die Prüfungsentscheidung und wies diesen zurück.

Die gescheiterte Medizinstudentin begehrte schließlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgerichts Göttingen, die Universität dazu zu verpflichten, sie vorläufig erneut zu einer Wiederholungsprüfung zuzulassen. 

Die Entscheidung des Gerichts fiel jedoch zuungunsten der jungen Frau aus. Das VG Göttingen sah vorliegend nicht, dass die Medizinstudentin rechtzeitig die Prüfungsunfähigkeit geltend gemacht habe. Dagegen legte die Frau Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Lüneburg ein. Dieses bestätigte jedoch die Entscheidung der Vorinstanz.

Maßgeblich: Rechtzeitigkeit der Rücktrittserklärung

Laut OVG Lüneburg hätte die Studentin bereits während der Prüfung erkennen können, dass sie prüfungsunfähig sei. Daraufhin hätte sie diese abbrechen müssen oder jedenfalls am Ende der Prüfung noch am gleichen Tag einen Vorbehalt äußern müssen.

Selbst wenn man jedoch davon ausginge, die Antragstellerin habe ihre Prüfungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht erkannt, so hätte sie spätestens nach Erhalt der ärztlichen Bescheinigung am 01. Februar 2021 von dieser Kenntnis gehabt und den Prüfungsrücktritt erklären müssen.

Dabei sei aber insbesondere “prüfungstypischer” Stress keine Erkrankung, die einen Abbruch der Prüfung rechtfertigen würden. Denn: “Zu den Erfolgsvoraussetzungen einer jeden Prüfung gehört gerade die Fähigkeit, auch dann die abgeforderte Leistung zu erbringen, wenn die aktuelle Tagesform schlecht ist. Daher gehören Prüfungsstress und Examensängste im Allgemeinen zum Risikobereich des Prüflings, zumal sie oft nicht hinreichend zuverlässig messbar sind. Abgesehen von außergewöhnlichen psychischen Belastungen im Einzelfall, die ihre Ursache etwa in einer von dem Prüfling nicht bewältigten chronischen Überlastungssituation mit psychosomatischer Reaktionsbildung hat, sind die mit einer Prüfungssituation typischerweise verbundenen Anspannungen und Belastungen, die zu Konzentrationsstörungen führen, von den Prüflingen hinzunehmen und nicht als prüfungsrelevantes Defizit der persönlichen Leistungsfähigkeit zu bewerten.”

Gewünschtes vorheriges Gespräch mit dem Veranstaltungsleiter ändert hieran nichts

Dabei konnte sich die Antragstellerin auch nicht darauf berufen, sie habe erst mit dem Veranstaltungsleiter sprechen wollen. Diesbezüglich erklärte das Gericht: „Von jedem Prüfling, der erkennbar unter Gesundheitsstörungen während der Prüfung leidet und daher den Prüfungsversuch nachträglich annulliert wissen möchte, kann verlangt werden, dass er die entsprechenden Konsequenzen zieht, indem er eindeutig erklärt, er trete von der Prüfung zurück, und zwar unverzüglich, sobald es ihm nach Lage der Dinge zumutbar ist.“

Dieses Vorgehen sei jedem Prüfling bekannt. Einen ausdrücklichen Hinweis durch die Prüfungsbehörde oder den Lehrkörper hierauf bedürfe es nicht. Eine solche Informationspflicht sei nur in seltenen Ausnahmefällen gegeben. Ein solcher lag im Fall der Antragstellerin allerdings nicht vor.


Erste Instanz: VG Göttingen, Beschl. v. 2. Juni 2021, Az. 4 B 96/21
Zweite Instanz: OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.07.2021, Az. 2 ME 121/21

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