“Feminismus, ihr Fotzen” und “Nazis töten” – Wahlplakate von Satirepartei zulässig

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Das Verwaltungsgericht Chemnitz musste sich im Bundestagswahlkampf 2021 gleich mehrmals mit der Zulässigkeit von Wahlplakaten auseinandersetzen. Einmal ging es um Plakate der rechtsradikalen Partei “Der III. Weg”. Im anderen Fall urteilte das Gericht über Plakate der Satirepartei “Die PARTEI”. Dabei entschied das VG Chemnitz nicht immer so, dass es alle Bürger:innen nachvollziehen konnten.

Aber von Vorne: Die rechtsradikale Partei “Der III. Weg” hatte im Rahmen des Bundestagswahlkampfes in Zwickau grüne Wahkplakate mit dem Slogan “HÄNGT DIE GRÜNEN!” aufgehängt. In deutlich kleineren Buchstaben befand sich darunter folgender Satz: “Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt” und die Aufforderung: “Wählt Deutsch!” Die Stadt Zwickau forderte die Partei “Der III. Weg” auf, die Wahlplakate zu entfernen. Zur Begründung hieß es, der Slogan stelle einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung und die Menschenwürde dar. Gemäß § 118 OWiG handle ordnungswidrig, wer eine grob ungehörige Handlung vornehme, die geeignet sei, die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen. Und: Nach § 111 I StGB mache sich wie ein Anstifter strafbar, wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften zu einer rechtswidrigen Tat auffordere. Außerdem stünde eine Strafbarkeit nach § 130 I Nr. 2 StGB im Raum, weil Grünen-Mitgliedern ihr Lebensrecht abgesprochen werde.

Dagegen legte die rechtsradikale Partei Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz ein. Die Partei “Der III. Weg” fühlte sich in ihrem Grundrechten auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG und in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am Wahlkampf gem. Art. 21, Art. 3 I, III GG verletzt.

Nazi-Plakate müssen 100m von Grünen-Plakaten entfernt sein

Das Verwaltungsgericht Chemnitz fällte daraufhin eine höchst umstrittene Entscheidung. Die Richter:innen entschieden, dass die Plakate bleiben dürfen. Allerdings nur im Abstand von 100m zu Wahlplakaten von Bündnis90/DIE GRÜNEN. Die Wahlplakate unterfielen der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG. Nach einer summarischen Prüfung sei offen, ob die strengen Voraussetzungen für einen Eingriff in die Meinungsfreiheit vorlägen. Dabei legte das Gericht die Slogans auf den Wahlplakaten nach ihrem Wortlaut aus und kam zu dem überraschenden Ergebnis: “Rein inhaltlich kann insoweit dem Plakat entnommen werden, dass sich die Aufforderung “HÄNGT DIE GRÜNEN!” auf das Aufhängen der die grüne Farbe tragende Plakate der Antragstellerin bezieht.” Wie bitte? Im Kontext des Bundestagwahlkampfes kann der Slogan unserer Meinung nach nur so gedeutet werden, dass zum Hängen – also Töten – von Menschen aufgefordert wird, die der Partei Bündnis90/Die GRÜNEN angehören oder diese wählen.

Weiter führt das Gericht aus: “Ob, wie von der Antragsgegnerin angenommen, ein Angriff auf die Menschenwürde von Mitgliedern und Anhängern der Partei Bündnis90/Die Grünen gegeben ist, hängt maßgeblich davon ab, ob die in deutlich kleineren Lettern auf dem Plakat gedruckte Aussage vom Betrachter bzw. Leser tatsächlich gelesen bzw. wahrgenommen wird. Das Gericht erachtet es daher – auf Grundlage einer Interessenabwägung – für angemessen, dass die Plakate der Antragstellerin in einem Mindestabstand von 100 m von Plakaten, die von Bündnis 90/ Die Grünen aufgehängt worden sind, aufgehängt bzw. angebracht werden. Hierdurch ist in hinreichendem Maße gewährleistet, dass die Plakate, die räumlich losgelöst von der Wahlwerbung der Partei Bündnis90/ Die Grünen aufgehängt sind, vollständig gelesen und inhaltlich wahrgenommen werden. Insofern das kommunikative Anliegen der Antragstellerin nach eigenem Bekunden darin besteht, den Leser zum Plakatieren ihrer eigenen Plakate aufzufordern, ist insoweit auch eine (relevante) Beeinträchtigung ihres Anliegens durch diese Maßgabe nicht erkennbar.”

Auch spannend: Das Landgericht München I hat die “Hängt die Grünen!” Plakate der Partei “Der III. Weg” vorläufig verboten. Denn die Aussage “zu hängen” werde laut Richter:innen üblicherweise so verstanden “jemanden aufzuhängen”, also sie oder ihn zu töten. In diesem Fall die gegnerische Partei der Grünen (LG München I, Beschl. v. 17.09.2021, Az. 25 O 12449/21).

Update: Das sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen hat inzwischen auch für Sachsen entschieden, dass die Plakate abgehängt werden müssen. Denn das Motiv erfülle “den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung” (OVG Bautzen, Beschl. v. 21.09.2021, Az. 6 B 360/21).

Update: Wegen der Wahlplakate mit dem Slogan “Hängt die Grünen” hat das Amtsgericht Zwickau einen Funktionär der rechtsextremen Kleinstpartei “Der III. Weg” inzwischen wegen Volksverhetzung verurteilt (Ag Zwickau, Urt. v. 24.03.2023, Az. 26 Ds 120 Js 21865/21).

“Feminismus, ihr Fotzen”

Deutlich lustiger und unterhaltsamer wird es jedoch, wenn man sich die Entscheidung rund um die Wahlplakate der Satirepartei “Die PARTEI” ansieht. Die Stadt Plauen hatte angeordnet, dass die Wahlplakate der Partei mit dem Aufdruck “Nazis töten.” bzw. “Feminismus, ihr Fotzen” abgehängt werden müssten. Dagegen wehrte sich die Satirepartei ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz und hatte Erfolg. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Plakatinhalte keinen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit, insbesondere auch nicht gegen Strafvorschriften (§§ 111, 185 StGB) darstellten.

Bei den Sprüchen auf den Wahlplakaten handele es sich um Werturteile, die in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG fielen. Gerade im Wahlkampf dürften sich Parteien “selbst in überspitzter und polemischer Form kritisch äußern”.

Der große Unterschied besteht unserer Meinung nach auch darin, dass bei einer Satirepartei auf den ersten Blick zu erkennen ist, dass diese nicht wirklich zu einer Straftat aufrufen möchte. Bei einer rechtsradikalen Partei ist das im Gegensatz dazu nicht so eindeutig. Die Formulierung “Nazis töten.” ist außerdem doppeldeutig und kann auch so verstanden werden, dass rechtsradikale Politik zu Todesopfern führt. Beispielsweise im Rahmen von rassistisch motivierten Angriffen auf Flüchtlinge oder durch antisemitische Hetze.

Die Grünen in Zwickau haben auf die Entscheidung des VG Chemnitz inzwischen übrigens ganz souverän reagiert. Sie ließen Plakate mit dem Slogan “DIESES PLAKAT HÄLT DIE UMLIEGENDEN 100M NAZIFREI” und “Gern geschehen.” drucken. Chapeau!


Entscheidung: VG Chemnitz, Beschl. v. 13.09.2021, Az. 7 L 393/21
Entscheidung: VG Chemnitz, Beschl. v. 16.09.2021, Az. 7 L 395/21

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