Der Ku’damm Rolex-Dieb im JURios Interview: Die Haft (Teil 3)

In der Nacht auf den 6. Juni 2016 kam es zu einem der spektakulärsten Millionen-Coups in der Geschichte Berlins. Gegen Mitternacht drangen mehrere Männer in die Rolex-Boutique am Kurfürstendamm ein und entwendeten aus dem Tresor mehr als 400 Luxusuhren im Wert von 8 Millionen Euro. In Teil 1 unserer dreiteiligen Artikelserie haben wir den Tathergang bis zur Verhaftung eines der Täters – Herrn B. – skizziert. In Teil 2 ging es um seinen Strafprozess. In diesem 3. Teil der Artikelserie spricht Herr B. im Interview mit JURios exklusiv über seine Zeit in der Justizvollzugsanstalt.

Mangels Fluchtgefahr durfte Herr B. den Gerichtssaal nach der Urteilsverkündung am 15. Dezember 2016 auf freiem Fuß verlassen. Er verzichtete auf die Einlegung eines Rechtsmittels, sodass das Urteil Anfang 2017 rechtskräftig wurde. Die nächsten Monate wartete Herr B. auf einen Brief zum Haftantritt. Dieser erreichte ihn im Mai 2017. Herr B. wurde in einer Einrichtung des Offenen Vollzugs in Berlin vorstellig und trat seine vierjährige Freiheitsstrafe am 6. Juni 2017, also exakt ein Jahr nach der Tat, an.

JURios: Zwischen deinem Prozess und dem Haftantritt lagen mehrere Monate, in denen du auf freiem Fuß warst. Wie hast du die Zeit genutzt?

Herr B.: Da man ja nicht genau weiß, wann es losgeht, habe ich mich um eine Arbeitsstelle gekümmert. Ansonsten habe ich noch zwei kleine Städtetrips gemacht. Die Vorbereitung auf die bevorstehende Zeit, egal ob organisatorisch oder mental, hat die Zeit dann recht schnell verstreichen lassen.

Glück im Unglück: Haft im Offenen Vollzug

Herr B. wurde auf Grund seiner Persönlichkeit uns seiner Tat gem. § 16 StVollzG Berlin im sogenannten Offenen Vollzug untergebracht. Dies ist immer dann möglich, wenn die Gefangenen „dessen besonderen Anforderungen genügen, insbesondere nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.“ Offener Vollzug bedeutet im Gegensatz zum geschlossenen Vollzug, dass die Gefangenen die Justizvollzugsanstalt tagsüber zum Arbeiten verlassen dürfen. Ein Einschluss erfolgt nur über Nacht.

JURios: Wie haben sich die ersten Tage in Haft angefühlt? Wurde das Gefühl mit der Zeit irgendwann besser? Also gewöhnt man sich an die Inhaftierung?

Herr B.: Es war ein komplett fremdes Gefühl und ich konnte mich nicht damit anfreunden, die nächsten 3 1/2 Jahre dort zu verbringen. Ich würde nicht sagen, dass man sich daran gewöhnt, sondern dass man mit der Zeit lernt, sich besser mit der Situation zu arrangieren.

JURios: Du hattest das „Glück”, direkt im offenen Vollzug untergebracht zu werden. Das heißt, du durftest das Gefängnis tagsüber zum Arbeiten verlassen. Wie sah dein typischer Tag im offenen Vollzug aus? Was hast du gearbeitet?

Herr B.: Das erste halbe Jahr durfte ich noch nicht raus. Da sah mein Tag wie folgt aus: Um 06:00 Uhr aufstehen. Arbeitszeit war von 06:45 bis 15:00 Uhr. Anschließend hat man bis 22 Uhr Freizeit. Ich habe mir die Zeit vertrieben mit Lesen, Sport, Hofgänge, Kartenspiele oder habe einfach mit anderen Insassen Zeit verbracht.

Irgendwann ging es dann für mich nach draußen und wurde “Freigänger” mit einer Beschäftigung außerhalb der JVA. Ich habe in einen Start-Up im Telefonverkauf angefangen. Es war ein super Team, die Mehrheit hat mich offen und unvoreingenommen empfangen und wir hatten eine echt schöne und lustige Zeit. Dort war ich auch bis zu meiner zweiten Verhaftung.

JURios: Auf Grund eines illegalen Straßenverkehrsrennens während deines Langzeitausgangs wurdest du später in den geschlossenen Vollzug verlegt. Wie sah dein Alltag dort aus?

Herr B.: Leider habe ich nach eineinhalb Jahren im offenen Vollzug einen großen Fehler begangen und wurde verlegt. Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, dass die Problematik, die ich habe, tiefgehender sitzt. Erst mit Hilfe von Außen konnte ich die Dinge, die damals passiert sind, reflektieren. Nach wie vor arbeite ich an mir, um alles daran zu setzen, nie wieder in so eine Situation zu gelangen.

Die Weckzeit von 06:00 Uhr gilt auch im geschlossenen Vollzug. Bis zum Nachmittag sitzt man auf seiner Zelle. Mit Beginn einer neuen Arbeit, die von 06:45 Uhr bis 14:45 Uhr geht, hat man ein paar Stunden “Auszeit” und Abwechslung im Alltag. Feste Alltagsroutine ist dann noch die tägliche Zählung, was einen Einschluss von einer Stunde beinhaltet. Nachtverschluss ist um 21 Uhr.

Im Gefängnis Kuchen backen gelernt

JURios: Hast du in Haft Kalender geführt oder Tagebuch geschrieben? Was hast du getan, um dich abzulenken und zu beschäftigen?

Herr B.: Ich habe eine Zeit lang einen Kalender geführt. So hat man etwas Gefühl für die Zeit bekommen. Durch einen anderen Insassen bin ich zum Backen gekommen. Ich muss dazu sagen, vorher habe ich nicht einmal eine Fertigbackmischung angerührt. Ich habe schnell Spaß daran gefunden und ein großer Teil von meinem monatlichen Einkauf ging für Backsachen drauf. Netter Nebeneffekt war natürlich auch die so entstandene Nervennahrung für mich und die anderen Insassen.

Sport hat auch eine sehr wichtige Rolle für mich gespielt, um mich körperlich auszupowern. Ich wollte auf keinen Fall mit Drogen versuchen, den Kopf freizubekommen (geschätzt nehmen 80-90 % der Leute dort Drogen).

JURios: Was hat dir in der JVA am meisten gefehlt?

Herr B.: Gefehlt hat mir am meisten die Selbstbestimmtheit. Seinen Tag gestalten zu können, wie man es möchte, hat nach der Haft nochmal einen ganz anderen Stellenwert bei mir erhalten.

JURios: Mit dem Stigma des JVA-Aufenthalts einen Job zu finden, ist bestimmt schwer: Wie sieht deine Zukunft aus? Hast du Pläne?

Herr B.: Meine Zukunft soll auch im Sinne der Selbstbestimmung ablaufen. Ich habe bereits zu Schulzeiten immer von Selbständigkeit geträumt. Ich habe viele Monate an einem Projekt mit meiner neuen Leidenschaft Backen gearbeitet, wo es nur noch eine bürokratische Hürde gab. Derzeit gibt es keine Lösung, diese zu überwinden. Davon lasse ich mich aber nicht unterkriegen. Außerdem habe ich noch 2016 Entwürfe für eine eigene Marke erstellt. Dieses Projekt habe ich optimiert und auf den heutigen Stand gebracht. Es wird bald online gehen und ist für mich ein riesiger Schritt. Ich bin auf die neuen Herausforderungen gespannt und bin voller Vorfreude.

Die Produkte lasse ich in der JVA bedrucken, in Der ich einsaß. Solche Einnahmen kommen dort einem guten Zweck und vor allem den Inhaftierten zu Gute. Den weiteren Werdegang und den Launch kann man auf Instagram unter “@dreineun_berlin” nachverfolgen. Dort kann man auch noch weitere spannende Geschichten über mich und das Erlebte erfahren.


Wir danken Herrn B. für seine Bereitschaft, mit uns zu sprechen, und wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute.

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