Künstler erhält 70.000 € für eine Geld-Collage und gibt stattdessen leere Leinwand ab – Diebstahl?

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Kunst liegt bekanntlich im Auge des:der Betrachter:in. Ein bekannter Spruch im Internet lautet deswegen auch: “Ist das Kunst oder kann das weg?”. Aber kann auch das Behalten von Geld Kunst sein? Ein dänischer Künstler hat die Kunstszene mit dieser Frage ganz erheblich vorgeführt. Der Mann lieh sich von einem Museum rund 530.000 Kronen (etwa 70.000 €), um daraus ein Kunstwerk zu fertigen. Stattdessen behielt der Künstler das Geld aber für sich und gab zwei leere Leinwände ab.

Jens Haaning ist ein dänischer Konzeptkünstler. Der 56-Jährige ist in seinem Heimatland bereits durch mehrere aufsehenerregende Kunst-Aktionen aufgefallen. Für die Soundinstallation Turkish Jokes installierte er beispielsweise 1994 in einem Osloer Stadtviertel mit hohem türkischen Bevölkerungsanteil einen Lautsprecher, über den Witze auf türkisch übertragen wurden. Zwei Jahre später verlegte er für die Ausstellung Middelburg Summer die komplette Produktion einer Textilfabrik, inklusive Kantine und Büros in die Kunsthalle der Stadt Middleburg. Die Besucher:innen konnten den Angestellten während der Öffnungszeiten bei ihrer Arbeit zusehen.

Im Jahr 2021 lieh sich Haaning vom KUNSTEN Museum of Modern Art Aalborg rund 530.000 Kronen. Daraus wollte er nach eigenen Angaben eine Collage erstellen. Das Museum, dem die verrückten Ideen des Künstlers natürlich bekannt waren, dachte sich Nichts dabei und übergab ihm das Geld. Doch als der Künstler sein Kunstwerk abgab, staunten die Museumsmitarbeiter:innen nicht schlecht. Statt einer Collage erhielten sie zwei leere, weiße Leinwände mit dem Titel Take the Money and Run.

Jedenfalls Vertragsbruch

“Er hat mein Kuratorenteam aufgewühlt, und er hat auch mich ein wenig aufgewühlt, aber ich habe auch gelacht, weil es wirklich humoristisch war”, sagte Lasse Andersson, Direktor des Museums in der Stadt Aalborg, gegenüber der BBC. Trotzdem ist der Direktor der Meinung, dass Haaning das Geld nach der Ausstellung zurückzahlen müsse. “Es ist das Geld des Museums und wir haben einen Vertrag, der besagt, dass wir das Geld am 16. Januar zurückbekommen.”

Haaning möchte das Geld jedoch für sich behalten. Er ist der Meinung, dass sein Kunstwerk darin bestünde, dass er das Geld weggenommen habe und betont: “Das ist kein Diebstahl. Es ist ein Vertragsbruch, und dieser Vertragsbruch ist Teil meiner Arbeit”. Mit der Aktion möchte der 56-Jährige nach eigenen Angaben auf die misserablen Arbeitsbedingungen in der Kunstbranche aufmerksam machen.

Rein juristisch könnte Haaning auch nach deutschem Recht mit dieser Einschätzung richtig liegen. Ein Diebstahl iSd. § 242 StGB setzt eine Wegnahme voraus. Dies wird definiert als “der Bruch fremden und Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen, Gewahrsams an einer Sache”. Hier hat das Museum dem Künstler das Geld aber freiwillig gegeben. Eine Wegnahme liegt deswegen nicht vor. Diskutiert werden könnte aber noch ein Trickdiebstahl in Abgenzung zum Betrug nach § 263 StGB. Denn der Künstler hat das Geld nur erhalten, weil er vorgetäuscht hat, daraus eine Collage zu fertigen. Sollte im Vertrag aber tatsächlich vereinbart worden sein, dass Haaning das Geld nach Ablauf einer bestimmten Zeit zurückgibt, hat das Museum aus ebenjenem Vertrag jedenfalls einen Rückzahlungsanspruch gegen den Künstler.

Banksy schreddert sein eigenes Gemälde

Haaning ist nicht der erste Künstler, der es schafft, mit einem Kunstwerk einen juristischen Problemfall zu schaffen. Großes Aufsehen erregte der bekannte Graffitti-Künstler Banksy im Jahr 2018. Sein Werk Girl with Balloon war bei Sotheby’s in London für den Rekordpreis von umgerechnet 1,2 Millionen Euro versteigert worden. Doch als der Hammer fiel, ging ein Aufschrei durch das Publikum. Denn vor den Augen der Auktionsteilnehmer:innen sorgte ein in den Rahmen des Bildes eingebauter Schredder dafür, dass sich das Bild teilweise selbst zerstörte. Doch die Schredder-Aktion führte nicht dazu, dass das Gemälde nun wertlos war. Im Gegenteil: Der Wert des Banksy-Kunstwerkes stieg durch die aufsehenerregende Aktion sogar noch. Eine Win-Win-Situation für den damaligen Käufer.

In der Jura-Szene weltweit wurde daraufhin diskutiert, wie die Aktion rechtlich einzuordnen sei. Strittig ist hierbei vor allem, ob das Werk durch das Zerschreddern mangelhaft iSd. § 434 BGB geworden ist – trotz der Wertsteigerung?! Nach der allgemeinen Definition liegt ein Mangel vor, “wenn eine negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs besteht.”

Gegen das Vorliegen eines Sachmangels spricht, dass das Bild in dem Original-Rahmen mit Schredder versteigert wurde. Dieser sollte gerade für den Fall, dass das Werk in einer Auktion versteigert wird, ausgelöst werden. Damit ist das Schreddern ein Teil des Kunstwerkes. Die Tatsache, dass der Künstler selbst dem Werk den neuen Titel Love is in the bin gegeben hat, spricht eher für das Vorliegen eines Sachmangels bzw. für die Übergabe eines Aliud. Denn Banksy selbst geht hier offensichtlich von einem “neuen” Werk aus. Im Ergebnis sind hier wohl – bis zu einer endgültigen juristischen Klärung – beide Ansichten vertretbar.


Fundstelle: https://kunstrechtblog.de/

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