BGH: Auch Jagd­hoch­sitze sind “Hütten” im Sinne des Strafgesetzbuches

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Gerade das Strafrecht ist geprägt von Tatbestandsmerkmalen und strikten Begriffsbestimmungen. Kurios wird es aber immer dann, wenn Gerichte versuchen, alltägliche Begriffe wie beispielsweise “die Hütte” zu definieren. Man sollte meinen, das sei keine größere Schwierigkeit. Das Gegenteil beweist jetzt jedoch ein BGH-Urteil. In diesem entschieden die Richter:innen aus Karlsruhe, dass auch Jagdhochsitze “Hütten” im Sinne des § 306 I StGB sein können. Wer hätte das gedacht?

Doch worauf beruht diese kuriose Entscheidung? Das Landgericht Lüneburg hatte einen Mann unter anderem wegen vorsätzlicher Brandstiftung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einer weiteren von drei Jahren verurteilt. Das Gericht war zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte mehrere hundert Kilo schwere, überdachte Jagdhochsitze angezündet hatte, die völlig oder teilweise ausbrannten. Das Kuriose? Die Motivation des Brandstifters! Der Mann hatte sich seit 1998 ohne Erfolg um die Aufnahme in die Jägerschaft an seinem Wohnort bemüht. In der Folge fühlte er sich aus der Jägergemeinschaft ausgegrenzt. Aufgrund der empfundenen Verletzung, Trauer und Wut über seine Abweisung beschloss er, sich an der Jägerschaft zu rächen.

Inbrandsetzen von Jagdhochsitzen aus Rache

Gegenstand der Revision war sodann die Beschaffenheit der 1,44 Quadratmeter großen Jagdhochsitze und deren Eignung als “Hütte” im Sinne des § 306 I Nr. 1 StGB. Das Landgericht Lüneburg hatte im vorliegenden Fall ein “Inbrandsetzen von Hütten” angenommen. Dagegen wehrte sich der Mann im Rahmen seiner Revision. Jedoch erfolglos. Die BGH-Richter:innen schlossen sich der Meinung der Vorinstanz an.

Der Begriff der Hütte im Sinne von § 306 I Nr. 1 StGB umfasse Bauwerke, bei denen an die Größe, Festigkeit und Dauerhaftigkeit geringere Anforderungen gestellt werden als bei Gebäuden, die aber dennoch ein selbstständiges, unbewegliches Ganzes bilden, das eine nicht völlig geringfügige Bodenfläche bedeckt und ausreichend abgeschlossen ist. Erforderlich sei eine hinreichende Erdverbundenheit und eine damit praktizierte Immobilität. Daran gemessen handelt es sich bei den vorliegend in Rede stehenden Jagdhochsitzen um unbewegliche Gebäude mit kleineren Abmessungen und damit um Hütten. Denn: “Ihnen ist gemein, dass sie über eine nicht völlig unbeachtliche Bodenfläche sowie über Begrenzungen nach oben durch ein Dach und nach allen Seiten durch Wände und Türen verfügen, so dass sie jeweils von zumindest zwei Personen betreten und zum Aufenthalt genutzt werden können. Darüber hinaus weisen sie eine hinreichende Erdverbundenheit auf, weil sie entweder mittels einer Verankerung oder auf Grund ihres erheblichen Eigengewichts fest mit dem Erdboden verbunden sind. Eine durch das Eigengewicht der Baulichkeit begründete Verbindung mit Grund und Boden genügt insoweit ebenso wie eine
über eine Stützkonstruktion – etwa durch Pfähle oder Pfosten – herge-
stellte Verbindung.”

Strafverteidiger:innen üben Kritik an der Entscheidung

Dr. Jonas Hennig und Franziska Mayer von HT Defensio, einer auf das Strafrecht spezialisierten Hamburger Kanzlei mit mehreren Standorten in Deutschland, haben den Angeklagten in diesem Fall verteidigt. Zum Urteil sagt Fachanwalt für Strafrecht Dr. Hennig gegenüber JURios Folgendes:

“Insgesamt haben wir ein gutes Ergebnis weit unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft erzielt. Es ist aber dennoch falsch Jagdhochsitze per se als Hütten im Sinne von § 306 einzuordnen. Eine Hütte wird als eine Art „Mini-Gebäude” definiert. Der Wortlaut legt nahe, dass echte Wände erforderlich sind. Dabei fehlt es jedenfalls bei seitlich offenen Hochsitzen. Zudem setzt der Hüttenbegriff Erdverbundenheit voraus. Daran fehlt es bei einer Leichtbauweise auf Pfählen, die für Hochsitze charakteristisch ist.”

Die Entscheidung eignet sich damit wunderbar, um in einer Klausur oder dem Examen die Definition der “Hütte” im Sinne der Brandstiftungsdelikte abzufragen und die Prüflinge zur eigenständigen Argumentation aufzufordern.


Fundstelle: BGH, Urt. v. 08.09.2021, Az. 6StR174/21

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