Keine zweite Geige – wie eine Postleitzahl einen versuchten Versicherungsbetrug aufdeckte

Es wurde eingebrochen. Fremde Menschen haben persönlichen Besitz durchwühlt und Dinge mitgenommen, die sie brauchen oder verscherbeln können. Das alleine ist für die meisten Menschen ein solcher Schock, dass sie zuerst nicht einmal an den materiellen Schaden denken, der ihnen verursacht wurde. Zum Glück gibt es dafür ja Einbruchsversicherungen, bei denen man jeden einzelnen gestohlenen Gegenstand angeben kann, sodass man dann zumindest finanziell entschädigt wird.

Dass versicherte Menschen auf die Idee kommen könnten, noch mehr anzugeben, als tatsächlich gestohlen wurde, ist kein großes Geheimnis. Expert:innen zufolge wird jährlich eine Summe von ca. vier Milliarden völlig zu Unrecht an Versicherungsnehmer:innen ausgezahlt. Doch was in diesem Fall geschah, der vor einem niederbayerischen Gericht verhandelt wurde, war mehr als nur „ein bisschen profitieren“ – und sogar ein bisschen witzig. Zumindest, wenn man nicht der angeblich Bestohlene ist. Fast wäre er auch noch damit durchgekommen – doch eine Postleitzahl hat ihn endgültig verraten …

Wohnungseinbruchsdiebstahl im Brennpunkt-Viertel

Doch von Anfang an. In einer Privatwohnung in einem Viertel, in dem eher weniger gut situierte Bürger:innen wohnen, wurde eingebrochen. Der Bewohner rief die Polizei, diese sicherte alle Spuren und nahm alle Informationen auf. Zwei Männer waren von einem Nachbarn beobachtet worden, wie sie Glas in der Nähe des Balkongriffs zertrümmerten und so in die Wohnung gelangten. Das Wohnungsinnere wurde völlig zerwühlt aufgefunden.

Der Bewohner war gegen Einbruchsdiebstahl versichert, und so wandte er sich an seine Versicherung und verlangte Ersatz für die (angeblich) gestohlenen Sachen. Dabei handelten es sich nach seiner Aussage um 500 € Bargeld sowie eine teure antike Geige – mit einem angeblichen Wert von 120.000 €. Da das Viertel, in dem der Einbruch geschah, eher als „Brennpunkt“ bekannt war und der Wert der Geige doch äußerst hoch ist, wurde die Sachbearbeiterin der Versicherung misstrauisch. Dazu kam, dass Einbrecher in der Regel sehr schnell agieren und nur Bargeld oder zumindest Dinge mitnehmen, die man einfach zu Geld machen kann, wie etwa Handys, Tablets, teuren Schmuck, falls vorhanden. Dass die Männer überhaupt in den Geigenkoffer im Schrank schauen und dann auch noch den Wert der Geige erkennen würden, war eher unwahrscheinlich. Dass sie den Aufwand und das Risiko auf sich nehmen würden, diese teure Geige dann entsprechendem Publikum zu präsentieren, wirkte auf sie fast ausgeschlossen.

Wertgutachten über gestohlene Geige

Der angeblich Bestohlene hatte ein Wertgutachten eines Geigenbauers beigefügt, das er schon 1989 – komischerweise in einer weit entfernten Stadt – anfertigen hatte lassen. Auf 1989 war es auch datiert. Dabei fiel der Sachbearbeiterin als erstes ins Auge, dass das Gutachten von Tipp- und Grammatikfehlern des „Experten“ durchzogen war. Bei diesem handelte es sich aber um einen hochangesehenen, gebildeten Mann, der bequemerweise schon Jahre vorher verstorben war und zur Sache “leider” nicht mehr befragt werden konnte. Deswegen wurde das Gutachten noch gründlicher unter die Lupe genommen.

Es war auch mit der Anschrift des Geigenbauers versehen, wobei eine fünfstellige Postleitzahl verwendet wurde. Diese wurden in Deutschland allerdings erst 1993 eingeführt. Der Mann musste also außer Geigenbauer und -gutachter wohl auch noch Legastheniker UND Hellseher sein, denn vier Jahre vor der Postleitzahlenreform war noch völlig unbekannt, welche Stadt einmal welche fünfstellige Postleitzahl erhalten würde. Dies war selbstverständlich nicht die Erklärung. Das Gutachten war gefälscht. Die Versicherung weigerte sich daher, zu zahlen. Ein kluger Betrüger hätte wohl seine Grenzen erkannt, aber der angeblich Bestohlene nahm sich einen Anwalt und verklagte die Versicherung auf Ersatz seiner 500 € Bargeld und der 120.000 € für die Geige. Auf den, in der Klageerwiderung von der Versicherung gebrachten Einwand mit der Postleitzahl, erwiderten Kläger und Klägervertreter nur, man wisse nicht wie das passieren konnte, aber man habe damit natürlich nichts zu tun.

Postleitzahl verrät Betrüger – sämtliche Ansprüche ausgeschlossen

Es kam also zur mündlichen Verhandlung. Dabei kam zudem heraus, dass der angeblich Bestohlene finanziell denkbar schlecht aufgestellt war. Er hatte schon eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und stotterte hohe Schulden in monatlichen Raten von ca. 190€ ab. Ferner konnte er überhaupt nicht Geige spielen. Dass er ein Instrument, das er nicht spielen konnte, trotz hoher Geldnot nicht schon vor Jahren zu Geld gemacht hätte, kam den Beteiligten auch seltsam vor. Er bat dann darum, einen Zeugen zu laden, der „beweisen“ sollte, dass er ihm schon einmal von seiner Geige erzählt hatte. Dies biss sich dann aber mit dem Protokoll der Polizist:innen, die am Tag des angeblichen Diebstahls gerufen wurden. Dabei hatte er nämlich wortwörtlich gesagt, er habe nie jemandem von seiner Geige erzählt. Ferner wendete die Beklagtenvertreterin ein, nur die Tatsache, dass er jemandem „von seiner Geige erzählt“ habe, beweise ja auch weder Besitz noch Diebstahl der Geige.

Nach einer kurzen Unterbrechung wurde die Verhandlung fortgesetzt, und der Kläger wollte nun eine Teilklagerücknahme bezüglich der Geige – die 500 € für das gestohlene Bargeld wollte er trotzdem haben. In Bezug auf die Geige äußerte er sich auf Anraten des Rechtsanwalts dann doch nicht mehr. Allerdings wendete die Anwältin der Versicherung zutreffenderweise ein, dass bei einem Versuch der Täuschung bei Antragstellung laut Versicherungsbedingungen sämtliche Ansprüche ausgeschlossen seien. Auch die begründeten. Hätte der Versicherungsnehmer also nur Bargeld angegeben, so wäre die Summe wohl ausgezahlt worden …

Und die Moral von der Geschicht: Geigen erfinden soll man nicht. (Und Versicherungsbetrug begehen übrigens auch nicht, versteht mich bloß nicht falsch!)

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