Versammlungsfreiheit schützt auch Provokation: Regenbogenflagge darf öffentlich zur Straßenreinigung verwendet werden

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Normalerweise freuen sich Jung und Alt über Regenbögen in allen Erscheinungsarten, Farben und Formen. Nicht so jedoch Gegner der LGBT+ Bewegung. Diesen ist die Regenbogenflagge als Zeichen der Toleranz gegenüber allen sexuellen Orientierungen ein Dorn im Auge. Nichtsdestotrotz darf die Regenbogenflagge öffentlich auch im negativen Kontext auf Versammlungen verwendet werden. So beispielsweise zur Reinigung des Straßenbelags. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen.

Die Idee, auf die ein Mann im vorliegenden Fall kam, um gegen eine tolerante und bunte Gesellschaft zu protestieren, ist bereits kurios: Er plante, im Sommer 2021 während einer Christopher Street Day Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer szenischen Darstellung mittels wasserlöslicher Straßenkreide einzelne Schlagworte, die nach seiner Auffassung im Zusammenhang mit der LGBT+ Bewegung stehen (wie z. B. „Frühsexualisierung“ oder „Gendersprache“), auf den Boden zu schreiben und diese sodann mit einer wassergetränkten Regenbogenfahne wegzuwischen. Die zuständige Versammlungsbehörde untersagte die Nutzung der Regenbogenfahne als Wischmopp.

Regenbogenfahne als Putzlumpen

Im Bescheid hieß es dazu: „Die Verwendung von Regenbogenfahnen (eine oder mehrere) als Hilfsmittel wird untersagt, soweit sie als Putzlumpen/Wischmopp/Aufnehmer/Putzlappen o. ä. zur Reinigung des Straßenbelags (szenische Darstellung eines ‚durch den Dreck ziehen‘) eingesetzt werden sollen. Ebenso dürfen Regenbogenfahnen nicht in sonstiger diffamierender Weise eingesetzt werden. Dazu gehört exemplarisch das Beschmutzen, Zerreißen, Verbrennen, Besudeln, Beschmieren, Überlaufen etc.“

Gegen diese Untersagung zog der Mann im Eilrechtsschutz vor das Verwaltungsgericht Arnsberg. Die Richter:innen gaben dem Antrag statt. Die geplante szenische Darstellung stelle keine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Hier zog das VG die bekannte Definition heran, die allen Jurastudierenden bekannt sein muss. Das Rechtsgut der Öffentlichen Sicherheit umfasst “den Schutz der Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, den Schutz der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie den Schutz des Bestandes des Staates und sonstiger Träger der öffentlichen Gewalt, ihrer Einrichtungen und Veranstaltungen”.

Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit weitreichend

Die beabsichtigte Verwendung der Regenbogenfahne sei zwar in erheblichem Maße provokativ und polemisch, so das Gericht. In dem geplanten Vorgehen könne aber nicht die Erzeugung eines Klimas der Gewaltdemonstration und potentieller Gewaltbereitschaft erkannt werden. Das Wischen eines (Straßen-)Bodens sei eine neutrale Handlung. Auch wenn die Verwendung der Regenbogenfahne auf eine Provokation der zeitgleich stattfindenden Standkundgebung des CSD und deren Teilnehmer:innen ziele, genüge eine solche Provokation nicht, um eine Gewaltbereitschaft des Antragstellers anzunehmen.

Die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG schütze auch eine provokante Form der Meinungsäußerung iSd. Art. 5 I GG. Eine Schmähung liege hier nicht vor. Denn der Antragsteller beschränke sich eben nicht auf eine bloße Verwendung der Regenbogenfahne als „Putzlappen“ und auf ein symbolisches „durch den Dreck ziehen“ Andersdenkender. Vielmehr werde durch die zunächst erfolgende Beschriftung des Bodens und das Vorzeigen des Schilds mit der Aufschrift „Die Regenbogenfahne zum Wohle der Kinder verwenden“ auch nach außen hin ausreichend deutlich, dass sich der Antragsteller thematisch mit der CSD-Versammlung auseinandersetzen wolle, sodass der gesamten Aktion nicht abgesprochen werden könne, dass sie vornehmlich der inhaltlichen Meinungskundgabe diene.

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Entscheidung des VG Arnsbach. Insbesondere könne die Behörde vor Ort Maßnahmen ergreifen, falls bei der Durchführung der „szenischen Darstellung“ die Diffamierung von Personen in den Vordergrund geraten sollte.


Entscheidung: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 04.09.2021, Az. 15 B 1450/21
Entscheidung: VG Arnsberg, Beschl v. 03.09.2021, Az. 6 L 792/21

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