Wer sich in der digitalen Jura-Welt ein kleines bisschen auskennt weiß, dass es fast keine Anwaltskanzlei ohne eigenen Internetauftritt mehr gibt. Denn Mandant:innen nutzen immer häufiger das Web, um eine passende Kanzlei zu finden. Viele Anwält:innen genügt jedoch ein statischer Internetauftritt schon lange nicht mehr. Zur Mandantenakquise sind deswegen immer mehr Kanzleien dazu übergegangen, auch einen eigenen Blog zu betreiben. Mit einer solchen bloggenden Kanzlei musste sich jetzt das OLG Koblenz befassen. Das Gericht urteilte, dass von Anwält:innen betriebene Blogs keine journalistisch-redaktionelle Angebote sind. Spannend!
Doch wie war diese Frage überhaupt vor Gericht gelandet? Die betroffene Kanzlei hatte einen Artikel verlinkt, in dem darüber berichtet wurde, dass ein Youtuber auf seinem Youtube-Kanal diverse Rechtsverletzungen begangen habe. Der Youtuber wurde als gewinnorientierter Wettbewerber dargestellt, der Markenrechte anderer verletze. Der Mann hatte die Anwaltskanzlei zunächst um eine Gegendarstellung nach § 20 Medienstaatsvertrag auf ihrem Blog gebeten, wozu die Kanzlei aber nicht bereit war.
Gegendarstellung nach Medienstaatsvertrag
In § 20 MStV heißt es unter anderem: “Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, in denen insbesondere vollständig oder teilweise Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text oder Bild wiedergegeben werden, sind verpflichtet, unverzüglich eine Gegendarstellung der Person oder Stelle, die durch eine in ihrem Angebot aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist, ohne Kosten für den Betroffenen in ihr Angebot ohne zusätzliches Abrufentgelt aufzunehmen […]”
Auf Grund der Weigerung der Kanzlei beantragte der Mann schließlich Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) für eine Klage. Dieser Antrag wurde vom Landgericht Koblenz jedoch mangels Erfolgsaussichten der Klage abgewiesen. Dagegen legte der Mann Beschwerde ein, womit der Fall letztendlich sogar vor dem OLG Koblenz landete. Vor dem OLG Koblenz hatte der Youtuber jetzt allerdings erneut keinen Erfolg. Die Richter:innen versagten dem Mann die gewünschte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage. Der Mann habe keinen Anspruch auf Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung, weil kein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot i. S. d. § 20 I MStV vorliege.
Kanzlei verfolgt wirtschaftliche Interessen
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zu einer redaktionell-journalistischen Gestaltung unter anderem auch eine “erkennbar publizistische Zielsetzung des Angebots” gehöre. Und an dieser fehle es hier. Dafür sei nämlich erforderlich, dass die Informationen – für Nutzer:innen erkennbar – nach ihrer gesellschaftlichen Relevanz und “mit dem Ziel des Anbieters, zur öffentlichen Kommunikation beizutragen”, ausgewählt werden. Nicht alle redaktionell gestalteten Angebote gehören daher laut OLG Koblenz auch zum Online-Journalismus. Hierfür müsse die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 I GG gegeben sein, weil “nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen”, vom Medienprivileg erfasst werden würden.
Die Beiträge von Kanzleien zielten aber vielmehr auf “wirtschaftliche Interessen” ab. Denn der Blog der Kanzlei “soll erkennbar die Rührigkeit und Bekanntheit der Kanzlei insbesondere in ihren Fachgebieten aufzeigen, ihre Kompetenz unterstreichen, die Anwälte persönlich in Aktion präsentieren und das Interesse des Lesers als potentiellem Kunden wecken. Als Beitrag zur öffentlichen Kommunikation können die Verlinkungen nicht gewertet werden.” Und weiter: “Soweit allgemein gehalten informiert wird, ist ersichtlicher Zweck, potentiellen Kunden die Kompetenz der Kanzlei auf ihrem Fachgebiet und die ausführliche und ihren Interessen zugewandte Betreuung eines Falles zu demonstrieren und sie zur Kontaktaufnahme zu bewegen.”
Erste Instanz: LG Koblenz, Urt. v. 19.02.2021, Az. 10 O 30/21
Zweite Instanz: OLG Koblenz, Beschl. v. 12.04.2021, Az. 4 W 108/21