Das Arbeitsgericht Siegburg hat im Sommer 2021 entschieden, dass bei herrschender Maskenpflicht im Betrieb ein Arbeitnehmer, der laut eines ärztlichen Attests keine Maske tragen kann, arbeitsunfähig ist.
Im vorliegenden Streit ging es darum, ob die beklagte Arbeitnehmerin den Kläger ohne Mund-Nase-Bedeckung in einem örtlichen Rathaus tätig werden lassen muss. Hilfsweise, ob eine Homeoffice-Pflicht besteht, von wo der Kläger die Bürotätigkeit zu erbringen hat.
Der im Bauamt im Bereich Wasser und Abwasser tätige Kläger war überwiegend im Büro, ansonsten im Außendienst tätig. Eine Umstellung der Akten auf digitale Akten fand im Rathaus noch nicht statt. Für die Arbeit des Klägers werden außerdem teilweise nicht digitalisierte große Pläne benutzt, die auf Kartentischen liegen. Da die Flure und Treppenhäuser im Rathaus so schmal sind, kann ein 1,5m Abstand nicht immer gewährleistet werden. Weiter gehört zur Tätigkeit des Klägers die Bürgerberatung, die teils im Außenbereich, teils im Rathaus erfolgt.
Mann verweigert nicht nur Maske, sondern auch Gesichtsvisier
Am Im Mai 2020 ordnete die Beklagte für die im Rathaus Beschäftigten das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an. Hierauf legte der Kläger ein Attest vor, dass ihm das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht möglich sei. Er lehnte auch die Aufforderung, als milderes Mittel ein Gesichtsvisier zu tragen, ab. Dazu reichte er ebenfalls ein Attests, wonach ihm das Tragen eines Gesichtsveisiers ebenfalls nicht möglich sei. Seit Oktober 2020 ist der Mann deswegen nahezu durchgehend arbeitsunfähig.
Der Kläger erhob im Dezember 2020 Klage und begehrte darin, seine Weiterbeschäftigung und die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, ein Gesichtsvisier oder eine Mund-Nasen-Bedeckung beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Hilfsweise verlangt er, seine Tätigkeit im Homeoffice auszuführen.
Das Gericht half seinem Begehren nicht ab. Nach dem Urteil des AG Siegburg steht dem Mann kein Anspruch auf Duldung der Beklagten, im Rathaus ohne Mund-Nasen-Bedeckung tätig zu sein, zu. Auch ein Anspruch auf Homeoffice scheidet aus.
Möglichst geringes Infektionsrisiko für Mitarbeiter:innen
Ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung bei Arbeitsfähigkeit besteht aufgrund des Arbeitsvertrags gem. § 613 BGB.
Allerdings hat der Arbeitgeber – insbesondere in der Pandemiezeit – auf ein möglichst geringes Infektionsrisiko seiner Arbeitnehmer:innen zu achten. Ein Beschäftigungsanspruch hat daher bei Vorliegen von Besonderheiten im Einzelfall zurückzutreten, wenn entweder eine vertragliche Freistellungsregelung besteht, ein Fall objektiver Unmöglichkeit besteht oder schützwürdige Interessen des Arbeitgebers überwiegen und dem entgegenstehen. Letzteres lag hier vor.
Eine Maskenpflicht besteht gem. § 3 I Nr. 2 CoronaSchVO in geschlossenen Räumen, worunter auch die Räumlichkeiten im Rathaus fallen. Auch ohne Verordnung wäre das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung von § 106 I GewO und damit vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst und im Einzelfall angemessen. So hilft die Maske in beide Richtungen. Sie dient dem Schutz anderer vor einer Ansteckung, sowie der Person, die sie trägt. Denn durch das Tragen der Maske werden die Anzahl der abgegebenen und aufgenommenen Aerosole verringert, was das Ausbreitungsverhalten mindert.
Keine Arbeit, kein Lohn!
Das Attest führt zu einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers, infolgedessen ihm auch kein Anspruch auf Beschäftigung, Annahmeverzugslohn oder Schadensersatz zusteht. Im konkreten Fall wurde eine Homeofficepflicht abgelehnt, da teilweise Aufgaben im Rathaus erledigt werden müssen. Eine partielle Arbeitsunfähigkeit ist weder vom Entgeltfortzahlungsgesetz umfasst, noch würde es vorliegend die bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers aus der Welt räumen.
Der Mann steht also vor der Wahl: Entweder er trägt zumindest ein Gesichtsvisier in den Räumlichkeiten des Rathauses oder er muss vorläufig auf seinen Arbeitslohn verzichten.
Entscheidung: ArbG Siegburg, Urt. v. 18.08.2021, Az. 4 Ca 2301/20