BGH: Richter wegen früheren Referendariats in Großkanzlei befangen

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Weil ein Richter am Landgericht Frankfurt a.M. in seiner Referendariatszeit bei der Großkanzlei Hengeler Mueller an Schriftsätzen rund um das LKW-Kartell mitgearbeitet hat, ist er diesbezüglich befangen. Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH).

Für viele angehende Jurist:innen gehört die Anwaltsstation im Rechtsreferendariat zu einer der schönsten Zeiten ihrer Ausbildung. Viele Referendar:innen schnuppern hier auch erstmals Großkanzlei-Luft. Zwar reicht es später nicht bei allen für ein vollbefriedigendes Examen, doch eine Atmosphäre, welche an die amerikanische Anwaltsserie „Suits“ erinnert, wollen sich die wenigsten entgehen lassen. Dafür nimmt man dann auch gerne lange Arbeitszeiten und ellenlange Schriftsätze in Kauf. Das dachte sich auch ein Rechtsreferendar aus Frankfurt a.M. Der junge Mann leistete seine Anwaltsstation in der bekannten Großkanzlei Hengeler Mueller ab. Hengeler Mueller ist eine international tätige Anwaltssozietät mit Schwerpunkt im Wirtschaftsrecht. Die über 300 Rechtsanwält:innen der Kanzlei arbeiten in Büros in Düsseldorf, Frankfurt a.M., Berlin, München, Brüssel und London. Die Großkanzlei ist von MAN für ihre Rechtsvertretung im LKW-Kartell mandatiert.

Anwaltsstation und Wissenschaftliche Mitarbeit

Unser junger Referendar durfte in seiner Anwaltsstation und ab 2019 im Rahmen einer promotionsbegleitenden Wissenschaftlichen Mitarbeit unter anderem Schriftsätze rund um das LKW-Kartell für Hengeler Mueller entwerfen. Außerdem hatte er an insgesamt sechs parallel gelagerten Verfahren vor verschiedenen Landgerichten und vor einem Oberlandesgericht mitgewirkt und war in die Beratung der betroffenen Unternehmen eingebunden.

Später wurde dem Juristen genau das zum Verhängnis. Denn er entschied sich nach seinem Rechtsreferendariat nicht für eine Karriere in der Anwaltschaft, sondern wechselte zur Justiz und wurde dort Richter. Das Landgericht und Oberlandesgericht hatten die Befangenheitsanträge noch abgelehnt. Dem widersprach jetzt jedoch der Bundesgerichtshof.

Im Leitsatz der Entscheidung heißt es: “Es kann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter, der zur Entscheidung über Schadensersatzklagen wegen Verstößen gegen das Kartellverbot (hier: LKW-Kartell) berufen ist, zuvor im Rahmen seiner Referendarausbildung oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war, die von einer an dem Kartell beteiligten Prozesspartei mit der Führung des Rechtsstreits sowie weiterer dazu in Sachzusammenhang stehender Rechtsstreitigkeiten betraut ist, und in diesem Zusammenhang an der Erarbeitung von Schriftsätzen in parallel gelagerten Gerichtsverfahren mitgewirkt hat und bei der außergerichtlichen Beratung in die Klärung übergeordneter Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Verteidigung gegen derartige zivilrechtliche Ansprüche eingebunden war.“

BGH bejaht Befangenheit

Denn: Wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 42 II ZPO die Ablehnung eines Richters statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt vielmehr der “böse Schein”, das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Und genau das sei hier laut Karlsruher Richter:innen der Fall. Auf Grund der beratenden Tätigkeit für MAN und der angefertigten Schriftsätze für Hengeler Mueller sei nicht auszuschließen, dass der jetzige Richter die strategische Planung für die Rechtsverteidigung von MAN kenne. Naheliegend sei außerdem, dass er Sachverhaltsdetails erfahren habe, die auch für das vorliegende Verfahren von Bedeutung seien könnten.

Wir merken uns: Die Anwaltsstation während des Referendariats in einer Großkanzlei kann bei später in der Justiz tätigen Richter:innen die Besorgnis der Befangenheit begründen. Das kann unter anderem noch in anderen Massenverfahren – wie beispielsweise dem Dieselskandal – relevant werden.


Entscheidung: BGH, Beschl. v. 21.9.2021, Az. KZB 16/21

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