Initiative “Freiheitsfonds. Raus aus der JVA“ kauft 21 Personen aus dem Gefängnis frei!

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In Berlin weihnachtet es bereits. Die Initiative „Freiheitsfonds. Raus aus der JVA“ hat 21 Personen aus den Berliner Gefängnissen “freigekauft”. Diese hatten dort jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen “Fahrens ohne Fahrschein” abgesessen. Jetzt können die Betroffenen Weihnachten im Kreis ihrer Liebsten feiern. Eine wichtige Aktion, die den Irrsinn der “Ersatzfreiheitsstrafe” nach deutschem Recht aufzeigt.

Deutschlandweit sitzen zwischen 4.000 und 5.000 Menschen im Gefängnis, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen können, zu der sie verurteilt wurden. Im März 2018 waren es beispielsweise 4.461 Männer und 400 Frauen. Das ist einer Besonderheit des deutschen Strafrechts zu verdanken. Der sogenannten “Ersatzfreiheitsstrafe”. Diese bewirkt, dass nicht bezahlte Geldstrafen im Gefängnis abgesessen werden müssen. Die “Ersatzfreiheitsstrafe” ist in § 43 StGB geregelt. Darin heißt es: „An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.“

Ersatzfreiheitsstrafe trifft Arme härter

Wer also beipielsweise zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt wird – egal in welcher Höhe – muss für zwei Monate in den Knast. Selbst dann, wenn die Höhe des Tagessatzes nur 10 € beträgt, der:die Betroffene also insgesamt nur zu einer Geldstrafe von 600 € verurteilt wurde, müssen die vollen zwei Monate abgesessen werden. Dies führt regelmäßig dazu, dass die Betroffenen ihren Job verlieren und nach den zwei Monaten in der JVA auch noch arbeitslos sind. Es ist schon lange kein Geheimnis mehr: Wer arm ist, wird in Deutschlands unverhältnismäßig härter bestraft.

Und: Jede vierte Person, die eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßt, sitzt wegen Schwarzfahrens ein. Tendenz steigend. Das geht aus dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Prüfung alternativer Sanktionsmöglichkeiten zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen“ hervor.

Auf diesen Irrsinn möchte die Initiative „Freiheitsfonds. Raus aus der JVA“ aufmerksam machen. In Berlin haben die Aktivist:innen Anfang Dezember 21 Menschen aus dem Gefängnis befreit. Das teilte Arne Semsrott, der Initiator der Aktion mit. Man habe alle Frauen “freikaufen” können, die in Berlin wegen “Schwarzfahrens” im Gefängnis saßen. Dafür beglich die Initiative Geldstrafen im Wert von 28.420 €. Semsrott fasst das Ziel der Initiative für JURios wie folgt zusammen: “Weil ‘Fahren ohne Fahrschein’ eine Straftat ist, landen jedes Jahr tausende Menschen hinter Gittern. Der Freiheitsfonds kämpft gegen dieses Unrecht und untergräbt das Strafsystem.”

Schwarzfahren soll Ordnungswidrigkeit werdem

Die Aktivist:innen möchten laut Semsrott darauf aufmerksam machen, was für ein “würdeloses und sinnloses System” in Deutschland durch die Ersatzfreiheitsstrafe besteht. Sie fordern, dass das ‘Fahren ohne Fahrschein’ nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit verfolgt wird. Rechtsgrundlage für die Bestrafung ist § 265a StGB, das sogenannte „Erschleichen von Leistungen“. Ein Relikt aus dem Jahr 1935. Die Ironie hinter dem Paragraph: Verurteilt werden vor allem Menschen, die wenig oder gar kein Geld haben. Hier werden also gezielt Menschen am untersten Rand der Gesellschaft kriminalisiert, die sowieso schon kaum etwas zum Leben übrig haben. Gegenüber JURios betont Semsrott: “Es bringt vor allem arme Menschen hinter Gittern, löst kein einziges Problem und schafft zahlreiche neue.”

Betroffen sind überwiegend arbeitslose Menschen (87%), Menschen ohne festen Wohnsitz (15%) und mit Suizidgefährdung (15%). Diese Personen fahren teils schwarz, um mit Bus und Bahn zur Arbeit zu kommen. Und genau diese Menschen trifft es dann gleich doppelt: Denn wenn sie die Geldstrafe zu der sie (mangels Geld) verurteilt wurden (mangels Geld) ebenfalls nicht bezahlen können, müssen sie sogar ins Gefängnis. Gleichzeitig weist die Initiative darauf hin, dass die Praxis der Ersatzfreiheitsstrafe für den Staat sogar ein Verlustgeschäft ist. Ein Hafttag kostet die Steuerzahler:innen je nach Bundesland zwischen 98 und 188€. Und das pro Tag, pro Häftling.

ZDF Magazin Royal recherchiert

Auch das Das ZDF Magazin Royale hat bereits auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Die Sendung hat im Rahmen ihrer Recherche für 10.080 € sieben Menschen vor insgesamt 675 Hafttagen bewahrt und somit dem Staat circa 101.250 Euro erspart.

Und wie soll es weiter gehen? Die Initiative „Freiheitsfonds. Raus aus der JVA” möchte noch in diesem Dezember weitere Menschen aus den deutschen Gefängnissen freikaufen und ihnen ein Weihnachten zu Hause bei ihren Familien ermöglichen.

Auf der Website der Initiative „Freiheitsfonds. Raus aus der JVA“ findet sich auch eine Anleitung, wie man Betroffenen helfen und Schwarzfahrer:innen “befreien” kann. Dabei kommt allen, die helfen wollen, ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1990 zu Gute. Damals entschied der BGH, dass gegen die Zahlung von Geldstrafen oder die Ablösung von Ersatzfreiheitsstrafen durch Dritte nichts einzuwenden ist. Insbesonder sei darin keine Strafvereitelung zu sehen (BGH, Urt. v. 07.11.1990, Az. 2 StR 439/90). Geldstrafen müssen also nicht von dem:der Verurteilten selbst bezahlt werden, sondern können völlig legal von Dritten beglichen werden. Dritten wie du und ich. Auf was wartest du also noch?

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