“Leck mich am Arsch” auf schwäbisch – eine Beleidigung?

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Dem Schwabenvolk wird durch den übrigen Teil der Bundesrepublik ja so manch ein Vorurteil zugeschrieben. Doch das es auch auf dem ruhigen „Ländle“ hoch her gehen kann, zeigt ein Beschluss des Amtsgerichts Ehingen aus dem Jahr 2009. Dabei sei vorangestellt, dass es weniger der zugrunde liegende Sachverhalt ist, welcher die Aufmerksamkeit hier auf sich lenkt, als die einen in Erstaunen versetzenden Einlassungen des Gerichts.

Doch fangen wir chronologisch an, und zwar mit dem Sachverhalt: Am 28. Januar 2009 um 13.10 Uhr bestellte eine Frau telefonisch von ihrer Wohnanschrift aus ein Taxi bei einem Taxi-Unternehmen, welches um 13.30 Uhr bei ihr erscheinen sollte. Die Taxi-Kundin wollte am Ehinger Bahnhof um 13.45 Uhr einen Zug nach Blaustein erreichen. Das Taxi traf verspätet ein. Die Frau erreichte ihren Zug nicht mehr. Daraufhin forderte sie den Taxifahrer auf, sie für den Preis der Stadtfahrt nach Blaustein zu fahren. Der Fahrer erklärte, dies müsse sein Chef entscheiden. Daraufhin telefonierte die Frau mit dem Chef des Taxi-Unternehmens und verlangte, ohne Aufpreis nach Blaustein gefahren zu werden. Der Taxifahrer soll darauf geantwortet haben: „Leck mich am Arsch“.

Die Frage, welche das Gericht zu entscheiden hatte: Handelte es sich bei dem Ausspruch des Taxiunternehmers „Leck mich am Arsch“ um eine Beleidigung gemäß § 185 StGB? Darin heißt es: “Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 StGB) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Unter einer Beleidigung versteht man einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung.

Lesestopp! Beleigung: Ja oder nein?

Was sagt dir dein Bauchgefühl? Handelt es sich hier um eine Beleidigung, ja oder nein? Du wirst es wahrscheinlich ahnen. Nicht umsonst würden wir dir hier auf JURios sonst diesen kuriosen Fall auftischen: Das Gericht lehnte eine Strafbarkeit des Taxifahrers wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB ab.

Das Gericht begründete seine Entscheidung wie folgt: Zunächst habe der Ausspruch „Leck mich am bzw. im Arsch“ seinen literarischen Ursprung unter anderem bei Johann Wolfgang von Goethe, aber auch bei Wolfgang Amadeus Mozart. Goethe habe den Ausdruck („Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“) im Schauspiel „Götz von Berlichingen“ verwendet, weshalb er häufig mit dem Euphemismus „Götz-Zitat“ umschrieben werde. Mozart hingegen betitelte eines seiner Lieder mit „Leck mich im Arsch“ (Köchelverzeichnis Nr. 231).

Laut Gericht habe ein „Leck mich am Arsch“ vielfältige Bedeutungen und Deutungsmöglichkeiten. Das Gericht verweist dazu auf eine – in der Entscheidung leider unkenntlich gemachte – Internetquelle, wonach die Aussage je nach Bildungsstand, Gepflogenheit, Herkunft, Landsmannschaft, Geschmack oder äußerem Anlass von der Ehrenkränkung und Beschimpfung über eine Verfluchung oder über Gefühlsausbrüche bei Schmerz, Freude oder Rührung bis hin zu einem Segensspruch reiche.

“Leck mich am Arsch” im Schwäbischen alltäglich

Andere Gerichte hatten in früheren Entscheidungen in dem Ausspruch „Leck mich am bzw. im Arsch“ eine Beleidigung gem. § 185 StGB gesehen. Hier habe jedoch der Taxifahrer seine Kundin im vorliegenden Fall gerade nicht in ihrer Ehre herabgesetzt, so das Gericht. Dazu wird ausgeführt: Im schwäbischen Sprachraum werde ein „Leck mich am Arsch“ alltäglich verwendet. Es handele sich zwar um einen derben Ausspruch. Eine Herabwertung der Ehre des Gesprächspartners sei damit aber noch nicht verbunden.

Weiter nimmt das Gericht in seiner Begründung Bezug auf Herrn Thaddäus Troll, der in seinem Werk „Preisend mit viel schönen Reden“ (Hamburg 1972) auf Seite 214 darlegt, dass das oben genannte Götz-Zitat im Schwäbischen den folgenden sozialadäquaten Zwecken diene:

1. an ein Gespräch anzuknüpfen,
2. eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Fluss zu bringen,
3. einem Gespräch eine andere Wendung zu geben,
4. ein Gespräch endgültig abzubrechen,
5. eine Überraschung zu vermelden,
6. um der Freunde über ein unvermutetes Wiedersehen zweier Schwaben außerhalb des Ländles Ausdruck zu geben,
7. um eine als Zumutung empfundene Bitte zurückzuweisen.

Lesestopp! Wie war es im vorliegenden Fall gemeint?

Welchen Zweck könnte das Gericht in dem Ausspruch des Taxifahrers gegenüber der Frau anerkannt haben? Das Gericht schloss sich der Rechtsauffassung von Thaddäus Troll an und stellte fest, dass bei dem „Leck mich am Arsch“ im vorliegenden Fall die Aspekte Nr. 4 (Gesprächsabbruch) und Nr. 7 (Zurückweisung) im Vordergrund standen: Der Taxifahrer wollte auf die Forderung nicht eingehen und das Gespräch beenden.

In diesem Sinne: Legg me am Arsch (Nr. 5)! Was für eine Entscheidung!


Fundstelle: AG Ehingen, Beschl. v. 24.06.2009, Az. 2 Cs 36 Js 7167/09.

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Roman Kollenberg
Roman Kollenberg
Roman Kollenberg ist wissenschaftlicher Assistent bei Herrn Prof. Dr. Urs Saxer, LL.M. (Columbia) – Titularprofessor für Völker-, Staats-, Verwaltungs- und Medienrecht an der Universität Zürich sowie studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umweltrecht, und Verfassungsgeschichte (Prof. Dr. Michael Kotulla, M.A.) an der Universität Bielefeld.

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