Stürzt ein Arbeitnehmer auf dem von seinem Arbeitgeber organisierten Skiausflug in Österreich, stellt dies keinen Arbeitsunfall dar. Das entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg.
Was war geschehen? Bereits im März 2018 veranstaltete ein Unternehmen aus Baden-Württemberg einen betriebseigenen “Firmenskitag” in Österreich. Die Einladung richtete sich an alle skifahrenden Arbeitnehmer:innen. Die Anreise mit dem Zug und die Kosten für ein Mittagessen sowie alle “normalen” Getränke wurden vom Arbeitgeber organisiert und bezahlt. Von den 1.151 Betriebsangehörigen der Konzernmutter nahmen letztendlich 80 Mitarbeiter:innen am Skitag teil. Unter ihnen auch der 1966 geborene spätere Kläger. Er war allerdings der einzige Teilnehmer von seinem Standort.
Während des Skifahrens stürzte der Mann auf seine linke Schulter, setzte sodann aber die Skifahrt fort. Bei einem späteren Arztbesuch wurde bei ihm eine Schulterprellung diagnostiziert. Das MRT ergab die Diagnosen Partialruptur der Supraspinatussehne und Faserrupturen des M. infraspinatus. Zudem äußerte der Arzt den dringenden Verdacht auf eine vordere Kapselruptur. 2017 zeigte der Mann den Unfall bei seiner Arbeitgeberin als Arbeitsunfall an. 2018 lehnte die Arbeitgeberin des Mannes die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus Anlass dieses Unfalls bestünde nicht.
Nur geringe Teilnehmeranzahl
Zur Begründung wurde angeführt: “Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl sei die Veranstaltung nicht geeignet gewesen, eine Pflege der Verbundenheit zwischen der Betriebsleitung und der Belegschaft zu fördern. Veranstalter sei nicht die Arbeitgeberin des Klägers gewesen, sondern die österreichische Konzernmutter. Zudem habe die Veranstaltung aufgrund ihres sportlichen Charakters nicht die gesamte Belegschaft, sondern nur Skifahrer angesprochen. Insgesamt habe die private Freizeitaktivität im Vordergrund gestanden. Im Unfallzeitpunkt habe deshalb ein wesentlicher zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gefehlt.”
Der Arbeitnehmer zog daraufhin vor das Sozialgericht Stuttgart und begehrte die Anerkennung als Arbeitsunfall. Die Einladung zum Skitag sei durch Email an alle Mitarbeiter:innen mit dienstlichem Email-Account sowie durch Aushang in den Betriebsstätten bekannt gegeben worden. Die Veranstaltung habe der Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft innerhalb der Unternehmensgruppe gedient. Die Mitarbeiter:innen sämtlicher einzelner Unternehmen der Firmengruppe stünden im ständigen Kontakt untereinander. Eine Durchmischung von Skifahrer:innen und Nichtskifahrer:innen sei beim Mittagessen erfolgt.
Firmenskitag kein Betriebssport und keine Gemeinschaftsveranstaltung
Das SG Stuttgart lehnte die Klage jedoch als unbegründet ab. Der Firmenskitag habe weder eine Veranstaltung des Betriebssports noch eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dargestellt, weshalb der hierbei erfolgte Sturz nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe.
Und dieser Begründung schloss sich in der Berufung jetzt auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg an. Zwar sei der Kläger als Beschäftigter grundsätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung gem. § 2 I Nr. 1 SGB VII versichert. Seine Verrichtung zur Zeit des geltend gemachten Unfallereignisses – das Skifahren – habe aber nicht in einem sachlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit gestanden. Denn: Eine Teilnahme an Betriebsfesten, Betriebsausflügen oder ähnlichen betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen könne der versicherten Beschäftigung nur unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden. Nämlich immer dann, wenn die Veranstaltung darauf abziele, “die Zusammengehörigkeit der Beschäftigten untereinander zu fördern”.
Zusammengehörigkeit und Wir-Gefühl entscheidend
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass bereits die Einladung nur auf den Personenkreis der Skifahrer:innen unter den Mitarbeiter:innen abziele. Sie spreche damit bereits deshalb nur einen Teil der Belegschaft an. Damit werde aus der Einladung nicht der Wunsch des Unternehmens deutlich, dass möglichst viele Mitarbeiter:innen an der Veranstaltung teilnehmen. Teilgenommen hätten dann gerade einmal 80 von 1.151 Mitarbeitenden.
Hinzu käme, dass die Veranstaltung von ihrer Programmgestaltung her nicht darauf abgezielt habe, den betrieblichen Zusammenhalt zu stärken. Es habe lediglich die Möglichkeit zum Skifahren oder Rodeln – nicht zwingend gemeinsam – bestanden. Für das vom Unternehmen übernommene Mittagessen sei ein zeitlicher Rahmen von 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr vorgesehen gewesen, ohne dass es einen verbindlichen Beginn des Mittagessens gegeben hätte. Gemeinsame, auf Stärkung des Wir-Gefühls ausgelegte Programmpunkte aller Teilnehmenden habe es damit gerade nicht gegeben.
Erste Instanz: SG Stuttgart, Beschl. v. 27.02.2020, Az. S 21 U 5308/18
Zweite Instanz: LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.05.2021, Az. L 3 U 1001/20