OLG Frankfurt: Adoptivkinder können doppelt erben!

Ein von Verwandten zweiten Grades adoptiertes Kind kann unter Umständen mehrere gesetzliche Erbteile erhalten, also doppelt erben. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hatte diese kuriose Konstellation zu entscheiden.

Um den Fall zu verstehen, muss man sich zunächst die Familienverhältnisse klarmachen. Eine ältere Dame verstarb kinderlos, hatte jedoch zwei Schwestern. Nach ihrem Tod stritt sich die Familie um das Erbe der Frau. Denn diese hatte kein Testament. Damit kam die gesetzliche Erbfolge nach § 1922 BGB zum Zug. Und hier wird es kompliziert. Denn eine der beiden Schwestern hatte einen leiblichen Sohn. Dieser Sohn war bereits vor dem Tod der Erblasserin von ihrer anderen Schwester adoptiert worden. Beide Schwestern, also sowohl seine leibliche Mutter als auch seine Adoptivmutter, verstarben vor der Erblasserin. Nach dem Tod der Erblasserin beantragte der Mann einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge. Er war der Ansicht, dass ihm – neben weiteren Nichten und Neffen – die Häfte des Erbes zustünde. Er erhalte 1/4 nach seiner verstorbenen Adoptivmutter und ¼ nach seiner verstorbenen leiblichen Mutter.

Doppelte Erbschaft bei Adoption?

Dazu ist in § 1924 I BGB geregelt: “Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers.” Auf Grund der Kinderlosigkeit der Erblasserin ist dies hier unstrittig nicht anwendbar. § 1925 I BGB sieht aber vor: “Gesetzliche Erben der zweiten Ordnung sind die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.” Auch die Eltern der Erblasserin waren jedoch bereits verstorben. Dazu § 1925 III BGB: “Lebt zur Zeit des Erbfalls der Vater oder die Mutter nicht mehr, so treten an die Stelle des Verstorbenen dessen Abkömmlinge nach den für die Beerbung in der ersten Ordnung geltenden Vorschriften.

Mit dieser Aufteilung des Erbes wollte sich die restliche Verwandtschaft jedoch nicht abgeben. Die übrigen Nichten und Neffen legten vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. Beschwerde gegen den Erbschein ein. Diese hatte jedoch keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass der Erbschein zu Recht auf 1/2 der Erbmasse ausgestellt worden wäre. Denn: Ein adoptiertes Kind trete in die gesetzliche Erbfolge sowohl nach seiner leiblichen Mutter als auch nach seiner Adoptionsmutter ein. Im konkreten Fall erhalte der Mann daher einen Erbteil von zwei Vierteln.

Und jetzt wird es juristisch interessant: Dem stehe laut Richter:innen nicht entgegen, dass nach der Adoption die Verwandtschaftsverhältnisse zu den bisherigen Verwandten erlöschen, § 1755 BGB. Hiervon sehe nämlich § 1756 I BGB eine Ausnahme vor, sofern die Annehmenden im zweiten oder dritten Grad mit dem Kind verwandt seien. Diese Ausnahme sei im Erbrecht zu berücksichtigen und führe zu dem Erhalt mehrerer Erbteile.

Wie gut, dass das geklärt wäre! Wir sind uns aber sicher, dass ein derartiger Fall in der Realität in den nächsten 100 Jahren nicht mehr auftreten wird….


Entscheidung: OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 15.12.2021, Az. 21 W 170/21
Pressemitteilung: https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de

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