Ein Gefängnisaufenthalt stellt Beziehungen und Freundschaften auf eine harte Probe. Das gilt besonders für Ehepaare, die während der Inhaftierung eines der beiden Ehegatten oft über Jahre voneinander getrennt sind. Doch was passiert, wenn sich einer der beiden in dieser Zeit scheiden lassen will? Genügt es, wenn das in Deutschland notwendige „Trennungsjahr“ im Knast verbracht wird? Damit musste sich das Oberlandesgericht Zweibrücken befassen.
Das betroffene Paar heiratete 2002. Der Mann besaß keine abgeschlossene Ausbildung und übte auch in den Jahren nach der Heirat nie einen festen Beruf aus. Stattdessen hielt er sich mit Hilfstätigkeiten über Wasser und war außerdem drogenabhängig. In den kommenden Jahren wurde der Ehemann mehrmals straffällig und musste im Mai 2019 eine Haftstrafe in einer Justizvollzugsanstalt in Rheinland-Pfalz antreten. Bis dahin hatte seine voll berufstätige Frau mehrmals Geldstrafen beglichen, zu denen ihr Mann verurteilt worden war. Ende 2019 reichte es der Frau. Sie beantragte die Scheidung. Die Ehe wurde vom zuständigen Amtsgericht geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt.
Trennungswille entscheidend?
Das (rechtliche) Problem: Selbst vor einer einvernehmlichen Scheidung muss das Ehepaar mindestens ein Jahr getrennt leben (sog. „Trennungsjahr“). Und daran bestanden hier Zweifel. Die Ehefrau erklärte, das Paar habe sich bereits im Frühjahr 2018 getrennt. Sie sei damals aus der Ehewohnung ausgezogen und habe bei ihrer Tochter gelebt. In die gemeinsame Wohnung sei sie danach nur während wiederholter stationärer Aufenthalte ihres Noch-Ehemannes in verschiedenen Entzugseinrichtungen zurückgekehrt.
Ihr Mann wollte jedoch an der Ehe festhalten. Er hielt die Ehe für nicht gescheitert iSd. § 1565 BGB. Seine Noch-Ehefrau habe ihm niemals deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht mehr mit ihm zusammenleben wolle. Sie habe ihn bereits zweimal in der Haft besucht und ihn auch weiterhin finanziell unterstützt.
Beide Eheleute wendeten sich daraufhin gegen die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Ehemann wehrte sich gegen den Scheidungsausspruch, weil er der Meinung war, dass das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen sei. Die Ehefrau verteidigte den Scheidungsausspruch, machte aber geltend, die Durchführung des Versorgungsausgleichs müsse wegen grober Unbilligkeit unterbleiben.
Drum prüfe, wer sich ewig bindet!
Was nun? Die Ehe ist nach deutschem Recht gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Das OLG Zweibrücken musste deswegen prüfen, ob bzw. seit wann die eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer häuslichen Gemeinschaft im vorliegenden Fall nicht mehr bestand. Das Gericht entschied, dass in Fällen des fehlenden täglichen Zusammenlebens zur Berechnung der Trennungszeit darauf abzustellen sei, wann der Trennungswille des einen Ehegatten für den anderen erkennbar gewesen sei. Vom Trennungswillen der Frau habe der Häftling laut Gericht spätestens mit Zugang des Scheidungsantrags im Dezember 2019 Kenntnis erlangt. Nach Zugang dieses Antrags musste er davon ausgehen, dass seine Noch-Ehefrau die eheliche Gemeinschaft nicht weiter aufrechterhalten und geschieden werden wollte.
Zu Ungunsten der Frau entschied das OLG Zweibrücken, dass auch die Durchführung des Versorgungsausgleiches rechtmäßig sei. Die Voraussetzungen für eine Beschränkung oder einen Wegfall des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG wegen grober Unbilligkeit seien nicht gegeben. Der Ehefrau sei bereits im Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen, dass aufgrund der Situation des Mannes voraussichtlich nicht mit erheblichen Rentenanwartschaften zu rechnen sei. Daran habe sich während der Ehe nichts Wesentliches geändert. Fazit: Augen auf, wer sich ewig bindet!
Fundstelle: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.04.2021, Az. 2 UF 159/20