Richter bedroht Kläger – Prozessvergleich unwirksam

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Lange Verhandlungen ohne konkretes Resultat können die Laune ganz schön in den Keller bringen. Das kann auch ein vorsitzender Richter des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen bezeugen. Über die Stränge geschlagen ist er mit seinen Äußerungen von Mai 2008 trotzdem. Aus diesem Grund hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt einen Prozessvergleich zwischen einer Arbeitgeberin und einem Arbeitnehmer aufgehoben.

Die Ausgangssituation: Eine Kündigungsschutzklage

Der Kläger in dieser Sache ist ein ehemaliger Angestellter der Beklagten. Nachdem sein ehemaliger Arbeitgeber ihm mit zwei nacheinander eingereichten Schreiben gekündigt hatte, erhob der Kläger 2005 Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Braunschweig stellte fest, dass die erste Kündigung unwirksam sei und setzte den Rechtsstreit über die zweite Kündigung zunächst aus.

Vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) schlossen Kläger und Beklagte im darauffolgenden Jahr einen Vergleich (§ 83a ArbGG). Gegenstand des Vergleichs war unter anderem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Außerdem wurde der Kläger unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Nach weiteren Streitigkeiten um den genauen Inhalt des Vergleichs erklärte der Kläger allerdings die Anfechtung des Vergleichs „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“.

Aggressive „Verhandlungsführung“

Für diese Anfechtung gab es gute Gründe. Schon zu Beginn der Vergleichsverhandlung war die Stimmung des vorsitzenden Richters wohl eher negativ. Mit der Absicht des Klägers, seinen Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, setzte er sich nicht auseinander, sondern drängte diesen, auf den Vergleich einzugehen. Am Ende äußerte der Vorsitzende sich unter anderem mit „seien Sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“. Nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ wurde der Vergleich dann geschlossen.

Der Kläger erklärte später, er hätte dem Vergleich ohne diese Drohungen nicht – oder zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt – zugestimmt.

Das BAG gab ihm Recht und stellte unter anderem die Unwirksamkeit des Vergleichs fest. „Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB).“ Diese hat er auch „frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht“. Unerheblich ist hierbei, dass die Drohung nicht vom Beklagten stammte. Auch eine Drohung durch einen Dritten – hier den vorsitzenden Richter – berechtigt zur Anfechtung. Der Rechtsstreit wurde an das LAG Niedersachsen zurückverwiesen.


Entscheidung: BAG, Urt. v. 12.05.2010, Az. 2 AZR 544/08

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Helen Arling
Helen Arling
Doktorandin mit Schwerpunkt Völkerrecht, Kletterin, Katzenmensch.

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