Valentinstag: Die Liebe & das Strafrecht

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Am 14.2.2022 wird wieder einmal an den heiligen Valentinus, den Schutzpatron der Liebenden gedacht, was von vielen als geeigneter Anlass empfunden wird, ihre Liebe besonders feierlich zum Ausdruck zu bringen.

I. Was hat Liebe mit Strafrecht zu tun?

Widmen wir uns der Frage, was unter „Liebe“ zu verstehen ist, wird man in der Eruierung einer übergeordneten Definition schnell zum Entschluss gelangen, dass „Liebe“ lediglich ein Gefühl ist. Für einige ist die Liebe lediglich ein Mittel zum Zweck, für andere wiederum der Lebenssinn schlechthin. Fest steht: Liebe durchzieht unser gesamtes Leben. Hierin zeigt sich ihre Gemeinsamkeit mit dem Recht, das ebenfalls unser gesamtes Leben durchdringt, beginnend mit der Entstehung des nasciturus bis zum Hirntod. Insoweit stehen auch die Liebe und das Strafrecht in einer gewissen Wechselbezüglichkeit. Mithin können die unterschiedlichsten Facetten der Liebe eine Ausstrahlungswirkung auf das Strafrecht haben. So kann Liebe einerseits motivational, mithin auf bestimmte Straftaten kriminogen wirken und Personen zur Begehung von Straftaten – „im Namen der Liebe“ – veranlassen. Andererseits kann die Begehung aus Liebe die Tat im milderen Licht erscheinen lassen, den Täter also privilegieren und von seiner Schuld entlasten. Der folgende Essay geht jenen unterschiedlichen Auswirkungen der Liebe auf das Strafrecht nach.

II. „Erlaubte“ Liebe

Erwiderte Liebe schafft Vertrauen. Normativität entsteht indessen gerade aus Verhaltenserwartungen, die u. a. auf Vertrauen basieren. Insofern lässt sich die gesamte Zivilisation und die Entstehung des Rechts auf „Verhaltenserwartungen“ zurückführen, die auf Gefühlen wie Liebe, Hass etc. basieren.[1] Daher darf es nicht erstaunen, dass das Strafrecht an das auf diese Art und Weise entstandene und somit berechtigte Vertrauen kraft Liebe anknüpft. Soweit die Liebe wechselseitig besteht und die konkrete Art der Liebesbeziehung auch gesellschaftlich wie auch von der Rechtsordnung anerkannt wird, kann im weiteren Sinne auch von „erlaubter“ Liebe gesprochen werden, mit der eine gewisse Verantwortung des Täters einhergeht.

1. „Dir kann man es auch nicht recht machen…“

Ehegatten verpflichten sich in der Ehe zu gegenseitigem Beistand in der Gefahr für wichtige Rechtsgüter– und jedenfalls innerhalb der nicht zerrütteten Ehe unstreitig – Schutz i.S.v. § 1353 I 2 BGB (man könnte in Anknüpfung an § 13 StGB auch formulieren: „garantieren“)[2]. Nun hat allerdings nicht jede Liebesbeziehung den Bund der Ehe zur Folge und es erscheint nicht nur vor dem Hintergrund des Mottos „Valentinstag“ ein Blick auf die Beistandspflichten der nichtehelichen Lebensgefährten  interessanter, sondern gerade auch weil die ebenso bestehenden Pflichten in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zeitlich vor den gesetzlichen, ehelichen Pflichten liegen, mithin die eheliche Pflicht lediglich eine aus der engen natürlichen Verbundenheit abgeleitete sein könnte, die lediglich eine familienrechtliche-normative Umrahmung erhält. Insofern wird klar, dass es auch unschädlich ist, dass für die nichtehelichen Lebensgemeinschaften es an einer gesetzlichen Regelung zu Beistandspflichten fehlt, insbesondere fallen unter den Personenbegriff des § 11 I Nr. 1 a) StGB lediglich der Ehegatte, der Lebenspartner und der Verlobte. Der Lebensgefährte einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird demnach vom Gesetzgeber nicht als Angehöriger erfasst. Dennoch besteht auch in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, die wie die Ehe auf Dauer angelegt ist und gegenseitige Hilfe im Notfall beinhaltet, eine Beschützergarantenstellung.[3] Dies lässt sich schlicht damit begründen, dass „Normen“ – siehe oben – auf Verhaltenserwartungen gründen und sich die Beteiligten innerhalb der Gemeinschaft einig darüber sein dürften, dass die mit der „echten“ Liebe einhergehenden Privilegien einer Beziehung auch mit Pflichten zur Loyalität und zum gegenseitigen Schutz einhergehen. Dies dürfte selbst dann gelten, wenn die Liebe und die Nähe nur vorgespielt waren.

2. „Ich tat es aus Liebe…“

Eine gewisse normative Stütze erhalten die soeben gemachten Erwägungen im Gesetz dann doch, wenn man einerseits an den in der Notsituation eiskalt untätigbleibenden Ehegatten, andererseits an den Lebensgefährten denkt, der für seine Liebe sogar durchs Feuer gehen würde, bspw. im Rahmen einer strafbaren Brandstiftung durch Dritte, die bei einem missglückten Rettungsversuch zu einer Brandstiftung mit Todesfolge wird: Auch hier kann die Liebe des Rettenden sich normativ dahingehend auswirken, dass dessen Entschluss die im Haus befindliche Person zu retten als nicht eigenverantwortlich betrachtet wird. Die in diesem Zusammenhang bemühte „Exkulpationslösung“[4] führt zu § 35 StGB, der diejenige Person entschuldigt, welche zugunsten einer nahestehenden Person eine Rettungshandlung vornimmt, wobei zu differenzieren ist: Richtet sich die Hilfshandlung des Lebensgefährten gegen den Angreifer, kommt ohnehin problemlos eine Nothilfe gem. § 32 StGB in Betracht. Richtet sich die Handlung dagegen gegen einen (unbeteiligten) Dritten, um eine Gefahr von einer nahestehenden Person abzuwenden, wird der Lebensgefährte u.U. i.S.v. § 35 StGB entschuldigt, weil er als „nahestehende Person“ unter den privilegierten Personenkreis des § 35 I Alt. 2 StGB fällt.[5]

III. Verbotene Liebe

So schön Liebe auch sein mag, können bestimmte Formen der Liebe oder Nichtliebe auch unterbunden werden. Den nicht akzeptierten Ausprägungen der Liebe wirkt der Gesetzgeber zum Teil in seiner repressiven Art mit den Mitteln des Strafrechts entgegen, zum Teil aber auch schon in seiner präventiven Art mit den Mitteln aus dem Familienrecht. So werden bereits im Hinblick auf die Ehe zivilrechtliche Verbote (impedimenta matrimonii[6]) aufgestellt, die letztlich eine Konsequenz allgemeiner Grundsätze, wie bspw. die Freiheit der Eheschließung[7] oder den Grundsatz der Einpaarigkeit, darstellen. [8] Das Strafrecht nimmt dann lediglich die Rolle des verlängerten Armes des Familienrechts an.[9] Das zivilrechtliche Verbot der Doppelehe i.S.v. § 1306 BGB ist im zwölften Abschnitt des StGB im § 172 StGB verortet. Es liegt auf der Hand, dass man sich hier mit besonderen Legitimationsschwierigkeiten konfrontiert sieht, wenn bereits das zivilrechtliche Verbot auf tönernen Füßen steht. Im Pluralismus der Wertevorstellungen sind auch die Überlegungen zur „erlaubten und verbotenen Liebe“ kontinuierlich Wandlungen ausgesetzt. Was gestern noch als Unzucht zwischen gleichgeschlechtlichen Personen“ galt (§ 175 StGB a.F.) ist heute – glücklicherweise – das freie Ausleben der sexuellen Orientierung.

Etwas klarer dagegen sind die Fälle der „einseitigen, nicht erwiderten“ Liebe gelagert, bei denen Täter aus einem einseitig toxischen Liebesaffekt handeln und damit sowohl die freie Willensentschließung (i.S.v. § 238 StGB)[10] als auch die sexuelle Selbstbestimmung (i.S.v. § 177 ff. StGB)[11] des Gegenübers verletzen. Das sind die Konstellationen, in denen dem Täter auch der – von Binding mehrfach bemängelte fragmentarische Charakter – des Strafrechts[12] nicht zur Seite steht, weil es als „schärfstes Schwert“[13] des Staates jedenfalls dann zum Einsatz kommen muss, wenn mit der Liebe des Einen Angst, psychische und physische Beeinträchtigungen des Anderen von erheblicher Natur verbunden sind. Daran ändert dann auch die Liebe nichts!

IV. Prozessuale Liebe

Wie wichtig Ehrlichkeit gegenüber dem Lebensgefährten ist und welche Rolle die Wahrheit in einer Beziehung einnimmt braucht in diesem Essay nicht ausgeführt werden. Für das Strafen und das Strafrecht ist die Wahrheit jedoch in verschiedener Hinsicht von enormer Bedeutung. Für die Wahrheit des Geschehens und damit der Rekonstruktion des Sachverhalts im Strafverfahren kann dabei vor allem die Vernehmung eines Zeugen (i.S.v. § 69 StPO) von erheblicher Bedeutung sein. Dabei ist der Zeuge zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Sollte jedoch der Lebensgefährte als Zeuge zur Sache vernommen werden, steht ihm unmittelbar vor der Vernehmung kein Zeugnisverweigerungsrecht i.S.d. § 52 I StPO zu.[14] Ferner fällt der nichteheliche Lebensgefährte auch nicht in den privilegierten Personenkreis des sog. Aussagenotstands gem. § 157 I Alt. 1 StGB, wenn er i.S.v. § 153 ff. StGB falsch aussagt, um eine drohende Gefahr des Freiheitsentzuges für seinen Lebensgefährten abzuwenden.[15] Der genannte Personenkreis ist demnach im Interesse der Rechtssicherheit abschließend geregelt, was verfassungsrechtlich unbedenklich[16] sein mag, aber im Hinblick auf die faktisch bestehende Interessenkollision durchaus bedenklich ist. Nicht umsonst wird eine analoge Anwendung des § 157 I StGB für nahestehende Personen ins Spiel gebracht, wenn dieser Verstoß überwiegend noch (infolge der bewussten Beschränkung durch den Gesetzgeber) abgelehnt wird. Doch leuchtet dies v.a. im Hinblick auf die rechtstatsächlich erhöhte und kontinuierlich steigende Relevanz nichtehelicher Lebensgefährten nicht ein.[17]

V. Conclusio

Im Rahmen dieses Motto-Essays sollten den Lesenden die unterschiedlichen Auswirkungen der Liebe und den daran anknüpfenden Näheverhältnissen in einem zwar grobschlächtigen – aber dafür breit gefächerten – Überblick nähergebracht werden. Dabei wurden vereinzelt sowohl materielle und prozessuale Probleme des allgemeinen als auch des besonderen Teils des Strafrechts aufgegriffen. In einer Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass auch jenseits der Ehe ein „genauerer Blick“ auf den Partner (und zwar auch in strafrechtlicher Hinsicht) geboten sein kann, wenn auch dieser Blick in seiner Tragweite nicht mit demjenigen auf die Ehe vergleichbar zu sein scheint. Für den Valentinstag konkret lässt sich indessen festhalten, dass ein einziges Date noch kein Näheverhältnis begründet und das Strafrecht nur relevant wird, wenn man einseitig auf weitere „Dates“ oder mehr Liebe beharrt.


Dieser Artikel entstand im Rahmen unseres Essay-Wettbewerbs “recht lieblich”, der zum Valentinstag 2022 hier auf JURios veranstaltet wurde. Platz 2: “Über den Valentinstag als außerbetriebliche Sondersituation und die Eigentumslage von Liebesschlössern”. Platz 3: “Der juristische Valentinstag – Wie aus Romantik ein Rechtsstreit wird!”


[1] Fischer, Über das Strafen, S. 34 ff.

[2] Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 56; BGHSt 48, 301, 302.

[3] Kühl, Strafrecht AT, § 18, Rn. 61.

[4] Schneider, MüKo-StGB, Vorbemerkung zu § 211, Rn. 54 ff.

[5] Müssig, MüKo-StGB, § 35, Rn. 19.

[6] Schwab, Familenrecht, § 13, Rn. 60.

[7] BVerfGE 29, 166, 175.

[8] Schwab, Familienrecht, § 13, Rn. 60 ff.

[9] Ritscher, MüKo-StGB, § 172, Rn. 2.

[10] Valerius, BeckOK-StGB, § 238, Rn. 1.

[11] Ziegler, BeckOK-StGB, § 177, Rn. 6.

[12] Prittwitz, Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 387 (388 ff.).

[13] Hefendehl, Der fragmentarische Charakter des Strafrechts, JA 2011, 401 (401).

[14] Percic, MüKo-StPO, § 52, Rn. 16.

[15] H.E.Müller, MüKo-StGB, § 157, Rn. 20.

[16] BVerfG 22.1.1999 – 2 BvR 961/94, NStZ 1999, 255, 628.

[17] H.E.Müller, MüKo-StGB, § 157, Rn. 20.

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