Wer schonmal in einem Reihenhaus gelebt hat, kennt das Leid: Die Wände sind viel zu dünn. Ob Treppengetrampel, Musik oder laute Küchengeräte. Wand an Wand zu leben kann anstrengend sein. Es fühlt sich an, als säße man den lieben Nachbar:innen direkt auf dem Schoß. So erging es auch einem Reihenhausbewohner aus Bayern, dessen Nachbar eigenmächtig Löcher in die gemeinsame Zwischenwand bohrte. So nicht! Entschied jetzt der Bundesgerichtshof.
Was war geschehen? Die beiden Streithähne wohnen dicht an dicht in zwei direkt aneinander angrenzenden Reihenhäusern. Die Außenwand des klägerischen Hauses ragt gartenseitig über das von dem Beklagten genutzte Haus hinaus. Letzterer wollte seine elektrische Markise anschließen und bohrte zum Verlegen des Kabelkanals Löcher in den Putz der überstehenden Außenwand. Das gefiel dem Kläger nicht und er forderte seinen Nachbarn zur Entfernung der Bohrlöcher auf. Dem wurde nicht nachgekommen, sodass der Nachbarschaftsstreit vor Gericht ausgetragen wurde.
Amtsgericht und Landgericht unterschiedlicher Auffassung
Und selbst die Richter:innen waren sich nicht einig. Das Amtsgericht hatte die auf die Entfernung der Stromleitung nebst Kabelkanal, die Verschließung sowie Überstreichung der Bohrlöcher und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht München I hatte der Klage in der Berufung jedoch stattgegeben. Was denn jetzt? Darüber musste schließlich der BGH entscheiden. Und dieser urteilte, dass dem klagenden Nachbar ein Beseitigungsanspruch aus § 1004 I BGB zustünde.
Darin heißt es: “Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.” Aber weiter:“Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.”
Nachbarwand, Grenzwand oder Überbau?
Der BGH ging in seiner Entscheidung jedoch noch einen ganzen Schritt weiter und urteilte: Entscheidend sei die Art der betroffenen Wand! Zu unterscheiden sei bei einem Reihenhaus die “Nachbarwand”, die “Grenzwand” und der sogenannte “nicht zum Anbau bestimmten Überbau”. Hä? Ja, richtig gelesen!
Dazu führen die Richter:innen in Karlsruhe aus: “Als Grenzwand wird eine Mauer bezeichnet, die bis an die Grundstücksgrenze gebaut ist, diese aber nicht überschreitet.” Aber es wird noch komplizierter: “Allerdings wird eine Grenzwand nicht schon dadurch zur Nachbarwand, dass sie die Grundstücksgrenze ganz oder teilweise schneidet; es kann sich dabei vielmehr um einen Überbau handeln („verrutschte Grenzwand“).” Und jetzt wird es relevant: “Eine Nachbarwand liegt nur vor, wenn die von der Grenze geschnittene Wand dazu geeignet und bestimmt ist, beiden Nachbargebäuden als wesentlicher Bestandteil zu dienen.”
Und warum ist das entscheidend? Nur eine Nachbarwand ist eine echte Grenzeinrichtung, die von beiden Parteien auf der jeweiligen Seite frei benutzt werden darf. Im vorliegenden Fallen sind die Außenmauern der beiden Gebäude aber durch eine Fuge getrennt. Rechtlich betrachtet handelt es sich also um zwei separate Wände. Das führt dazu, dass jeder Nachbar nur auf seiner eigenen Seite Löcher in die Wand bohren darf. Ein Anbohren der Wand des Nachbarn ist hingegen nicht erlaubt. Gut, dass wir das geklärt hätten! Der nächste Nachbarstreit im Reihenhaus kommt bestimmt!
Entscheidung: BGH, Urt. v. 12.11.2021, Az. V ZR 25/21