Arbeitsrecht: Kundendienstmitarbeiter muss kein Telefonbuch abschreiben

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Ein Unternehmen wies einen seiner Kundendienstmitarbeiter an, Firmen aus einem Telefonbuch abzuschreiben. Dagegen wehrte sich der Mitarbeiter. Zu Recht, entschied das Landesarbeitsgericht Köln.

Der Fall erinnert an eine berühmte Geschichte von Sherlock Holmes. Die Liga der Rotschöpfe. In dem 1891 erschienen Klassiker bittet der Pfandleiher Jabez Wilson den Meisterdetektiv um Hilfe. Er sei auf Grund seiner roten Haarfarbe von einem Unternehmen dazu ausgewählt worden, für ein fürstliches Gehalt in den Räumlichkeiten der Firma Einträge aus einem Lexikon abzuschreiben. Für diesen kurios anmutenden Job gibt es zunächst keine Erklärung. Doch die Schilderung bringt Holmes auf die Spur eines großen Verbrechens…

Im Büro eingesperrt Telefonbuch abschreiben

Ganz ähnlich erging es einem Mann aus Nordrhein-Westfalen. Er war bei einem Unternehmen als Kundendienstmitarbeiter angestellt. Als er eines Tages um 08:40 Uhr zur Arbeit erschien, wurde er von seinem Vorgesetzten angewiesen, aus einem Telefonbuch verschiedene Firmen, die als Kund:innen in Betracht kommen könnten, herauszuschreiben, da ihm angeblich “keine andere Arbeit mehr zuzutrauen gewesen sei”. Der Mann weigerte sich jedoch, die Tätigkeit auszuführen und began „durch Geräusche zu provozieren”. Innerhalb von 1,5 Stunden ging er drei Mal auf die Toilette. Daraufhin wurde er in den Büroräumlichkeiten eingeschlossen und durfte die Toilette nur noch in Begleitung des Betriebsleiters aufsuchen. Gegen 09:50 Uhr verließ der Mitarbeiter schließlich den Betrieb. Auf eine weitere Arbeitsaufforderung reagierte er mit einer Krankschreibung.

Auf Grund der Vorfälle trafen sich die Parteien vor dem Arbeitsgericht Siegburg wieder. Das Gericht verpflichtete das Unternehmen zur Lohnfortzahlung. Dagegen legte der Arbeitgeber Berufung zum Landesarbeitsgericht ein. Zur Begründung führte man an, der Mitarbeiter habe am 08. Oktober 2003 weder gearbeitet noch seine Arbeitskraft später angeboten. Davon ließ sich das Landesarbeitsgericht jedoch nicht überzeugen. Es verurteilte das Unternehmen zur Lohnfortzahlung. Diese stünde dem Mitarbeiter unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für den Zeitraum vom 08. Oktober bis 15. November 2003 zu. Denn der Mitarbeiter habe persönlich im Büro seine Arbeitskraft angeboten und sei seinen Verpflichtungen damit nachgekommen.

Annahmeverzug des Arbeitgebers

Es wäre nunmehr Sache des Arbeitgebers gewesen, dem Mann Arbeit zuzuweisen. Hierfür genüge es jedoch nicht, dass er dem Arbeitnehmer irgendeine beliebige Arbeitsanweisung erteile. Die zugewiesene Arbeit und der zugewiesene Arbeitsplatz müssten vielmehr auch den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Und weiter: “Zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Kundendienstmitarbeiters im Innen- und Außendienst gehört nicht das teilweise Abschreiben von Telefonbüchern.”

Ebenso wenig braucht es sich ein Arbeitnehmer bieten zu lassen, in den Büroräumlichkeiten eingeschlossen zu werden und nur unter Begleitung des sogenannten Betriebsleiters die Toilette aufsuchen zu dürfen.

Die Entscheidung reiht sich ein in viele weitere kuriose Urteile aus dem Arbeitsrecht. So rechtfertigt es beispielsweise eine fristlose Kündigung, wenn ein Mitarbeiter einem Kollegen einen Feuerwerkskörper in das Dixiklo hinterherwirft (JURios berichtet). Allerdings stellt es keinen Arbeitsunfall dar, wenn ein Busfahrer im Busdepot vom eifersüchtigen Ehemann seiner Affäre mit dem Messer angegriffen wird (JURios berichtet).


Entscheidung: LAG Kön, Urt. v. 13.07.2005, Az. 7 Sa 1597/04

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