Fachanwalts-Klausuren nur in physischer Anwesenheit – online, ade!

Das Verwaltungsgericht Freiburg hat Online-Klausuren in der Fachanwaltsausbildung eine klare Absage erteilt. Anwält:innen müssen auch weiterhin in Präsenz an ihren Fachanwalts-Klausuren teilnehmen.

Anwält:innen, die in Deutschland einen Fachanwalts-Titel tragen wollen, müssen dazu eine bestimmte Anzahl an Fällen in diesem Rechtsgebiet bearbeitet haben. Außerdem sieht die Fachanwaltsordnung (FAO) auch das Ablegen von mehreren Klausuren vor. Diese haben in der Vergangenheit immer vollkommen unumstritten in Präsenz stattgefunden. Während der Corona-Pandemie kam aber die Frage auf, ob man solche Fachanwalts-Klausuren nicht auch online ablegen könne. Mit diesem Anliegen hatte sich nicht etwa ein:e Teilnehmer:in, sondern ein Anbieter für Fachanwaltslehrgänge an die Rechtsanwaltskammer Freiburg gewandt. Dieser wollte erreichen, dass Online-Klausuren mit bestimmten Sicherheitsvorkehrungen gegen Schummelversuche als reguläre Aufsichtsarbeiten anerkannt werden. Der Anbieter argumentiere: § 4a der FAO sehe zwar schriftliche Leistungskontrollen vor, dies sei aber in der heutigen Zeit nicht mehr angemessen. Denn schließlich stellen Präsenz-Klausuren auch außerhalb von Corona einen nicht zu vernachlässigenden organisatorischen Aufwand z.B. bei der Anfahrt dar.

Online-Klausur keine “Aufsichtsarbeit”

Die Rechtsanwaltskammer lehnte das Anliegen des Lehrganganbieters ab. Dagegen klagte dieser schließlich vor dem Verwaltungsgericht Freiburg. Das Gericht sah die Feststellungsklage zwar als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab, weil die FAO keine Online-Klausuren vorsehe. Dreh- und Angelpunkt war die Auslegung des § 4a FAO. In diesem heißt es:

(1) Der Antragsteller muss sich mindestens drei schriftlichen Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten) aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs erfolgreich unterzogen haben.
(2) Eine Leistungskontrolle muss mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf fünf Zeitstunden nicht überschreiten. Die Gesamtdauer der bestandenen Leistungskontrollen darf fünfzehn Zeitstunden nicht unterschreiten.

Online-Klausuren seien gerade keine “Aufsichtsarbeiten” im Sinne der Norm, so das VG. Die Vorschrift stamme aus einer Zeit, in der Online-Klausuren schon technisch nicht denkbar waren. Der historische Normgeber konnte Online-Klausuren also gar nicht in seinen Willen aufnehmen und hat dies ersichtlich nicht getan, so das Gericht. Vielmehr habe er die damals allein mögliche physische Aufsicht vor Augen gehabt. So wie sie etwa auch bei Aufsichtsarbeiten im juristischen Staatsexamen praktiziert werde und wie sie auch sonst in berufsbezogenen Prüfungen praktiziert werde. An diesem historischen Normverständnis halte die erkennende Kammer fest.

Hier müsse also die Anwaltschaft tätig werden und § 4a FAO gegebenenfalls ändern. Daher bestünde keine Notwendigkeit, im Wege einer Analogie vom klaren Wortlaut der Vorschrift abzuweichen.

Damit dreht sich die Justiz in Deutschland bei der Digitalisierung weiterhin im Kreis. In anderen Ländern finden derartige Aufsichtsarbeiten schon seit Jahren online statt. Selbst einige deutsche Universitäten – ihnen voran die FernUniversität Hagen – sind in der Pandemie dazu übergegangen, (überwachte) Online-Klausuren anzubieten. Wieso sollten für Anwält:innen andere Maßstäbe gelten? Wir hoffen, dass die Rechtsanwaltskammern hier schnell nachziehen.

In Hessen wurde erst kürzlich bekannt, dass sich die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz um sechs (!) Jahre verzögert (wir berichten).


Entscheidung: VG Freiburg, Urt. v. 15.02.2022, Az. 8 K 183/21

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