„Game over“ – ein Spielsüchtiger berichtet über seine Sucht und den Alltag in der JVA

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Daniel beschreibt in seinem Buch „Game Over 23.01.2020“ sein bisheriges Leben und wie ihn seine Spielsucht letztendlich ins Gefängnis brachte. Wir haben den Autor interviewt.

Daniel wurde 1988 in Stuttgart geboren. Seine gemeinsame Kindheit mit der drei Jahre jüngeren Schwester beschreibt er rückblickend als glücklich. In der weiterführenden Schule rutschte er jedoch ab. Das führt Daniel heute unter anderem auf den Alkoholismus seiner Mutter zurück. Wenn die Kinder aus der Schule heimkamen, mussten sie sich selbst um alles kümmern. Einkaufen, kochen, waschen. Daniels Leistungen in der Schule verschlechterten sich dramatisch. Letztendlich trennten sich Daniel Eltern. Seine Mutter verschwandt spurlos aus dem Leben ihrer Kinder. Der Vater war häufig auf Geschäftseise, sodass sich Daniels Großmutter um die Kinder kümmerte. Auch Dank ihr schaffte Daniel seinen Realschulabschluss und schloss eine Ausbildung zum Kaufmann für Verkehrsservice bei der Deutschen Bahn ab. Bald darauf verstarb Daniels Vater unerwartet, hinterließ der Familie Schulden und das gemeinsame Familienheim musste verkauft werden. Trotzdem schaffte es Daniel zunächst, „auf dem richtigen Weg“ zu bleiben, arbeitete im Rettungsdienst, heiratete und wurde Vater einer Tochter. Bis plötzlich die Polizei an die Wohnungstür klopfte…

Daniels Weg in die Spielsucht

Zu diesem Zeitpunkt warst du schon wettsüchtig. Was hat dich in diese Sucht getrieben?

Daniel: “Angefangen hat alles mit einer Büro Tipprunde unter Kollegen, so wie es sicherlich manche von der Arbeit kennen. Das ganze steigerte sich dann bei mir kontinuierlich. Ab und zu habe ich schon auch mal etwas gewonnen das Geld aber gleich wieder eingesetzt, denn ich rechnete irgendwann mit dem „BigWin”. Gewettet habe ich zunächst an der Lotto-Filiale, später dann im Wettbüro und per App auf dem Smartphone.”

Wie bist du an das Geld für die Wetten gekommen und wieviel hast du in den 10 Jahren verwettet?

Daniel: “Zunächst durch mein geringes Ausbildungsgehalt. Nachdem mein Vater verstorben war, verzockte ich mein gesamtes Erbe und meine Ersparnisse. Da mich die Sucht immer wieder zum weiterspielen getrieben hat, begann ich Betrugs-Straftaten zu begehen, um das Ganze zu finanzieren. Ich kaufte hochwertige Elektroartikel ein, bezahle diese nur teilweise oder letztendlich gar nicht mehr und setzte das Geld eins zu eins in Sportwetten um. Einen Gewinn erzielte ich durch den Verkauf der Ware nie! Aber ich war immer noch der Auffassung irgendwann alles bezahlen zu können durch den großen Gewinn. Geld für Miete und den Unterhalt meiner Familie war immer vorhanden, da ich dieses Geld direkt bei Lohneingang zur Seite gelegt habe.”

Daniels Frau wusste, dass ihr Mann ab und zu „spielte“. Allerdings hatte sie keine Ahnung vom Ausmaß der Wetten. Post, in der es um Zahlungsaufforderungen ging, fing Daniel geschickt beim Postboten ab, sodass die Briefe seine Frau nie erreichten. Zunächst war sich Daniel überhaupt nicht bewusst, dass er ein „Problem“ hatte. Das wurde ihm erst klar, als gegen ihn mehrere Strafverfahren eingeleitete wurden und er im Knast landete.

Verhaftung und JVA-Aufenthalt

Eines Tages stand die Polizei vor deiner Wohnung. Magst du uns erzählen, wie die Durchsuchung ablief?

Daniel: “Ich war schon auf der Arbeit als mich meine Großmutter auf dem Handy anrief und sagte, die Polizei steht vor eurer Türe und möchte in die Wohnung. Ich machte mich auf den Weg nach Hause und öffnete den Beamten die Türe. Es wurde mir ein Gerichtsbeschluss für die Wohnungsdurchsuchung eröffnet und es wurde mir erläutert, um was es geht. Ich gab alles zu und stellte den Beamten alle geforderten Unterlagen zur Verfügung. Ware war zu diesem Zeitpunkt keine im Haus. In diesem Moment begriff meine Ehefrau, was eigentlich los ist.”

Daniel wurde vorgeworfen, im Internet Waren bestellt und diese nicht bezahlt zu haben. Sein Plan war, damit Geld für weitere Wetten zu generieren. Er wollte die bestellten Waren mit Gewinn weiterverkaufen und so die alten Rechnungen begleichen. Das ging jedoch gehörig schief. Die Gewinne reichten nicht aus. Und so wurde er im Mai 2012 vom Amtsgericht Ludwigsburg wegen Betrugs in fünf Fällen und versuchten Betrugs in sechs Fällen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine weitere Bewährungsstrafe folgte im März 2014 und im Juli 2014 sowie im April 2015. Seinen Bewährungshelfern spielte Daniel eine heile Welt vor.

Die Veurteilungen hätten dir eigentlich eine Warnung sein müssen. Warum hast du trotzdem weitergemacht?

Daniel: “Die früheren Verurteilungen beeindruckt mich zwar während der Verhandlung doch ein paar Tage nach den Verhandlungen vergaß ich das Ganze und konzentrierte mich wieder voll und ganz auf die Sportwetten. Das war ein Fehler. Allerdings hätte ich mir auch in dieser Situation denke ich keine Hilfe von anderen geholt, da das Rad der Sucht sich immer weiter drehte.”

Bis es schließlich knallte. Daniel wurde zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Diesmal ohne Bewährung. Am 23. Januar 2020 trat er seine Haft in der JVA Stuttgart Stammheim an. Nach einem kurzen Aufenthalt wurde Daniel in die JVA Heimsheim verlegt. Schließlich landete er in der JVA Bruchsal.

Wie hast du dich in der ersten Nacht in Haft gefühlt? Wie war der typische Tagesablauf in den verschiedenen Justizvollzugsanstalten?

Daniel: “Es war einerseits eine Erleichterung, anderseits machte ich mir viele Gedanken, warum ich nun in Haft gelandet bin. Meine Inhaftierung kam, so blöd es klingen mag, für mich genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Sucht hatte durch das Schließen der Zellentür ihre Macht über mich verloren.”

Auf Grund deiner Diabetes-Erkrankung warst du zweitweise im Justizkrankenhaus Hohenasperg. Wie war es dort?

Daniel: “Es ist wie in einem normalen Krankenhaus nur mit Gittern und einer Mauer. Das Zimmer war wie im normalen Krankenhaus eingerichtet inklusive Waschraum mit Dusche und WC.”

Suchtberatung und Zukunftspläne

Der Kontakt zu deiner Familie war im Gefängnis beschränkt. Wie sind deine Frau und deine Tochter mit deinen Taten und deiner Inhaftierung umgegangen?

Daniel: “Meine Tochter denkt, ich bin bei der Feuerwehrschule. Nachdem allen in der Familie das Ausmaß bewusst wurde bekam ich Verständnis für die Suchterkrankung und trotz der ganzen Misere eine zweite Chance.”

Eine Suchtberaterin in der JVA Ulm half Daniel schließlich dabei, seine Wettsucht kritisch zu hinterfragen. In vielen Sitzungen begann er seine Probleme aufzuarbeiten. In Ulm gab es von der Caritas eine „Spielegruppe“. Hier trafen sich Glücksspielsüchtige wöchentlich zu einer Gesprächsrunde. Dafür wurden Daniel vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt. Eine ganz entscheidende Wendung in Daniels leben. Denn hier lernte er viel über sich selbst und konnte sich mit Gleichgesinnten austauschen. Man sprach über Therapieangebote und Zukunftspläne.

Wie sind deine Pläne für die Zukunft? Was würdest du anderen Spielsüchtigen raten?

Daniel: “Eine stationäre Therapie, welche leider erst nach der Haft möglich ist. Bei Drogendelikten ist solch eine Therapie schon während der Haft möglich – hier haben diese Täter einen eindeutigen Vorteil – § 35 BtMG „Therapie statt Strafe”. Ich habe mir vorgenommen, nie mehr zu Wetten und mich um meine Frau und Tochter kümmern. Ich will zurück in meinem Traumberuf, den Rettungsdienst. Informiert Euch über die diversen Möglichkeiten zum brisanten Thema Spielsucht / Wettsucht. Vergesst die Lockangebote mit Einzahlungsbonus etc. Man bekommt nichts umsonst!”

Für bereits Betroffene empfiehlt Daniel die deutschlandweite Sperrplattform „OASIS”. OASIS steht für „Online-Abfrage-Spielerstatus“ und ist eine bundesweites, spielübergreifendes Sperrsystem. Jedes deutsche Online Casino und jede Spielbank ist dazu verpflichtet, die Ausweisdaten der Spieler:innen mit der Sperrdatei OASIS abzugleichen. Wer sich selbst in OASIS “gesperrt” hat, kann in Deutschland also nicht legal wetten. Das schützt gefährdete Spieler:innen.


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Daniel hat seine Erfahrungen in einem Buch verarbeitet. „Game Over 23.01.2020“ erschien 2022 beim Rediroma-Verlag.

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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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