Der Gummihammer-Prozess: Versehentlich den Nachbar des Nebenbuhlers angegriffen

-Werbung-spot_imgspot_img

Das Landgericht Offenburg hatte im April 2022 einen kuriosen Fall zu entscheiden, der später als der “Gummihammer-Prozess” in den Medien bekannt wurde.

Ein damals 63-Jähriger fasste im Juli 2021 den Entschluss, dem neuen Freund seiner Ex-Partnerin einen nächtlichen Besuch abzustatten. Sein Grund: Der verheiratete Mann hatte die Trennung von seiner Affäre nur schwer verkraften können. Der Prozess gegen ihn begann am 19. Januar 2022 vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Offenburg.

Im Rahmen der Tat orientierte sich der Täter nach Überzeugung des Gerichts an einem siebenstufigen Tatplan, den er schon 2020 schriftlich niedergelegt hatte. Dieser Plan sah für die jeweilige Phase eine „Materialliste“ vor und belief sich vom Überwältigen und Fixieren seines Opfers bis hin zu dessen körperlicher Bestrafung. Die siebte und letzte Phase war mit den Worten „Finale“ betitelt und stand nach Ansicht des Gerichts für die Tötung des Rivalen. Unter den Materialien waren unter anderem ein Gummihammer, Klebeband, Einmalhandschuhe, ein Metallhammer, Kabelbinder und – in der Finalphase – Benzin und Brandbeschleuniger notiert. Um die Absurdität dieses Verhaltens noch zu übertreffen: Neben den Phasen waren Bibelverse aus dem Alten Testament niedergeschrieben.

Mit einem Teil der Gegenstände von der Liste, die er tags zuvor in einem Baumarkt besorgt hatte, fuhr der Täter nachts zur 150 km entfernten Wohnung seines Opfers. Mithilfe einer Leiter verschaffte er sich sodann Zutritt über den Balkon in die Wohnung im ersten Obergeschoss. Bei sich trug er einen Gummihammer, mit dem er sein Opfer durch Schläge gegen den Kopf zunächst betäuben wollte, um ihm dann nach eigener Aussage eine „Ansprache“ zu halten. Angekommen im Schlafzimmer überraschte er sein schlafendes Opfer, indem er ihm mit dem Gummihammer mehrfach brutal gegen Kopf und Oberkörper schlug. Nach Angaben der Kriminaltechnik war das Schlafzimmer mit Blutspritzern übersäht und das Kopfkissen des Geschädigten mit Blut getränkt.

Eifersüchtiger Täter erwischt das falsche Opfer

Als sich das Opfer zu schützen versuchte und der Täter dessen Stimme hörte, wurde ihm jedoch klar, dass er den Falschen vor sich hatte. Er war in das Schlafzimmer eines völlig unbeteiligten Ehepaars eingedrungen. Der Rivale wohnte im Stockwerk darüber und war zur Tatzeit auf dem Rückweg aus dem Urlaub. Als dem Täter der Irrtum auffiel, entschuldigte er sich kurzerhand, versprach Schmerzensgeld und verließ die Wohnung durch die Wohnungstür. Unten angekommen, stand er vor verschlossener Haustüre, weshalb er nochmals nach oben zur Wohnungstür ging, dort von den völlig unter Schock stehenden Geschädigten wieder eingelassen wurde und sodann die Flucht über den Balkon ergriff.

Der Geschädigte hatte zwar Glück, dass die körperlichen Schäden – darunter eine Schädelprellung und eine Gehirnerschütterung – gut verheilten, er und seine im Schlafzimmer anwesende Lebenspartnerin sind jedoch nachhaltig psychisch beeinträchtigt. Der Geschädigte nahm am Prozess als Nebenkläger teil, wobei ihm die starke Belastung, die sich unter anderem in Schlafstörungen zeigte, deutlich anzusehen war.

Auch das eigentlich vorgesehene Opfer, das nur kurze Zeit nach der Tat zu Hause ankam und sich über die dort versammelten Polizei- und Rettungskräfte wunderte, sowie die Ex-Partnerin des Täters trugen psychische Schäden davon. Der Täter wurde zu Hause von Polizeikräften in Empfang genommen. Hierbei wurde auch der Tatplan im Hausflur des Täters aufgefunden.

Die Anklage lautete auf versuchten Mord

Die Anklage lautete auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung. Zwar gestand der Angeklagte den Angriff, stritt die Tötungsabsicht jedoch ab. Im Prozess verstrickte er sich in mehrere Widersprüche. Unter anderem, dass der Kanister Benzin, der im Fahrzeug des Angeklagten gefunden wurde, als Ersatzkraftstoff für seinen Pkw bestimmt gewesen sei. Nach einer Überprüfung zeigte sich, dass der Angeklagte einen Diesel fuhr. Nachdem er entlarvt wurde, behauptete er, er nutze das Benzin um Fahrradketten zu reinigen. Auch hier zeigte sich, dass der passionierte Radsportler und Fahrradverkäufer dem Gericht wieder einen Bären aufbinden wollte: Benzin wird allgemein für die Kettenreinigung nicht empfohlen.

Die Staatsanwaltschaft forderte siebeneinhalb Jahre Haft. Der Verteidiger des Angeklagten plädierte auf höchstens zwei Jahre auf Bewährung für den nicht vorbestraften sechsfachen Familienvater.

Error in persona und Probleme beim Versuchsantritt

Doch jetzt wird es juristisch interessant. Das Landgericht Offenburg sah bereits die Anforderungen an eine Versuchsstrafbarkeit als nicht erfüllt.

Zwar bejahte es den Tatentschluss, wobei es von einem für den Vorsatz unbeachtlichen “error in persona” ausging, jedoch sah es das gem. § 22 StGB erforderliche “unmittelbare Ansetzen zur Tat” für nicht gegeben. Nach Überzeugung des Gerichts waren zwischen den Schlägen mit dem Gummihammer noch weitere tatbestandsfremde Zwischenschritte geplant, wie eine „Doping-Kontrolle“, wobei der Täter mutmaßlich in der Wohnung des Opfers nach Dopingmitteln suchen und weitere Phasen aus dem Tatplan abarbeiten wollte.

Der Angeklagte habe sich an dem Tatplan von 2020 orientiert, wobei am Ende seines Vorgehens die Tötung des Rivalen vorgesehen war. Das Landgericht nahm bei der Urteilsbegründung vorweg, dass es davon ausgehe, wäre das unmittelbare Ansetzen zu bejahen gewesen, dass jedenfalls das Mordmerkmal der Heimtücke iSd. § 211 II Gr. 2 Alt. 2 StGB erfüllt gewesen wäre. Denn das Opfer war während der Tat arglos und wehrlos, was bewusst zur Tat ausgenutzt werden sollte. Entsprechendes merkte das Gericht für das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe aus krankhafter Eifersucht heraus an.

Nur eine gefährliche Körperverletzung

Darüber hinaus wäre ein strafbefreiender Rücktritt aufgrund des fehlgeschlagenen Versuchs nicht in Betracht gekommen. Aber auf all dies kam es aus Sicht des Gerichts letztlich nicht mehr an.

Das Urteil lautete auf gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Freiheitsberaubung. Dies ergab eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, wobei das Gericht strafmildernd insbesondere den Umstand würdigte, dass der Angeklagte sich in einem Adhäsionsverfahren vergleichsweise zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 12.000 Euro bereit erklärte.

Bei der gefährlichen Körperverletzung, sah es die Qualifikationstatbestände des § 224 I Nr. 2 Alt. 2 und Nr. 5 StGB für gegeben, da der Hammer ein gefährliches Werkzeug und die Schläge gegen den Kopf abstrakt lebensgefährlich gewesen seien. Dagegen verneinte es § 224 I Nr. 3 StGB, weil es sich zwar um einen überraschenden Überfall auf ein schlafendes Opfer handelte, dieser jedoch nicht hinterlistig gewesen sei. Insoweit habe es an einem planmäßigen Verbergen der Verletzungsabsicht gefehlt. Dafür berücksichtigte das Gericht diesen Umstand in der Strafzumessung, indem es darüber hinaus vergleichsweise auf den Wohnungseinbruchsdiebstahl verwies, der gerade deshalb eine besonders hohe Sanktionierung vorsieht, weil das Opfer in seinem heimischen Schutzbereich angegriffen wird.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte, der während der Urteilsbegründung mitschrieb, hat bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung Revision angekündigt.


Entscheidung: 1 Ks 619 Js 12416/21
Fundstelle: https://www.stuttgarter-zeitung.de/

-Werbung-

Ähnliche Artikel

Social Media

6,795FollowerFolgen
2,166FollowerFolgen
Download on the App Store
Jetzt bei Google Play
-Werbung-spot_img
-Werbung-

Letzte Artikel