Gotham City: Was wir von Batman über die Broken Window Theorie lernen können

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Der fiktive Comic-Held Batman gehört zu einem der bekanntesten Superhelden des DC-Universums. In seiner Heimatstadt, Gotham City, kämpft der maskierte Wächter gegen die ansteigende Kriminalität. Dabei stellt Gotham City das Musterbeispiel einer korrupten, dystopischen Megacity dar. Und hier kommt die Broken Window Theorie in’s Spiel. Diese Kriminalitätstheorie stellt eine direkte Verbindung zwischen dem Zustand einer Stadt und der sich darin entwickelnden Kriminalität dar.

Von allen Superhelden ist Batman derjenige, der am meisten mit der Stadt verbunden ist, der er dient. Denn die staatlichen Kontrollinstanzen in Gotham City versagen komplett. Kriminellen Organisationen werden die Straßen überlassen. Die Metropole ist so grundlegend korrupt, dass ihr nur noch ein “maskierter Held” helfen kann. Zwar unterscheiden sich die Darstellungen der Stadt in den verschiedenen Verfilmungen der Superhelden-Saga. Alle Darstellungen lassen sich jedoch auf einen gemeinsamen Nenner zurückführen. Die einstige Pracht der Stadt lässt sich durch die Schichten von Schmutz und Verfall nur noch schemenhaft erahnen. Jahrelange mangelnde Instandhaltung haben die Megacity in eine schmuddelige, smogverseuchte Dystopie verwandelt, die kaum noch bewohnbar ist. Während sich die Reichen in ihre Landhäuser zurückziehen, lebt die normale Bevölkerung in einem städtischen Slum.

Gotham City hat den maskierten Wächter Batman hervorgebracht

“Gotham hat Batman hervorgebracht. Wenn es kein Verbrechen gäbe, hätte Batman keinen Grund, dort zu sein.”

Will Brooker, Professor für Film- und Kulturwissenschaften an der Kingston University.

In Christopher Nolans “Dark Knight Trilogie” wurden einige Außenszenen von Gotham unter anderem in Chicago gedreht. Dementsprechend besteht die Stadt aus Hochhäusern und Straßenzügen, wie sie in jeder größeren amerikanischen City vorkommen. Der Verfall ist auf den ersten Blick nicht ganz so deutlich zu erkennen, wie in früheren Verfilmungen. Trotzdem zeichnet sich die Stadt durch Anonymität und durch eine deutliche Schere zwischen der armen und der superreichen Bevölkerung aus. Denn ähnlich wie die Architektur Gothams wurden auch die Darstellungen von Verbrechen und Justiz immer wieder auf der Grundlage des aktuellen sozialen und politischen Klimas erneuert.

“Es gibt viele Hinterhöfe, niedrige Straßen, alte Architektur, coole, alte Clubs oder Restaurants. Es ist optisch ein großartiger Ort, um [Verbrechen] zu inszenieren und dieses Gefühl zu verkaufen.”

James R. McAllister, Drehortleiter der Nolan-Adaption
Batman Arkham Origins Arkham Rooftop by Gryphart

Kriminalitätstheorien erklären, wie Kriminalität entsteht

In jeder Version des Batman-Mythos lassen es jedoch korrupte oder anderweitig ineffektive Politiker zu, dass Gotham in die Hände von Schlägern, Dealern, Gangstern und sogar mörderischen Psychopathen wie dem Joker fiel. Und hier kommen die in der Kriminologie bekannten Kriminalitätstheorien in’s Spiel. Denn wieso ist gerade Gotham City so anfällig für Kriminalität? Das versucht die Broken Window Theorie allgemein zu erklären.

Alle Kriminalitätstheorien treffen Aussagen darüber, wie Kriminalität entsteht und suchen Erklärungen, warum es zu delinquenten Verhalten kommt. Es gibt soziologische, sozialpsychologische, psychologische und biologische Erklärungsmodelle. Heute dominieren vor allem die sozialpsychologischen Ansätze. Dabei sind die verschiedenen Kriminalitätstheorien zeit- und ortsabhängige Erklärungen und abhängig von gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen. Dem Anspruch eine Totaltheorie (grand theory) der Kriminalität zu entwerfen, wurde bis heute keiner der Ansätze gerecht.

“Broken Windows” (dt. “zerbrochene Fensterscheiben”) ist ein von den Wissenschaftlern James Q. Wilson und George L. Kelling geprägter Begriff. Sie stellten ihre Theorie erstmals im Jahr 1982 in der Zeitschrift „The Atlantic Monthly“ vor. Die Grundannahme lautet, dass eine zerbrochene Fensterscheibe schnellstmöglich repariert werden muss, damit weitere Zerstörungen im Stadtteil und damit die Steigerung der Kriminalitätsrate verhindert werden kann. Heruntergekommene und verwüstete Stadtgebieten stehen demnach in unabdingbarer Verknüpfung mit der Kriminalität und bedingen diese.

Broken Window Theorie und das Experiment von Zimbardo

Wilson und Kelling nahmen zur Erklärung der Broken Windows Theorie Bezug auf ein Experiment des Psychologen Philip Zimbardo aus dem Jahr 1969. Dabei wurde jeweils ein Auto mit abmontierten Kennzeichen und geöffneter Motorhaube in der New Yorker Bronx und im Stadtteil Palo Alto in Kalifornien abgestellt. In der Bronx wurde das Auto nach kurzer Zeit vollkommen demontiert und zerstört. In Palo Alto schloss ein besorgter Fußgänger die Motorhaube. Ansonsten blieb der PKW unangetastet. Und jetzt wird es interessant: Zimbardo demolierte das Auto daraufhin selbst. Und erst jetzt wurde das Auto auch in Palo Alto ausgeschlachtet.


Alleyway Night by JackEavesArt

Als Auslöser für kriminelles Handeln sehen Wilson und Kelling deswegen den städtebaulichen Verfall („urban decay“) wie z.B. zerbrochene Fenster (Broken Windows) und demolierte Autos. Der sichtbare Verfall signalisiert den Bewohner:innen des Stadtteils eine mangelnde staatliche Kontrolle, die diese wiederum für Kriminalität ausnutzen. Dabei unterscheiden Wilson und Kelling zwischen physical disorder (z.B. verfallende Gebäude) und social disorder (z.B. Gangs, Obdachlose, offene Drogenszene usw.). Der zunehmende Verfall führt dazu, dass die Kriminalitätsfurcht bei gesetzestreue Bürger:innen steigt. Diese verlassen den Stadtteil irgendwann, wodurch die soziale Kontrolle durch die Nachbarschaft weiter absinkt. Dadurch wird delinquentes Verhalten wiederum erleichtert und es kommt zu einer Abwärtsspirale.

Zero Tolerance Modell in New York

Die Broken Window Theorie führte dazu, dass 1994 der New Yorker Polizeichef Bill Bratton die “Nulltolleranzstrategie” ausrief. Die Beamte:innen sollten auch direkt gegen kleinste Vergehen wie z.B. Graffiti vorgehen, um dem städtischen Verfall schnell und hart Einhalt zu gebieten. In New York hatte diese Strategie in den 90ern einen großen Erfolg. Kritiker:innen merken jedoch an, dass zu diesem Zeitpunkt weltweit die Kriminalität zurückging und es schwer ist, diesen Erfolg in New York ausschließlich auf die Zero Tolerance Strategie zurückzuführen.

Für Gotham City sind beide Konzepte jedoch interessant. Was wäre passiert, wenn die Polizei in Batmans Heimatstadt ebenfalls bereits auf kleinste Kriminalität reagiert hätte? Hätte man so die Gangster bereits in der Anfangszeit des Verfalls erfolgreich vertreiben oder die Kriminalität zumindest eindämmen können? Wir werden es leider nie erfahren. Sicher ist aber, dass Gothams Wächter dann nicht aktiv geworden wäre. Und damit hätte es keine der wunderbaren Comics rund um unseren liebsten Superhelden gegeben. Erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung ist in dieser Hinsicht also ein zweischneidiges Schwert.

Mit dem Ausnahmezustand in Gotham City hat sich auch der deutsche Jurist Daniel Damler in seinem Buch “Gotham City: Architektur des Ausnahmezustandes” beschäftigt, das wir hier rezensiert haben.

Du interessierst dich für das Recht der Superhelden und Fantasy-Welten? Dann schau doch mal in unserer Kategorie “Nerdy” vorbei, wo es viele Artikel zum Thema “Recht und Literatur/Film” gibt.

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Zur Architektur von Gotham City: https://www.theringer.com/

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