“Freie Fahrt für freie Bürger”: Raserei mit 417 km/h auf Autobahn nicht strafbar

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Im Juli 2021 fuhr ein tschechischer Millionär mit seinem Bugatti Chiron mit 417 km/h über die deutsche A2. Das ist nicht strafbar, entschied nun die Staatsanwaltschaft Stendal in Sachsen-Anhalt und stellte das Verfahren gegen den Mann ein.

Der Aufschrei in den Medien war groß, als bekannt wurde, dass ein Bugatti-Fahrer mit über 400 km/h über eine deutsche Autobahn gebraust war. Diese Fahrt wurde mit einer Actioncam gefilmt und samt einer eingeblendeten Geschwindigkeitsanzeige bei der Videoplattform YouTube hochgeladen. Viele Deutsche vertraten die Ansicht, dass dies eine unverzeihliche Gefährdung der Allgemeinheit darstelle. Testosterongesteuerte Freiheitsliebhaber argumentierten jedoch: “Freie Fahrt für freie Bürger”. Die entscheidende Frage war dann: Was sagt das deutsche Strafrecht zu diesem Sachverhalt?

Raserfälle – Mord?

Verschiedene sogenannte “Raserfälle” in mehreren deutschen Großstädten haben in der Vergangenheit gezeigt, dass das rücksichtslose Rasen mit dem Auto den Tatbestand des Mordes erfüllen kann, wenn bei der Raserei ein Mensch zu Tode kommt und dem:der Fahrer:in zumindest vorsätzliches Handeln nachzuweisen ist. Der oder die Verantwortliche muss den Tod eines Menschen in Abgrenzung zur Fahrlässigkeit also gerade “billigend in Kauf nehmen”. Hinzu kommen muss außerdem eines der in § 211 II StGB abschließend genannten Mordmerkmale. Bei einem Auto wurde beispielsweise das Mordmerkmal “mittels eines gemeingefährlichen Mittel” – also eines Mittels, das der:die Täter:in gerade nicht mehr unter Kontrolle hat – angenommen.

  • Berliner Raserfall: BGH, Urt. v. 18.06.2020, Az. 4 StR 482/19
  • Frankfurter Raserfall: BGH, Urt. v. 01.03.2018, Az. 4 StR 158/17 
  • Stuttgarter Raserfall: BGH, Beschl. v. 17.02.2021, Az. 4 StR 225/20
  • Kölner Raserfall: BGH, Be­schl. v. 04.12.2018, Az. 4 StR 388/18

Der Fall des tschechischen Millionärs unterscheidet sich jedoch ganz erheblich von den anderen Raserfällen. Denn erstens wurde bei seiner Fahrt über die A2 niemand verletzt/getötet und zweitens ist dem Fahrer kein verbotenes Kraftfahrzeugrennen nachzuweisen, so die Staatsanwaltschaft Stendal.

Neuer Straftatbestand: Verbotenes Kraftfahrzeugrennen

Die Raserfälle haben dazu geführt, dass in Deutschland 2017 ein neuer Straftatbestand ins StGB eingeführt wurde. Straßenrennen waren und sind in Deutschland grundsätzlich verboten (§ 29 I StVO). Vor der Gesetzesänderung wurden sie mit einem Bußgeld bestraft. Kam es bei dem Rennen außerdem zur Gefährdung von Personen oder Sachen von bedeutendem Wert, war auch eine Ahndung als “Gefährdung des Straßenverkehrs” (§ 315c StGB) und in den oben beschriebenen (umstrittenen) Einzelfällen auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, Totschlags oder Mordes möglich. Seit dem 13. Oktober 2017 sind sogenannte “verbotene Kraftfahrzeugrennen” nach § 315d StGB strafbar und können mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden.

Im Falle unseres Bugatti Chiron-Fahrers leitete die Staatsanwaltschaft auch tatsächlich Ermittlungen wegen eines illegalen Straßenrennens nach § 315d StGB ein. Der Clou an diesem Paragraph: Bestraft werden nicht nur Rennen gegen mehrere Personen, sondern auch sogenannte “Einzelrennen”. Denn nach § 315 d I Nr. 3 StGB macht sich auch strafbar, wer im Straßenverkehr “sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.”

Warum stellte die Staatsanwaltschaft den Fall aber nun ein? Es scheiterte am Tatbestandsmerkmal der “Rücksichtslosigkeit”. Denn der Fahrer habe optimale Wetterbedingungen, Straßenverhältnisse und eine Uhrzeit gewählt, zu der nachts niemand mehr unterwegs sei. Zudem sei sein Auto auf derartig hohe Geschwindigkeiten ausgelegt. Auf dem Abschnitt der A2 habe es gerade keine Geschwindigkeitsbegrenzung gegeben. Auch Hinweise auf eine unsichere Fahrweise gebe es laut Staatsanwaltschaft Stendal nicht. Und damit schritt unser Millionär straffrei von dannen.


Fundstelle: https://www.faz.net/

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