Dass Protestaktionen von Klimaaktivist:innen oft darauf abzielen, möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, ist keine Neuigkeit. Kurioser wird die ganze Sache aber, wenn ein Hochschullehrer mit von der Partie ist. So geschehen an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU). Im Mai 2021 besetzte Professor Wolfgang Ertel, Leiter des Instituts für Künstliche Intelligenz an der RWU, gemeinsam mit zwei Klimaaktivisten einen Baum. Zwischen Baum und Hochschulgebäude spannten sie ein Banner mit verschiedenen Forderungen. Die Maßnahme sollte auf Missstände in Sachen Energiemanagement der Hochschule aufmerksam machen.
Die Aktivisten forderten unter anderem eine intelligente Steuerung der hochschulinternen Heizungen, die nicht mehr permanent laufen sollten. „Ich bin jetzt seit über 26 Jahren an der Hochschule und versuche seit zehn Jahren, über den Dienstweg etwas zu ändern. Aber die Anlagen laufen auch in den Weihnachtsferien einfach durch. Ich bin immer gescheitert und jetzt einfach frustriert“, erklärte Ertel – der auch Nachhaltigkeitsbeauftragter der Hochschule ist – gegenüber der FAZ.
4000 € Strafe wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz
Es mussten also drastischere Mittel her. Diese wurden für den Hochschullehrer ziemlich teuer. Denn die Staatsanwaltschaft sah in der Baumbesetzung einen Verstoß gegen § 14 I VersG. Nach dieser Norm sind Versammlungen bis spätestens 48 Stunden vorher bei der zuständigen Behörde anzumelden. Anderenfalls droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
Gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft legte Ertel Einspruch ein, sodass die Sache vor dem AG Ravensburg landete. Das Gericht verurteilte ihn anschließend zu einer Zahlung von 40 Tagessätzen à 100 €. Vor Gericht argumentierte der Wissenschaftler mit dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr, weil er auf Missstände aufmerksam machen wollte. Dem schloss sich das Gericht nicht an und argumentierte, Ertel hätte die Versammlung anmelden und trotzdem sein Ziel erreichen können.
Eine erfolgreiche Aktion – trotz Verurteilung
Auch nach der Entscheidung des Amtsgerichts im April diesen Jahres ist die Sache noch nicht komplett vom Tisch. Denn die Staatsanwaltschaft – welche ursprünglich eine Geldstrafe von 5.000 € gefordert hatte – hat Berufung gegen die Entscheidung des AG eingelegt. Dennoch hatte die Aktion für die Aktivisten auch positive Folgen. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium versprach nach Bekanntwerden des Protests, „Optimierungspotenziale“ beim hochschulinternen Energiemanagement zu prüfen. Außerdem soll ein:e Klimaschutzmanager:in die RWU sowie acht weitere Hochschulen im Land künftig hinsichtlich Einsparmöglichkeiten bei den Gebäuden unterstützen. Auch die Hochschule selbst wurde schlussendlich tätig: Nach Angaben eines Sprechers baute sie eine intelligente Heizungssteuerung in einem Gebäude ein. Somit haben die Klimaaktivisten ihr Ziel durch diesen tatkräftigen Einsatz zumindest zum Teil erreicht.
Fundstelle: https://www.lto.de/