In Indien hat ein Paar seinen eigenen Sohn auf 50 Millionen Rupien (600.000 Euro) verklagt. Der Grund: Die Eltern verlangen von ihrem einzigen Sohn und ihrer Schwiegertochter endlich ein Enkelkind.
Sanjeev Ranjan Prasad (61) und seine Frau Sadhana Prasad (57) sind enttäuscht. Ihr Sohn – ein erfolgreicher Pilot – hat bereits vor über sechs Jahren geheiratet. Und mit seiner Ehefrau noch immer kein Kind gezeugt. Deswegen verklagen seine eigenen Eltern ihn jetzt auf 50 Millionen Rupien. Ihre Begründung: Sie hätten ihrem Sohn für 3,5 Millionen Rupien (40.000 Euro) seine teure Pilotenausbildung finanziert. Nun wäre es an ihm, finanziell vorzusorgen. Denn die Eltern hätten ihre Ersparnisse fast aufgebraucht.
“Wir wünschen uns einen Enkel oder eine Enkelin innerhalb eines Jahres oder eine Entschädigung, denn ich habe meinen Lebensunterhalt für die Ausbildung meines Sohnes ausgegeben”, sagte Sanjeev Ranjan Prasad gegenüber den indischen Medien. Er behauptet, sein Sohn und seine Schwiegertochter würden einen Lebensstil pflegen, in dem sie nicht mehr an ihre alternden Eltern denken würden. Deswegen bräuchten sie ein Enkelkind, das sich um seine Großeltern kümmern könnte. “Wir haben ihn in der Hoffnung verheiratet, dass wir in den Genuss kommen würden, Großeltern zu werden”, so Prasad.
Ausbildungskosten gegen Enkelkinder aufgerechnet
Den Gang zu Gericht rechtfertigen die Eheleute mit der Uneinsichtigkeit ihres Sohnes. “Wir hatten keine andere Wahl, als zum Gericht zu gehen. Wir haben versucht, mit ihnen zu reden, aber immer wenn wir das Thema Enkelkinder ansprachen, wichen sie aus. Ihre Entscheidung, sich nicht fortzupflanzen, würde das Ende unseres Familiennamens bedeuten.”
Dass Eltern so weit gehen, ihren eigenen Sohn zu verklagen, ist selbst für Indien ein Novum. Gesellschaftlich ist es dort aber immer noch Tradition, dass die Eltern den:die Ehepartner:in der Kinder aussuchen und in das Leben ihrer Kinder und Enkel:innen stark involviert sind. Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, ist in Indien fast nie nur eine Entscheidung des Paares selbst. Jede:r – von den Eltern und Schwiegereltern bis hin zu nahen und entfernten Verwandten – hat ein Mitspracherecht, und in den meisten Fällen beginnen die Familien, die Paare direkt nach der Hochzeit zur Familiengründung zu drängen. “In Indien werden Ehen zwischen Familien geschlossen und nicht nur zwischen einem Paar”, erklärt der Sozialanthropologe Prof. AR Vasavi gegenüber der BBC. Dabei verwenden die Eltern oft das wirtschaftliche Argument, dass sie Geld für die Bildung der Kinder ausgegeben und nun ein Mitsprachecht bei der Fortpflanzung hätten. Diese Erwartung der Eltern, dass es die Pflicht ihrer Kinder ist, ihnen Enkelkinder zu schenken, ist kasten-, klassen- und religionsübergreifend und geht in Indien sogar über die Kluft zwischen Stadt und Land hinaus.
Und wie sieht es rechtlich aus? Medienberichten zufolge wurde die Klage angenommen. Ein lokales Gericht terminierte eine Anhörung in Haridwar im Bundesstaat Uttarakhand. In Indien hat der Oberste Gerichtshof anerkannt, dass es “die moralische Pflicht und rechtliche Verpflichtung” eines Sohnes ist, sich im Alter um seine Eltern zu kümmern. Indirekt müssen Kinder ihren Eltern also doch etwas zurückgeben. Ob das auch immer ein Enkelkind sein muss, darüber wird in diesem Fall eventuell entschieden werden.
Fundstelle: https://www.bbc.com/