Zwischen Ökozid und Datenschutz – der Moot Court im Strafrecht 2022

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270 Tote, Massenüberwachung, Beschuldigtenrechte auf der Kippe. Vor diesem Hintergrund traten 14 Universitäten in einem bundesweiten Moot Court gegeneinander an. Das geforderte Strafmaß der gegenüberstehenden Parteien: Freispruch oder lebenslänglich.

Die Jurastudent:innen der Universität Leipzig errangen in diesem Jahr den zweiten Platz beim strafrechtlichen Moot Court und berichten hier über ihre Teilnahme.

Die Vorbereitung: Recherche, Fristen, Plädoyer

Nach einem umkämpften Bewerbungsverfahren starteten wir in die Bearbeitung des Falles. Dieser hatte es in sich. Der hochkomplexe und umfangreiche Sachverhalt stellte uns vor bisher unbekannte Probleme: Die Angeklagte – eine Ingenieurin – verursachte durch die Ausstellung einer fehlerhaften Stabilitätserklärung einen Staudammbruch. Es folgte ein Ökozid mit insgesamt 270 Toten. Doch waren ihr diese schrecklichen Folgen strafrechtlich zuzurechnen und nachweisbar?

An dieser Stelle haben wir uns in die gegenüberstehenden Parteien aufgeteilt – Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Jetzt startete die Recherche. Wir durchforsteten Aufsätze, Dissertationen, Kommentare und Urteile. Immer auf der Suche nach einer passenden Argumentation für den jeweiligen Standpunkt. Es lief nicht immer alles perfekt. Prompt verpassten wir eine Deadline. Der Weg zum finalen Plädoyer war gepflastert mit Umbrüchen, Kritik und Rückschlägen. Und dann, kurz vor Schluss, erging ein neues BGH-Urteil, was uns dazu Zwang, einen Großteil der Plädoyers noch einmal umzuwerfen. Schlussendlich standen sie aber.

Die große Herausforderung war auch einer der Gründe, warum wir uns für den Moot Court im Strafrecht bewarben. Neben dem Knüpfen von neuen Kontakten und dem praktischen Lernen, welches im Studium aktuell leider noch keine große Relevanz hat.

Der Moot Court – eine spannende Verhandlung

Am 5. Mai 2022 reiste unser Team nach Berlin. Nach einer entspannten Anreise trafen wir auf die Teams der anderen Universitäten und bekamen unsere Gegner:innen zugelost. Unsere Staatsanwaltschaft sollte gegen die Verteidigung der Universität Greifswald und unsere Verteidigung gegen das Gewinnerteam des Vorjahres und die Gastgeber die Humboldt-Universität zu Berlin antreten. Nach einem entspannten Sektempfang zog sich unser Team in das Hotel zurück, um die letzten Unsicherheiten für den nächsten Tag auszuräumen. Die kurze Nacht tat unserer Motivation keinen Abbruch. Mehr oder weniger gestärkt, aber gut vorbereitet, traten wir unseren zwanzigminütigen Fußweg zur HU an. Dann ging es für unsere Verteidigung auch schon los. Die erste Verhandlung: Die vorsitzende Richterin schloss die Hauptverhandlung und bat die beiden Parteien um ihre Abschlussplädoyers. Nachdem die Anklage ihre Ausführungen vorgetragen hatte, wurde sie durch die präzise Argumentationsweise unserer Verteidigung stark herausgefordert. Überrascht waren wir durch die wenigen Nachfragen der Richterinnen, da wir durch die Probepleadings härteres gewöhnt waren und dort auf Herz und Nieren geprüft wurden. Aus der Verhandlung gingen wir alle mit einem sehr guten Gefühl hinaus.

Das Moot Court Team der Universität Leipzig

Nach einer kurzen Pause war dann unsere Staatsanwaltschaft an der Reihe, gegen die Universität Greifswald anzutreten. Im Anschluss an diese Prozesssitzung konnten wir uns dank guter Vorbereitung auf die Auswertung freuen. Dieser fieberten wir entgegen und tatsächlich: Wir qualifizierten uns für das große Finale gegen die Universität zu Köln. Da das Team aus Köln in der Vorrunde den ersten Platz belegt hatte, durften sie sich das Team, mit welchem sie im Finale antreten wollten, aussuchen. Die Wahl fiel auf die Verteidigung. Dementsprechend durfte unsere Staatsanwaltschaft noch einmal plädieren. Dann stieg die Anspannung. Würden wir unsere bestmögliche Leistung abrufen können und wie würde die hochkarätige Jury entscheiden? Nach vierzig Minuten intensiver juristischer Diskussion konnte sich das Team aus Köln als Sieger-Team durchsetzen. Dies änderte jedoch nichts an unserer ausgelassenen Stimmung. Der zweite Platz war mehr, als wir uns erhofft hatten.

Fazit: Unbedingt mitmachen!

Eines der Highlights der gesamten Veranstaltung war das gemeinschaftliche Beisammensitzen nach der Siegerehrung. Wir tauschten uns intensiv mit den anderen Teams und den Mitgliedern der Jury bei einem tollen Essen aus. Am Folgetag ging es nach einer entspannten Nacht wieder zurück nach Leipzig.

Wenn ihr Lust auf einen intensiven juristischen Austausch im Rahmen eines Moot Courts habt, solltet ihr folgendes mitbringen: Zielstrebigkeit, Flexibilität, einen langen Atem und vor allem Spaß an Jura.

Abschließend möchten wir uns bei Prof. Dr. Elisa Hoven, unserer Betreuerin Viktoria Piekarska und allen geduldigen Proberichter:innen bedanken.

Inzwischen gibt es viele nationale und internationale Moot Court Angebote. Einer der Exoten ist beispielsweise der jährlich von ELSA organisierte Märchen Moot Court, bei dem es um fiktive Märchensachverhalte geht (JURios berichtet). Wir haben außerdem mit der Moot Court Association Bremen (MCAB) e.V. gesprochen, die die Moot Courts an der Universität Bremen organisiert (JURios berichtet)


Das Team aus Leipzig bestand aus: Julia Jeschke, Luca Steinhausen, Valentin Daube und Yasmin Schnack, die diesen Artikel gemeinsam für JURios verfassten.

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Redaktion
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JURios. Kuriose Rechtsnachrichten. Kontakt: redaktion@jurios.de

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